Olympische Winterspiele in Turin:Feuer und Flamme für Olympia

Die XX. Olympischen Winterspiele in Turin haben begonnen. Bis zum 26. Februar kämpfen 2500 Sportler aus 80 Ländern in 84 Disziplinen um olympisches Gold. Die Eröffnungsfeier stand unter dem Motto "Leidenschaft lebt hier".

Holger Gertz, René Hofmann und Martin Zips

Der Einmarsch

kenia, AFP

Die kenianische Mannschaft bekam großen Applaus beim Einzug ins Stadion

(Foto: Foto: AFP)

Weil es in Turin keine Berge gibt, die aber nun einmal so unbedingt zu Olympischen Winterspielen gehören wie der Athleten-Einzug zur Eröffnungsfeier, durften die Mädchen mit den Ländernamen Kleider tragen, die an den Alpenkamm erinnerten. Dahinter reihten sich die Japaner auf, ganz viele, ganz in Weiß. Es sah aus wie eine Lawine. Die Mongolen trugen Kappen aus Yetifell, die Niederländer Gletscherspalten-blaue Hosen.

Die Deutschen kamen in Wassereisfarben aus den frühen Siebzigern. Die Italiener zogen in Hochnebel-Grau auf. Einzig die zwei Kenianer spielten nicht mit. Sie griffen zu Jacken, die verdächtig nach Winterschlussverkauf aussahen. Sie erhielten trotzdem ganz viel Applaus.

Die Show

Gut, dass es Zeremonienmeister gibt, die dem Publikum immer zeigen, was es zu tun hat. Mit der Kuhglocke läuten, zur La Ola aufspringen, mit der Taschenlampe wedeln, sich eine silberne Tüte vors Gesicht halten - da kann man leicht den Überblick verlieren zwischen vielen, bunt angezogenen, singenden Kindern und vielen bunt bemalten, tänzelnden Kühen.

Die Köpfe, die sich die Show ausdachten, ließen einst für Pink Floyd The Wall einstürzen. Im Stadio Olimpico bauten sie Wälder auf, Berge, einen Triumphbogen, durch den die Athleten einzogen und eine Opernbühne, auf der am Ende Puccini gegeben wurde. Die Zeremonienmeister zeigten: Klatschen!

Die Stimmung

Ist es eine gute Idee, wenn man als Musikchef so einer Veranstaltung beim Einmarsch der Nationen nicht langweilige Klimpermusik spielt, sondern einfach eine alte Kassette einschiebt? Also, die Kassette, die man selbst mal zusammengeschnitten hat, so vor zwanzig, dreißig Jahren, mit allen Disco-Reißern drauf, "Love is in the air", natürlich "Daddy Cool" von Boney M., Village People, Umberto Tozzi, solche Sachen.

Zwei mal 45 Minuten passten auf die Tapes, man konnte Papieraufkleber dran pappen und "Gabys Feten-Mix" draufschreiben, aber irgendwo in Italien saß ein Junge, der schrieb "Einmarsch der Nationen, Eröffnungsfeier Olympia 2006" drauf. Und dann ging alles seinen Weg, und er wurde Musikchef der Eröffnungsfeier, und er brachte seine Kassette mit. Die Mongolei lief ein zu "Video killed the radio star". Herrlich. Das ganze Stadion war hingerissen. Ach, das mit der alten Kassette war eine großartige Idee.

Feuer und Flamme für Olympia

Die Offiziellen

Blair, Bush, AP

Cherie Blair (l.) und Laura Bush verfolgten auch die Show in Turin

(Foto: Foto: AP)

Italien müsse aufpassen, hat Silvio Berlusconi am Donnerstag gesagt: Es dürfe nicht so aussehen, als sei es das einzige Land, das Olympia nicht haben will. Zur Eröffnung einen Tag später gab der Regierungschef dann selbst ein schlechtes Beispiel - er kam nicht. Im linken Turin pfeifen sie gerne auf rechte Politiker. So wurde es ein Abend der Frauen: Laura Bush und Cherie Blair auf der Tribüne, Sophia Loren, Isabel Allende und Susan Sarandon an der Olympischen Fahne.

Das Wetter

In Turin liegt kein Schnee, aber um die Illusion von Schnee zu schaffen, hat jeder Zuschauer einen weißen, weiten Umhang bekommen. Mit so einem Umhang sieht man aus der Nähe und als Einzelner ein wenig lächerlich aus, von einer Kamera aufgenommen allerdings wirken Tribünen voller weiß gekleideter Menschen fast wie Schnee. Darauf kommt es an bei so einer Feier: Illusionen schaffen.

Dabei wurde es im Verlauf des Abends erst eiskalt, dann sogar saukalt, und auch der weiße Umhang half da nicht weiter. Er sollte nach Winter aussehen, nicht vor Winter schützen. Kleine Gruppen von Zuschauern zogen ihre schwarzen dicken Jacken drüber und wirkten aus der Entfernung wie Schokoladenkrümel in einem riesigen Becher Stracciatella-Eis.

Das TV-Ereignis

Wolf-Dieter Poschmann! Der beste Sportmoderator des ZDF darf ran. "Rot steht für die Leidenschaft", "Die Piazza füllt sich" - das sind ergreifende Poschmann-Sätze. Als rote Teufel mit brennenden Helmen durch das Stadion rasen, erfahren wir: "Es ist ökologisch harmlos, was da verbrannt wird." Na, Gott sei Dank. Und als Paare in Kuhkostümen über die Bühne tanzen: "Wie sie diese Kühe vom Eis kriegen, soll unsere Sorge nicht sein." Stimmt.

Model Carla Bruni trägt nur künstliche Eiskristalle am Armani-Kleid, denn "andere würden dahin schmelzen". Beim Einmarsch der äthiopischen Mannschaft fragt Poschmann: "Was machen die Wüstensöhne hier?", beim Show-Act schwadroniert er über "die deutsche Gründlichkeit", die man "nicht auf alle europäischen Länder übertragen" kann. Über derlei muss man lange nachdenken. Aber dann weiß man: Es war ein großer Fernsehabend.

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