Eiskunstlauf-Olympiasieger Richard Button:Der Eisflieger der Nation

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Richard „Dick“ Button bei einem Trainingssprung in St. Moritz vor den Olympischen Winterspielen von 1948, als Eiskunstlauf noch ein Freiluftsport war. (Foto: dpa)

Der zweimalige Olympiasieger Richard „Dick“ Button hat den Doppelaxel erfunden, den ersten Dreifachsprung gestanden – und dann dem US-Fernsehpublikum das Eiskunstlaufen als Chefkritiker nahegebracht. Ein Nachruf.

Von Barbara Klimke

Es waren Tage der Trauer für den amerikanischen Eiskunstlauf. Am Mittwoch kollidierte ein Linienflugzeug mit einem Armeehubschrauber in Washington, niemand überlebte. Unter den Toten waren jugendliche Eisläufer, die mit Eltern und Betreuern von einem Trainingscamp zurückkehrten. Auch die russischen Paarlauf-Weltmeister von 1994, Jewgenija Schischkowa und Wadim Naumow, die nach ihrer Karriere in Boston als Trainer arbeiteten, kamen bei der Katastrophe ums Leben.

Und ehe die Woche vorüber war, vermeldete der US-Eiskunstlaufverband, dass Olympiasieger Richard „Dick“ Button im Alter von 95 Jahren in seinem Wohnort in North Salem/New York gestorben war: der Mann, der den Doppelaxel erfand. Und der dem amerikanischen Publikum am Fernsehen ein halbes Jahrhundert lang dieses Theater aus Toeloop und Tüll erklärte, diesen Sport, halb Athletik, halb Artistik, den er liebte.

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Dick Button war kein Romantiker am Mikrofon. Sein Blick war scharf, die Worte mitunter ebenso. Die Vorführung des US-Meisters Christopher Bowman kanzelte Button einmal als „gewöhnlich, langweilig, langsam, einschläfernd“ ab. Ein andermal, als seine Co-Kommentatorin Peggy Fleming mitfühlend die Sturzkür eines Athleten bedauerte, entgegnete er lakonisch: „Ich dagegen bedaure alle, die sich das ansehen müssen.“ Er wolle die Eiskunstläufer nicht verletzen, sagte er der New York Times; er wollte, dass sie sich die Kritik zu Herzen nahmen. Dass er über Expertise wie kein anderer verfügte, stand außer Frage.

Bei seiner ersten Weltmeisterschaft wurde Button „nur“ Zweiter – es blieb seine einzige Niederlage

Button hatte als Kind, anfangs ein pummeliger Junge, mit dem Eiskunstlauf begonnen. Der Vater, der als Großhändler unter anderem Schreibmaschinen vertrieb, finanzierte den Unterricht an der Eislaufschule von Gus Lissi, einem Fachmann, mit dem er bis zum Karriereende zusammenarbeitete. 1946 gewann er als 16-Jähriger dank seines enormen Trainingseifers den ersten seiner sieben US-Meistertitel. Als er ein Jahr später bei seiner ersten Weltmeisterschaft trotz phänomenaler neuartiger Sprungkombinationen in der Kür nur Zweiter wurde, schenkte ihm der große Schwede Ulrich Salchow zum Trost den ersten Pokal, den er selbst, Salchow, 1901 gewonnen hatte. Es sollte für Dick Button die einzige Niederlage der gesamten Laufbahn bleiben.

1948 in St. Moritz wurde er zum Olympiasieger gekürt, diesmal präsentierte er eine ausgezeichnete Pflicht und in der Kür eine Weltneuheit: den Doppelaxel, der, genau genommen, sogar zweieinhalb Drehungen erfordert. Vier Jahre später folgte in Oslo das nächste Olympiagold, diesmal sprang er locker drei Doppelaxel nacheinander und landete als erster Läufer einen Dreifachsprung, den Rittberger, sauber auf einer Kufe. Mit seiner Athletik hat Dick Button das Eiskunstlaufen grundlegend verändert. Auch die eingesprungene Waagepirouette, auf Englisch Flying Camel Spin, geht auf den Eisflieger mit Juraexamen zurück. Neben dem Sport hatte er in Harvard Rechtswissenschaften studiert.

Nach der Amateurkarriere verdiente er zeitweise als Profiläufer bei Eisshows Geld, danach revolutionierte er in den USA nach dem Wintersport auch die Wintersportberichterstattung. Von 1960, von den Schwarz-Weiß-Spielen von Squaw Valley an, erklärte er dem Fernsehpublikum den Eiskunstlauf, zunächst bei CBS, später auch bei den Sendern ABC und NBC. Nach den Spielen von Vancouver 2010 trat er zurück. Es war das „begeisternde Gefühl der Freiheit“, das ihn am Eiskunstlauf faszinierte: „Die Möglichkeit, sich zu bewegen, war wie Fliegen“, sagte er in einem seiner schwärmerischen Momente.

Von scharfer Kritik aber nahm er keinen aus, auch nicht sich selbst. Als er die Bewegtbilder seines Doppelaxel von 1948 später noch einmal begutachten sollte, stellte er fest: „Der Sprung hätte abgewertet werden müssen, weil da eine kleine Schummelei bei der Landung war.“

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