Süddeutsche Zeitung

Laura Ludwig bei Olympia:Fahnenträgerin mit Schnauze

Die Beachvolleyballerin und Mutter Laura Ludwig möchte in Tokio noch einmal auf dem Treppchen landen - und zeigen, dass sich Familienleben und Spitzensport nicht ausschließen.

Von Sebastian Winter

Laura Ludwig hat ihren Sohn nicht mitgenommen nach Tokio, obwohl der Dreijährige gerne dabei gewesen wäre. Letzte Bilder vor dem Abflug zeigten jedenfalls einen jungen Mann mit Wuschelkopf, der im heimischen Wohnzimmer aus der Sporttasche der Mama herausguckt, die sie gerade für die Olympischen Spiele packt. Teo darf dafür an diesem Freitag um 13 Uhr bei Oma und Opa in Berlin bestimmt Fernsehen gucken, und das aus einem wichtigen Anlass: Die Beachvolleyballerin Laura Ludwig wird dann mit Wasserspringer Patrick Hausding bei der Eröffnungsfeier in Tokio die deutsche Fahne ins Stadion tragen.

Nicht nur für Ludwig ist es eine Premiere. Zum ersten Mal überhaupt präsentiert ein Duo beim Einzug der deutschen Olympioniken das Banner, aus Gründen der Gleichberechtigung. Und auch wenn Ludwig in einer ersten Reaktion die Hoffnung äußerte, dass Hausding die Arbeit übernimmt ("Du musst die Fahne tragen, du hast den größeren Bizeps"), dürfte dieser Moment zu einer weiteren leuchtenden Wegmarke in ihrer Profikarriere werden.

Ludwig geht es aber eigentlich um Gleichberechtigung auf einer ganz anderen Ebene. Die 35-Jährige möchte zeigen, dass Mütter ihren Profisport und das Familienleben durchaus in Einklang bringen können - trotz vieler Reisen um die ganze Welt. Ihre Mission ist es, nach dem Olympiasieg 2016 mit Kira Walkenhorst auch in Tokio noch einmal auf dem Treppchen zu landen, als großes Vorbild nennt sie immer wieder die US-Beachvolleyballerin und dreimalige Olympiasiegerin Kerri Walsh. 2004, 2008 und 2012 hatte die Gold gewonnen, 2016 in Rio Bronze. Bei den Spielen in London vor neun Jahren war Walsh bereits Mutter zweier kleiner Söhne, im Jahr darauf kam ihre Tochter zur Welt. Die Qualifikation für Tokio hat sie nur hauchdünn verpasst - als 42-Jährige.

Mit 18 Jahren hatte sie einen leichten Schlaganfall beim Training - deswegen stellte sie ihre Ernährung um

Für Ludwig, in Köpenick geboren und mit einer durchaus schlagfertigen Berliner Schnauze ausgestattet, sind es nun auch schon die vierten Olympischen Spiele. Neunte war sie in Peking, Fünfte in London, in Brasilien folgte mit Walkenhorst (die inzwischen als Drillingsmutter an ihrem Comeback feilt) der so überzeugend herausgespielte Olympiasieg. Ihr Halbfinale hatten in Deutschland 8,55 Millionen Fernsehzuschauer verfolgt - wie schon 2012 wurde der Randsport Beachvolleyball zum olympischen Quotenhit. Ludwig, die siebenmalige deutsche Meisterin, viermalige Europameisterin und Weltmeisterin, die seit vielen Jahren als eine der besten Abwehrspielerinnen auf der Tour gilt, hat einigen Anteil daran. Sie wurde nach Rio mit Walkenhorst zwangsläufig herumgereicht, gewann den Bambi und die üblichen Branchenwahlen, gefiel aber auch mit ihrer fröhlich-lockeren Art.

Aus Streitereien im Verband sowie Debatten um Inzidenzwerte in Tokio oder zu knappe Bikinis in Katar hielt sie sich lieber raus, auch dass ihr Lebensgefährte Imornefe Bowes zugleich Chef-Bundestrainer der Beachvolleyballerinnen ist, löste in der Vergangenheit Kontroversen aus. Ludwig hat sich bei all diesen Debatten inzwischen ein dickes Fell zugelegt - zumindest in der Öffentlichkeit. Wer an die Strände der Copacabana, in Mexiko, Malaysia oder Sydney denkt, an denen Ludwig ihre Arbeit verrichtet, vergisst schnell, wie entbehrungsreich dieses Leben aus dem Koffer sein kann. Und man unterschätzt leicht, wie geradlinig und entschlossen Ludwig an ihrer Karriere feilte. Vielleicht auch, weil sie ein bisschen früher als andere erwachsen geworden ist. Mit 18 Jahren hatte sie einen leichten Schlaganfall beim Training, deswegen stellte sie beispielsweise ihre Ernährung um.

Am Samstagmorgen hat die Fahnenträgerin Ludwig um acht Uhr deutscher Zeit ihr erstes Gruppenspiel, es geht gegen die Schweiz. Noch immer fehlt ihr und ihrer Partnerin Margareta Kozuch die Konstanz, das Duo rumpelte eher durch die Pandemie, sie sind Außenseiter in Tokio. Aber Walshs Beispiel zeigt, wozu Athletinnen mit Kindern imstande sind.

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