Olympisches Fußballturnier:Am Wackelpudding zerschellt

Die deutschen Fußballerinnen werden von den Brasilianerinnen nach guter Anfangsphase vorgeführt und verpassen wieder einmal den Einzug ins olympische Finale.

Dominik Prantl

Es war eine Demonstration ihrer Klasse. Ihre Vorlage zum 2:1 feierte die Stürmerin Marta mit einem Handstandüberschlag, gefolgt von einem Salto, den sie sicher stand, und wahrscheinlich hätte sie damit auch bei den olympischen Turnwettbewerben eine Außenseiterchance gehabt. Doch auf dem Fußballfeld ist die brasilianische Weltfußballerin wertvoller, dort ist sie unerreicht, wie Deutschland Frauen leidvoll erfahren mussten. 1:4 unterlag das Team von Trainerin Silvia Neid im Halbfinale des Olympischen Turniers und verpasste damit wie schon in Athen und in Sydney den Einzug ins Endspiel. Neid kritisierte danach ihr eigenes Team: "Ich finde nicht, dass Brasilien eine tolle Leistung geboten hat. Wir hatten das 2:0 auf dem Fuß, haben es aber nicht gemacht. Die Mannschaft hat alles gegeben, aber es hat nicht gereicht."

Olympisches Fußballturnier: Melanie Behringer (C) of Germany vies with Rosa Andreia

Melanie Behringer (C) of Germany vies with Rosa Andreia

(Foto: Foto: dpa)

Der Begegnung Deutschland gegen Brasilien haftet ja immer der Zauber eines Klassikers an, zumindest ein Hauch davon, egal ob nun ein Freundschaftsspiel oder ein olympisches Halbfinale auf der Programm steht. Und immer wird das Treffen auch mit zwei unterschiedlichen Philosophien verbunden: Auf der einen Seite der teutonische Kraftfußball, auf der anderen südamerikanische Kreativität. Im Weltmeisterschafts-Finale im vergangenen Jahr hatte Deutschland noch mit 2:0 triumphiert, beim Gruppenspiel zwischen den beiden vor zwölf Tagen hatte Deutschland mit Mühe ein 0:0 gerettet.

Es schien anfangs, als habe der Weltmeister daraus Lehren gezogen. Die Deutschen mischten mit kreativer Kraft die brasilianische Abwehr auf. Dort herrschte entsprechende Unordnung, weshalb Statistik-Freaks schon nach fünf Minuten zwei Eckbälle und einen wuchtigen Kopfball von Annike Krahn notieren durften. Wenig später bereicherte sogar der erste Treffer den Notizzettel. Abwehrspielerin Erika behandelte den Ball ganz und gar unbrasilianisch, Birgit Prinz funkte dazwischen, umkurvte auch Torhüter Barbara so listig wie abgeklärt, um genussvoll zum 1:0 einzuschieben (10.).

Auftaktsiesta beendet

Anschließend durften sich Melanie Behringer und Anja Mittag über ihre verpassten Großchancen gegen die wenig stabile Abwehr mächtig ärgern, vor allem, weil jede weitere Spielminute wie Stärke auf die Wackelpuddingdefensive des Gegners wirkte. Allerdings bekam Deutschland auch kaum mehr die Möglichkeit, diese unter Druck zu setzen. Denn Brasiliens ballsichere Offensive beendete nach 20 Minuten die Auftaktsiesta und kombinierte fortan forsch nach vorne. Deutschland schien nur noch auf den Pausenpfiff zu warten, doch wurde die Sehnsucht jäh gestört. Formiga drosch die Kugel aus 13 Metern zum verdienten Ausgleich ins Netz und beendete die fast unheimliche Serie von Torhüterin Nadine Angerer (43.). Diese kassierte das erste Tor nach unglaublichen 972 Minuten in der Nationalmannschaft. Schon die vergangene Weltmeisterschaft hatte Angerer ohne Gegentor abgeschlossen.

Als habe Formiga damit einen Bann gebrochen, kam es noch schlimmer für Angerer, viel schlimmer. Allerdings war die Torhüterin auch an den weiteren Gegentreffern schuldlos, vielmehr hatten die stürmisch in Halbzeit zwei gestarteten Kolleginnen Probleme in der Rückwärtsbewegung. Beim 2:1 konterte ein brasilianisches Quartett, und weil sich gleich zwei deutsche Verteidigerinnen mit der Ehrfurcht von Schülerfußballerinnen um Marta bemühten, brauchte die nur die mitgelaufene Christiane bedienen (49.). Marta hatte offenbar Gefallen daran gefunden, die deutsche Abwehr zu düpieren, tanzte Ariane Hingst aus und beendete per Außenrist zum 3:1 in der 53. Minute die nächste Serie: Noch nie zuvor hatte Marta gegen Deutschland getroffen.

Damit passte das Duell wenigstens auch wieder in das übliche Muster: Kreativität gegen Kampfkraft, und mit dieser versuchten es die Deutschen. Das Ergebnis war wenig ansehnlich: belanglose Flanken, ungenaue Pässe, harmlose Gewaltschüsse. Stattdessen zelebrierte Christiane endgültig den Triumph der Spielfreude, indem sie vor ihrem zweiten Treffer der deutschen Abwehr eine Gratislehre in Ballbehandlung erteilte (76.). Und während manche Serie der Deutschen riss, bleibt eine weiterhin bestehen: der Olympiasieg fehlt weiterhin in der Titelsammlung.

Brasilien - Deutschland 4:1 (1:1) Brasilien: Barbara - Renata Costa, Erika, Tania, Maycon - Ester - Simone, Daniela (76. Francielle), Formiga - Marta, Cristiane (86. Fabiana) Deutschland: Angerer (Djurgården Stockholm) - Stegemann (Wattenscheid 09), Krahn (FCR Duisburg), Hingst (Djurgården Stockholm), Peter (Turbine Potsdam) - Garefrekes (1. FFC Frankfurt), Laudehr (FCR Duisburg), Lingor (1. FFC Frankfurt), Behringer (Bayern München - 60. Bajramaj/FCR Duisburg) - Mittag (Turbine Potsdam - 60. Okoyino da Mbabi/SC 07 Bad Neuenahr), Prinz (1. FFC Frankfurt) Schiedsrichterin: Hong (Südkorea) - Zuschauer: 26 976 Tore: 0:1 Prinz (10.), 1:1 Formiga (43.), 2:1 Cristiane (49.), 3:1 Marta (53.), 4:1 Cristiane (76.) Gelbe Karten: Renata Costa, Marta, Formiga / Laudehr, Prinz

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