Olympische Winterspiele:Es macht klick

Weltcup-Siege und gute Trainingsergebnisse: Die deutschen Olympia-Teilnehmer schärfen ihre Zuversicht bei den letzten Rennen vor den Spielen in Vancouver.

Thomas Hahn

Zur unmittelbaren Olympiavorbereitung trug Maria Riesch ein recht anspruchsvolles Kleid mit transparentem Decolleté und freiem Arm. Dazu Stöckelschuhe sowie ein Make-up, das im Scheinwerferlicht so sehr glänzte, dass dpa ganz recht hatte damit, die Slalom-Weltmeisterin "Ski-Glamourgirl" zu nennen. Außerdem berichetete dpa, Maria Riesch habe "ausgelassen" getanzt beim Ball des Sports in Wiesbaden, der Gala der Stiftung Deutsche Sporthilfe, am Samstagabend.

Amelie Kober

Geglückte Generalprobe: Amelie Kober gewinnt in Bayerischzell.

(Foto: Foto: AP)

"Eine willkommene Ablenkung", habe sie das Fest genannt vor ihrem Abflug nach Vancouver diesen Montag, denn: "Ich bin schon ein bisschen hibbelig." Und da zeigte sich mal wieder, welche Fortschritte die moderne Sportwissenschaft gemacht hat. Feiern vor den avisierten Medaillenerfolgen beim Höhepunkt der Olympiade - das sind die Finten, welche einer ernsten Konkurrenz den Nerv ziehen können.

Jeder verbringt eben auf seine Weise die letzten Tage vor dem Großereignis. In Whistler und Vancouver haben die ersten Deutschen die Olympischen Dörfer bezogen. Erste Trainingseinheiten hat es auch schon gegeben in der Olympiastadt, bei denen sich zum Beispiel Eisschnellläufer Patrick Beckert aus Erfurt von seiner intakten Form überzeugen konnte. Am Samstag beim ersten Test auf dem Olympia-Eis in Richmond erzielte der 19-Jährige in 3:50,32 Minuten gleich eine persönliche Bestzeit über 3000 Meter.

Und ein paar Mannschaftsteile waren noch bei Weltcup-Terminen aktiv und schärften dabei ihre Zuversicht. Die Diensthabenden sind nämlich vor allem gut gewesen bei ihren Einsätzen und jene, die nicht so gut waren, redeten einfach nicht viel darüber, dass sie nicht so gut waren. Langläufer Tobias Angerer zum Beispiel, 2006 Olympia-Dritter, in Canmore 14. im 15-Kilometer-Rennen sowie 32. im Klassik-Sprint, sagte: "Ich merk' einfach, dass noch ein bisschen Spritzigkeit fehlt." Das muss nichts heißen nach einer Trainingsphase.

Die Blicke blieben auf jene gerichtet, die sich bestätigt fühlen durften. In Canmore fehlten einige starke Gegner, etwa Norweger und Franzosen, beim italienischen Doppelsieg mit Giorgio Di Centa vor Pietro Piller Cottrer, trotzdem war Axel Teichmann aus Bad Lobenstein angetan von seinem fünften Platz im Distanzrennen und Rang zwölf im Sprint. Der zweimalige Weltmeister hat bisher keine guten Erfahrungen mit Olympia gemacht.

2002 berücksichtigte Bundestrainer Jochen Behle ihn nicht für die Staffel, 2006 fehlte er verletzt - diesmal will er endlich etwas gewinnen, und er hat den Eindruck, das kann ihm auch gelingen: "Ich bin in der Lage, im 15-Kilometer-Skatingrennen und in der Verfolgung um die Medaillen mitzulaufen." Bei den Frauen überzeugte die Biathletin Miriam Gössner als Siebte über 10 Kilometer vor Claudia Nystad (Achte) und im Sprint Nicole Fessel. Auch sie wurde Siebte, dabei hatte die Oberstdorferin die Olympia-Norm knapp verpasst und war eigentlich schon raus aus der Reisegruppe für die Spiele. Die gnadenhalber Nominierte sagte: "Ich denk', jetzt hat's klick gemacht bei mir."

Selbstvertrauen war das große Thema für die Erfolgreichen, vor allem der Skispringer Michael Neumayer hat das deutlich formuliert. Der Berchtesgadener ist ein emotionaler Mensch, was ihm nicht immer gute Kritiken von seinem Bundestrainer Werner Schuster eingebracht hat. Neumayer kann sich bisweilen recht heftig ärgern, diesmal aber legte er seine Energie in einen ausführlichen Jubel über Platz drei hinter Gregor Schlierenzauer (Österreich) und Anders Jacobsen (Norwegen). Er fand sein Abschneiden "affengeil", er sagte: "Das gibt mit Selbstvertrauen für die nächste Woche."

Und Schuster wollte die Errungenschaft nicht zu tief herabgewürdigt wissen durch den Umstand, dass viele der Weltcup-Besten in Willingen schon in ihrer vorolympische Wettkampfruhe weilten. "Er hat einen Thomas Morgenstern runtergeschupft vom Podium." Der Österreicher Morgenstern ist Olympiasieger. Und am nächsten Tag gewann Neumayer mit Pascal Bodmer, Martin Schmitt und Michael Uhrmann vor Norwegen und ersatzgeschwächten Österreichern auch noch das Teamspringen. Schuster lobte: "Das Niveau ist da."

Eine richtige Gewinnerin hat es auch gegeben: Amelie Kober, Olympia-Zweite aus Fischbachau, setzte sich beim Weltcup in Bayrischzell im Finale des Parallelriesenslaloms gegen die Niederländerin Nicolien Sauerbreij durch. "Eine Riesenerleichterung" nannte Amelie Kober den Heimsieg. Sie ist erst 22, und doch schon seit Jahren die fleischgewordene Hoffnung des Snowboard-Verbandes Deutschland. Der SVD verweist längst auch auf die anderen Frauen im Kader, wenn es um seine Aussichten geht, aber Kober ist nun mal die Erfolgreichste und begabt mit einer Kühnheit, die echte Siegläuferinnen auszeichnet.

Sie kennt ihre Rolle, und sie hat bei Olympia nur eine Chance, ihr gerecht zu werden, nicht fünf wie die Ski-Kollegin Riesch. Amelie Kober wirkte nicht so, als sei ihr nach letzten Vorbereitungen im Gala-Kleid. Sie erinnerte sich an 2009: "Da habe ich auch das letzte Rennen vor der WM gewonnen und am Ende hat gar nichts geklappt." Und sie hoffte, dass das nichts zu bedeuten hat.

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