Olympische Spiele:In Kroatiens Olympia-Bob fährt ein Footballer aus München

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Trockenübung für die Fotografen: Benedikt Nikpalj (Zweiter v.re.) im kroatischen Karo. (Foto: Miranda Cikotic/imago/Pixsell)
  • Benedikt Nikpalj ist: Zehnkämpfer, Ruderer, Handballer, Fußballer, Wasserpolospieler, und, seit kurzem, "in erster Linie Footballer".
  • Der Kroate, der in München wohnt, startet nun bei den Olympischen Winterspielen in Südkorea - im Bob, als Anschieder.
  • Warum er das tut? "Ich bin der Beste", sagt er.

Von Christoph Leischwitz, München

Diese wenigen Sekunden im Rampenlicht sind zu wenig, um sich tatsächlich Bobfahrer zu nennen. Benedikt Nikpalj sieht sich auch eher als Sportler. Er ist: Zehnkämpfer, Ruderer, Handballer, Fußballer, Wasserpolospieler, und, seit kurzem, "in erster Linie Footballer". Alles auf so hohem Niveau, dass man sich fragt, warum er bisher so selten im Rampenlicht stand. Nikpalj trieb sich so lange auf so vielen Sportplätzen herum, bis ihn der kroatische Bob-Verband einfach nicht mehr übersehen konnte.

Vorvergangene Woche verließ der 24-Jährige seinen Wohnort München und fuhr zurück in die Heimat. Es steht noch ein offizielles Essen an in Zagreb, in der südkoreanischen Botschaft, dann wird Nikpalj am Donnerstag nach Pyeongchang reisen. Im Training geht es noch um Details, die synchronen Abläufe beim Start zum Beispiel. Dann will er zusehen, dass er mit dem Zweierbob das Finale der besten 20 erreicht und mit dem Viererbob nicht Letzter wird. "Bobfahren bedeutet für mich, mir den Traum Olympia zu erfüllen", sagt Nikpalj. Dabeisein ist alles.

Dass er vergangenes Jahr nach München gezogen ist, ist praktisch für den Mann aus Zadar. Als Bobfahrer trainiert er meistens auf der Bahn am Königssee. Beim Football-Bundesligisten Munich Cowboys trainierte er im Sommer mit und bekam erste Einsatzzeiten. Sein Landsmann Damir Zupan, der um die Jahrtausendwende in München spielte, hatte Nikpalj kennengelernt, als dieser neben dem Footballteam in Split Leichtathletik-Übungen machte.

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"Du bist zu gut für kroatischen Football", sagte Zupan und vermittelte Nikpalj an Frank Schumacher-Eickenroth, den Co-Trainer der Cowboys. In dessen Haus in Baldham wohnt Nikpalj nun. "Der Junge isst ein Kilo Fleisch am Tag", sagt Schumacher-Eickenroth. Ein Scherz - oder nicht? 102 Kilo wiegt Nikpalj bei 1,81 Meter Größe. Nach anderthalb Stunden am Küchentisch wirkt er wie ein Raubtier, das auf Beutezug muss. Bis zu sechs Stunden pro Tag trainiert er. Um sechs aufstehen, um halb elf ins Bett, kein Alkohol.

"Von ihm können sich alle eine Scheibe abschneiden", sagt Cowboys-Präsident Werner Maier. "Er ist ein Rohdiamant - den wir aber natürlich noch schleifen müssen." Die Zahlen sprechen für sich. Angehende Footballspieler müssen ihr Können bei einer so genannten Combine unter Beweis stellen, einem Sichtungstag mit fest vorgegebenen Disziplinen. Bei fast allen erreicht Nikpalj Werte, mit denen er in der Profiliga NFL vorne dabei wäre. 40 Yards läuft er in 4,46 Sekunden, beim Bankdrücken schafft er 27 Mal rund 102 Kilo, mehr als der Beste unter den NFL-Runningbacks im Jahr 2017.

Die Anforderungen an Bobfahrer und Footballspieler, die von ihrer Sprintfähigkeit leben, sind nicht unähnlich. Die bekannteste Doppelbegabung war der US-Amerikaner Herschel Walker, der mehr als ein Jahrzehnt in der NFL spielte und 1992 in Albertville als Anschieber Siebter wurde. Auch bei den Cowboys gab es einen: Ingo Seibert, Junioren-Weltmeister von 1996, war in der Münchner Meistermannschaft von 1993 Runningback.

Der "Rohdiamant" Nikpalj bedauert es, so spät mit Football begonnen zu haben: "Es ist die ultimative Mannschaftssportart", schwärmt er, "total hart, aber man muss eben auch was in der Birne haben." Er soll künftig vor allem als Runningback spielen, auch wenn es ihm noch an Erfahrung fehle, wie Cowboys-Präsident Maier sagt. "Aber es ist immer einfacher, einem guten Athleten etwas Neues beizubringen, als einem, der das Gelernte dann nicht umsetzen kann." Er "schlafe jede Nacht mit dem Ball im Arm", sagt Nikpalj lächelnd.

Football war vor zehn Jahren in Kroatien fast nicht existent, eine eigene Liga gibt es immer noch nicht. "Eigentlich wollte ich mal Priester werden", erzählt Nikpalj. Ein Jahr lang lebte er in einem Klosterinternat in Zagreb. Aber dann sammelte er nationale Titel in Mixed Martial Arts. Die Kampfsport-Karriere hat er aufgegeben, zu nah am Rotlichtmilieu. Gläubig ist er noch heute. Er gehe oft in die Kirche, sagt Nikpalj.

Bei den Cowboys schätzen sie seine Bescheidenheit: Er lasse Taten auf dem Feld sprechen statt herumzubrüllen. An Selbstbewusstsein mangelt es dem ehemaligen Klosterschüler indes nicht: "Ich bin der Beste", antwortet er auf die Frage, warum er nun bei Olympia für Kroatien anschiebt.

Vielleicht waren es Sportler wie Nikpalj, die ursprünglich einmal gemeint waren mit der olympischen Idee von der Jugend der Welt, die sich alle vier Jahre treffen soll, um sich zu messen; mit dem ganzheitlichen Ansatz des gesunden Geistes in einem gesunden Körper (Nikpalj hat einen Uni-Abschluss). Worauf er hofft bei Olympia? Ein paar Teams hinter sich zu lassen. Und nach Möglichkeit nicht umzukippen mit dem Bob.

© SZ vom 26.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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