Olympische Spiele in Peking:Geglückter Schritt ins Ungewisse

Olympische Spiele in Peking: Wichtiger Etappensieg: Johanna Holzmann ebnet mit ihrem 16. Rang beim Weltcup im kanadischen Nakiska Mitte Januar ihre Olympiateilnahme.

Wichtiger Etappensieg: Johanna Holzmann ebnet mit ihrem 16. Rang beim Weltcup im kanadischen Nakiska Mitte Januar ihre Olympiateilnahme.

(Foto: Johannes Friedl/GEPA pictures/imago)

Johanna Holzmann hat im Telemarken fast alle Titel gewonnen, die es gibt. Doch um ihren Traum von Olympia zu erfüllen, musste sie die Sportart wechseln - und reist jetzt als Skicrosserin nach Peking.

Von Frederik Kastberg

Die Corona-Pandemie hat vielen Menschen gezwungenermaßen die Möglichkeit gegeben, Neues auszuprobieren. Kletten, Wandern, Radfahren - mancherorts war es zeitweise schwieriger, ein anständiges Mountainbike zu bekommen, als im Lotto zu gewinnen. Auch die Oberstdorferin Johanna Holzmann, erfolgreichste Telemarkerin des Landes, hatte im ersten Pandemie-Winter unverhofft viel Zeit, weil nur wenige ihrer Rennen stattfanden. "Ich habe dann den Skicross-Trainer Max Pupp gefragt, ob ich bei ihm meinen Start trainieren kann, der fürs Telemarken sehr wichtig ist." Holzmann durfte - und weil damals kein Pistenbetrieb stattfand, gab es zum Fahren eben nur den Skicross-Kurs, den sie ein paar Mal ausprobierte. "Das hat auf Anhieb gut funktioniert und Spaß gemacht", sagt sie, "und dann bin ich da irgendwie recht flott reingerutscht." Nun ist sie als Skicrosserin bei den Olympischen Spielen in Peking am Start.

Dabei ist es nicht einmal ein Jahr her, dass Holzmann noch auf Telemark-Skiern stand und bei der Weltmeisterschaft Silber im Classic gewann. Doch das Rennen sollte ihr vorerst letztes gewesen sein, Holzmann besprach sich anschließend mit ihren Trainern und entschied, sich von nun an voll und ganz auf Skicross zu konzentrieren. Aus den paar Probefahrten sollte fortan Profisport werden. "Das war mit Sicherheit ein Risiko und ein Schritt ins Ungewisse", sagt sie, auch sei der Sommer mit viel Krafttraining sehr arbeitsintensiv gewesen. "Aber umso schöner ist es, dass es jetzt für Olympia gereicht hat."

Der Wechsel zum Skicross war auch eine pragmatische Entscheidung

Holzmann, die in Oberstdorf aufgewachsen und laut ihres Instagram-Profils immer irgendwo "in den Bergen" zu finden ist, hat nicht zum ersten Mal die Sportart gewechselt. In der Jugend galt sie als verheißungsvolles Talent für die alpinen Skifahrerinnen, doch ihre ständig herausspringende Kniescheibe beendete ihre Träume relativ früh. Über ihren Vater und den ältesten Bruder kam sie zum Telemarken - die Abfahrtstechnik mit der freien Ferse strapaziert die Gelenke deutlich weniger. Dort entwickelte sie sich zu einer der weltweit Besten: zwölfmal Junioren-Weltmeisterin, Gesamtweltcup-Siegerin 2018 und ein Jahr später Weltmeisterin im Parallelsprint. "Aber die Teilnahme an Olympia war einfach nicht möglich", sagt sie heute, weil es der rund 150 Jahre alte Sport bislang nicht in die olympische Auswahl geschafft hat. Und einmal bei Olympia dabei zu sein, sagt Holzmann, das sei nun mal immer ihr Kindheitstraum gewesen.

Olympische Spiele in Peking: "Solange das, was ich mache, auf zwei Skiern stattfindet, bin ich glücklich": Johanna Holzmann, 26.

"Solange das, was ich mache, auf zwei Skiern stattfindet, bin ich glücklich": Johanna Holzmann, 26.

(Foto: Sven Simon/Imago)

Der Wechsel zum Skicross war deshalb auch eine pragmatische Entscheidung - und finanziell eine Verbesserung: Als Kaderathletin in der olympischen Sportart wird die 26-Jährige von der deutschen Sporthilfe unterstützt. Mitglied in der Sportfördergruppe der Bundeswehr ist Holzmann bereits seit dem Abitur vor sieben Jahren. "Und auch meine Sponsoren sind den Weg mitgegangen, obwohl ich ja zu Beginn eigentlich nichts vorzuweisen hatte."

Die nationale Olympia-Norm hat Holzmann nicht erfüllt - nach Peking fliegt sie dennoch

Das ändert sich nun als Olympiateilnehmerin, auch wenn die staatlich geprüfte Skilehrerin noch gar nicht nach China geflogen ist, sondern noch daheim in Oberstdorf sitzt. Am vergangenen Wochenende war sie mit dem deutschen Skicross-Team noch auf der Reiteralm in Schladming zur Vorbereitung, auch um die Rennsituation, das direkte Duell gegen drei andere Fahrerinnen, zu simulieren.

Am Mittwoch reist Holzmann nach Peking, und dass sie überhaupt in den Flieger steigen darf, ist durchaus überraschend. Denn die nationale Olympia-Norm - zwei Top-16-Ergebnisse oder ein Platz unter den besten acht - hat sie mit einem 16. Rang beim Weltcup im kanadischen Nakiska nur zur Hälfte erfüllt. Doch Holzmann profitiert davon, dass es im deutschen Team neben der Medaillenhoffnung Daniela Maier keine andere Athletin gibt, die ihr den zweiten Platz im Team hätte streitig machen können. "Ich war total perplex und konnte es gar nicht glauben, weil ich nicht damit gerechnet habe", sagt Holzmann. In Peking möchte sie unter die besten 16 kommen, doch schon die Qualifikation sei für sie ein "Riesending".

Dieses Riesending wird auch durch die besonderen Umstände nicht kleiner, sagt Holzmann: "Man hat in seinem Sportlerleben vielleicht nur einmal die Möglichkeit, an so einem Großereignis teilzunehmen." An der Vorfreude ändere auch die Pandemie und der "besondere Ort", wie sie die Gastgeber-Stadt Peking umschreibt, nichts. "Wir Profisportler trainieren ein Leben lang auf diesen Tag X hin." Dieser lässt sich inzwischen genauer datieren, sehr genau sogar: Am 17. Februar um 4.30 Uhr deutscher Zeit stürzt sich Holzmann in den olympischen Parcours.

Auch nach den Spielen liegt ihr Fokus auf Skicross. Im kommenden Jahr steht die Weltmeisterschaft an, für die sich Holzmann qualifizieren möchte. Ob sie irgendwann nochmal zum Telemarken zurückkehrt, weiß sie noch nicht. "Ich würde es aber nicht ausschließen." Telemark oder Skicross - allzu entscheidend sei das ohnehin nicht, sagt sie: "Solange das, was ich mache, auf zwei Skiern stattfindet, bin ich glücklich."

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