Olympische Spiele:Ausgerechnet jetzt hat NRW eine Olympia-Idee

Lesezeit: 5 Min.

Michael Mronz, der Begründer der Initiative ´Rhein Ruhr City 2032" (l), und Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. (Foto: Federico Gambarini/dpa)
  • Rund um die Vergabe von Olympischen Spielen gibt es neue Korruptions-Verdachtsfälle. Auch die Münchner Bewerbung für 2018 ist betroffen.
  • Trotzdem vertieft das Land Nordrhein-Westfalen seine Pläne für eine erneute Bewerbung. Das Ziel: Die Spiele 2032.
  • In der jüngeren Vergangenheit sprach sich die deutsche Bevölkerung in Referenden mehrheitlich dagegen aus.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, München

In der Staatskanzlei zu Düsseldorf haben sich am Mittwoch die Olympia-Euphoriker versammelt. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet ist dabei, auch der Sportmanager Michael Mronz. Sie wollen einen der ersten von vielen Schritten auf dem Weg zu einer Bewerbung für die Sommerspiele 2032 gehen. Eine Planungsbroschüre präsentieren sie, so soll jetzt schon klar sein, wie das einmal aussehen könnte, Sommerspiele 2032 in Nordrhein-Westfalen zwischen Aachen und Oberhausen. "Nachhaltig" und "bodenständig" müssten die Spiele sein, "so wie unser Land", findet Laschet.

Ausgerechnet jetzt ein deutsches Olympia-Konzept zu vertiefen, hat schon etwas Bizarres. Erstens sind die vergangenen sechs Anläufe alle gescheitert, die beiden letzten am Nein der Bürger bei Referenden, und diese Neins wurden bisher nicht aufgearbeitet. Zweitens gibt es in diesen Tagen eine neue, explosive Nachricht aus der Sumpflandschaft des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die auch Deutschland sehr direkt betrifft.

Olympia
:Mysteriöse Liste mit 27 Namen

Auch die Vergabe der Olympischen Winterspiele an Pyeongchang gerät unter Verdacht.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Vor sieben Jahren kassierte München im Kampf um die Winterspiele 2018 eine 25:63-Abfuhr gegen Pyeongchang. Nun steht nach Recherchen des südkoreanischen Senders SBS der Verdacht im Raum, dass 27 IOC-Mitglieder bei ihrem Votum für Pyeongchang mit Verträgen des Elektro-Riesen Samsung beeinflusst werden sollten. Der Konzern bestreitet krumme Touren, aber der Verdacht fügt sich nahtlos in ein Muster anderer obskurer Vergaben: Rio de Janeiro 2016, Tokio 2020. Die Pariser Sonderstaatsanwaltschaft PNF bemüht sich jetzt um das Material; sie will nach SZ-Informationen insbesondere die angebliche Namensliste anfordern. Müsste das sportliche, vor allem aber das politische Deutschland nicht elektrisiert sein, und neuerliche Bewerbungspläne äußerst skeptisch sehen? Müsste vor einer Kandidatur nicht die massive Verdachtslage aufgeklärt sein, speziell die zu München?

Unter Verdacht ist auch "ein Europäer, bei dem es niemand erwarten würde"

Offenbar spielen diese Fragen keine Rolle. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) sagt, er könne den Fall erst bewerten, wenn die Ermittlungen der Justiz abgeschlossen seien. "Selbstverständlich" sei es dem Verband "ein dringendes Anliegen, dass alle Verdachtsmomente aufgeklärt werden". Aber dass das vor einer neuen Kandidatur erledigt sein muss, fordert er nicht. Die Stadt München und der Freistaat Bayern als damalige Verlierer äußern sich gar nicht. Auch das Innenministerium des Bundes will zu der Frage, ob vor einer neuen Bewerbung nicht jeder Verdacht ausgeräumt sein müsste, keine Position beziehen. Es windet sich: "Darüber hinaus bleibt ganz generell der Abschluss der jeweiligen Verfahren abzuwarten."

Derweil ballen sich bei den Strafermittlern brisante Vorgänge. Rund 100 stimmberechtigte Mitglieder hatte und hat das IOC. Mit Blick auf Pyeongchang stehen angeblich 27 davon im Verdacht, darunter zwölf Afrikaner. Die Pariser Behörde hat im Zuge ihrer Tokio- und Rio-Ermittlungen weit mehr als ein Dutzend IOC-Leute im Visier, aus vier Kontinenten. Darunter "einen Europäer, bei dem es niemand erwarten würde", heißt es in Ermittlerkreisen. Auch wenn es über drei Vergaben hinweg Schnittmengen geben dürfte und manche Verdachtsperson ausgeschieden oder suspendiert sein könnte, liegt nahe, dass ein satter Anteil mutmaßlicher Profiteure weiterhin im IOC sitzt.

Bemerkenswert systematisch und kontinuierlich stellt sich die Verdachtslage dar. Sie beginnt sogar schon 2007, als Sotschi den Zuschlag für die Winterspiele 2014 erhielt. Korruptionsgerüchte gab es von Anfang an, zumal der Rivale Salzburg die klar bessere Bewerbung hatte. Aber Russlands Staatschef Wladimir Putin marschierte mit einem geldklirrenden Gefolge einfach durch. Jahre später fand Brasiliens Staatsanwaltschaft beim verhafteten Top-Olympier Carlos Nuzman neben dessen nationalem auch einen russischen Pass. Sie ermittelt nun, ob IOC-Mitglied Nuzman diesen als Dank für ein Sotschi-Votum erhielt.

Seit Herbst 2009 verdichtet sich der Verdacht. Da hatte sich im Kampf um die Sommerspiele 2016 überraschend Rio de Janeiro durchgesetzt, gegen Madrid, Tokio und Chicago. Kurz vor der Kür flossen vom Konto eines brasilianischen Milliardärs 1,5 Millionen Dollar an die Agentur Pamodzi. Die zählt zum Geflecht von Papa Massata Diack, dem Sohn des langjährigen IOC-Mitglieds und Weltleichtathletik-Bosses Lamine Diack. Der Vater steht unter Hausarrest; der Sohn wird von Interpol gesucht, als mutmaßlicher Strippenzieher vieler Schmutzeleien. Der Verwurf: Er habe mit dem Geld afrikanische IOC-Wähler auf Linie gebracht. Auch Frankie Fredericks, ein früherer Weltklasse-Sprinter, wird verdächtigt. Der im IOC aufstrebende Namibier soll via Diack 300 000 Dollar kassiert haben. Fredericks bestreitet unethisches Verhalten. Seine IOC-Mitgliedschaft wurde ausgesetzt, im Herbst wurde er wegen "passiver Korruption und Geldwäsche" angeklagt.

Zwei Jahre nach der Rio-Kür wurden die Winterspiele 2018 an Pyeongchang vergeben. Wieder in zentraler Rolle: Diack junior. Er soll mit Samsung-Vertretern die 27 Namen umfassende Liste zusammengestellt haben, um jeden Einzelnen für Pyeongchang zu gewinnen. Dass Samsung 2010 als Sponsor der von Diack senior gelenkten IAAF einstieg, sieht nicht wie ein Zufall aus. Der Verdacht, hinter den Kulissen könnte gedreht worden sein, wird von vielen Details genährt. Pyeongchang war im Wahlkampf von den IOC-Ethikern verwarnt worden: Samsung und die Luftlinie Korean Air hatten Sponsorenverträge mit den Weltverbänden der Ruderer und Eisläufer abgeschlossen.

2013, als der IOC-Kongress Tokio als Austragungsort der Sommerspiele 2020 gegen Madrid und Istanbul wählte, trat erneut das Muster der Vorjahre zutage. Rund um die Vergabe flossen insgesamt 1,8 Millionen Euro aus Japan auf das Konto von Black Tidings, einer weiteren Firma um Diack junior. Eine Betreffzeile lautete: "Tokio 2020 Olympic Game Bid", Olympia-Bewerbung 2020 Tokio. Auch rekonstruierten die Ermittler einen verräterischen Mail-Verkehr zwischen den zwei Diacks. "Nach Information deines afrikanischen Kollegen scheint Scheich Ahmad alles zu tun, um die Afrikaner dazu zu bringen, für Madrid zu stimmen!!!! Wir müssen das während der Pause klären", schrieb der Filius besorgt. Vater Lamine blieb cool: "Wir können nach der Sitzung darüber sprechen." Auch Tokio beteuert, wie die Sieger zuvor, alles sei mit rechten Dingen zugegangen.

Nach der Tokio-Kür folgte nur noch eine Wahl. Für den Winter 2022 war nach vielen Absagen aus Westeuropa nur ein Duo übrig geblieben, Peking erhielt im Jahr 2015 mit 44:40 Stimmen den Zuschlag gegenüber Almaty. In Runde eins hatten die IOC-Mitglieder per Tablet abgestimmt, dann verwies die Sitzungsleitung auf technische Probleme: Weiter ging es mit Papier und Stift. Almaty wäre sportfachlich die bessere Wahl, politisch aber diffizil gewesen. Am Ende gewann Peking, alles andere als ein Wintersportklassiker.

Zuletzt im Herbst 2017, bei den Zuschlägen für Paris 2024 und Los Angeles 2028, dürfte für Korruption im klassischen Sinne wenig Platz gewesen sein. Es gab keine echte Abstimmung, die IOC-Spitze hatte eine Doppelvergabe ausgetüftelt und diskret die Reihenfolge festgelegt.

Das IOC um seinen deutschen Chef Thomas Bach suggeriert gerne, im Vergabeprozess seien alle Probleme gelöst. Es feiert sich selbst für "tiefe Reformen" und "stärkere Governance", man habe "die Seite umgeblättert". All das gehört auf den Schirm, wenn sich westliche Länder wieder um Spiele bemühen. Für den Winter 2026 melden sieben Städte Interesse an, von Calgary/Kanada bis Sapporo/Japan. Deutschland ist nicht dabei, aber es gibt nun die Initiative an Rhein und Ruhr für 2032. Auch Berlin überlegt. DOSB-Boss Alfons Hörmann ist schon euphorisch. "Die Vision Olympische Spiele in Deutschland bleibt auf unserer Agenda", sagte er unlängst, "auch gerne mit drei Ausrufezeichen."

Doch falls der Umgang von Sport und Politik mit dem systematischen Korruptionsverdacht so dezent bleibt wie bisher, dürfte das nicht das Vertrauen beim Steuerzahler stärken. Die Bürger hatten sich bei ihren Neins in den Referenden ja weniger gegen Olympia gewendet. Es ging vor allem dagegen, Geschäfte mit dem Ringe-Clan zu machen. Gerade Deutschland hat aus vielen Pleiten gelernt: Im IOC bringt eine gute Bewerbung wenig. Im Gegenteil: Die besten Bewerbungen gewannen fast nie.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: