Olympische Spiele:Das Ende eines Desasters

Der Damen-Doppelvierer holt die zweite und letzte Medaille für den deutschen Ruderverband - das schlechteste Abschneiden bei Olympia seit 1956 wird Konsequenzen haben.

Thomas Becker, Peking

Eine Viertelstunde nach dem Rennen sind sie immer noch völlig außer Atem. "Zehn Meter weiter und wir hätten nicht mal mehr Bronze geholt", schnauft Manuela Lutze. Zwei Mal hat die Magdeburgerin bei Olympia schon Gold gewonnen, doch diesmal musste sie und ihre drei Mitstreiterinnen im Doppel-Vierer froh sein um Platz drei. "Wir haben uns mit letzter Kraft ins Ziel gerettet", sagt die 34-Jährige. Eine halbe Sekunde Vorsprung rettete das deutsche Boot vor den heranfliegenden Ukrainerinnen. Es war die zweite und letzte Medaille für den deutschen Ruderverband - das schlechteste Abschneiden bei Olympia seit 1956.

Olympische Spiele: Das typische Bild dieser Spiele für deutsche Ruderer: Marie-Louise Dräger nach dem vierten Platz im Leichtgewichts-Zweier.

Das typische Bild dieser Spiele für deutsche Ruderer: Marie-Louise Dräger nach dem vierten Platz im Leichtgewichts-Zweier.

(Foto: Foto: AFP)

Auch damals in Melbourne blieben die deutschen Ruderer ohne Goldmedaille. 52 Jahre später holen die Männer keine einzige Medaille, auch beim traditionsreichen Riemen-Rudern geht Deutschland leer aus. Lediglich die weiblichen Skuller gewannen Silber und Bronze. Als der Vierer der Frauen die Medaillen verliehen bekommt und sich zwei Kilometer weiter die Achter auf ihren Start vorbereiten, sagt ein deutscher Reporter: "Jetzt kommt gleich das richtige Rudern. Aber da sind die Deutschen ja nicht dabei." In Athen vor vier Jahren gab es immerhin noch zwei Mal Gold und zwei Mal Silber zu feiern.

Bronze also für den Damen-Vierer in der Besetzung Boron/Lutze/Oppelt/Schiller, mehr als drei Sekunden hinter dem Überraschungssieger China, das die Britinnen mit einem sehr bemerkenswerten Schlussspurt noch von Rang eins verdrängte. "Die Enttäuschung wiegt schon schwer", sagt die fünfmalige Weltmeisterin Manuela Lutze, "wir hatten uns doch so viel vorgenommen." Kathrin Boron zum Beispiel. Als Fahnenträgerin war sie gehandelt worden, nun verfehlte die 38-jährige Potsdamerin zum Ende ihrer Laufbahn ihre fünfte Goldmedaille in Serie bei ihren fünften Spielen seit 1992. "Bei fünf Spielen auf dem Siegersteg zu sein, das ist schon was Besonderes", sagte die achtmalige Weltmeisterin, "das war definitiv mein letztes Rennen. Auch wenn es mir keiner glaubt. Jetzt ist Schluss."

Es war der Finaltag im Shunyi-Park - Zeit für Bilanzen. Sportdirektor Michael Müller räumte ein: "Dieses Ergebnis entspricht nicht dem Anspruch des deutschen Ruderverbandes. Nach solch bitteren Niederlagen besteht natürlich die Chance des völligen Neuanfangs." Schuld am Desaster des deutschen Ruderverbandes sei "zu 80 Prozent die fehlende soziale Absicherung unserer Athleten. Sie müssen zwei bis drei Urlaubssemester einplanen oder zwei, drei Jahre später in den Beruf einsteigen. Das liegt an den Förderstrukturen." Ohne Gold keine Förderung, diese Rechnung gehe eben nicht auf, so Müller.

Zu all dem Ungemach gesellte sich auch noch Pech, Hundertstel-Pech: Dem Leichtgewichts-Doppelzweier Berit Carow/Marie-Louise Dräger (Hamburg/Rostock) fehlten nur vier Hundertstel zu Bronze. "Im Ziel war uns das gar nicht klar", erzählte Carow, "ich hatte noch ein ganz gutes Gefühl. Aber als ich dann das Ergebnis gesehen hab, hätte ich am liebsten die Anzeigetafel ins Wasser geschmissen." Ein Gefühl, das in Peking wohl viele deutsche Ruderkollegen mit ihr teilten.

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