Süddeutsche Zeitung

Olympische Spiele 2024:Warum Bostons Rückzug schlecht für Hamburg ist

Lesezeit: 2 Min.

Von Carsten Eberts

Almaty oder Peking, nun wird es ernst mit Olympia. Am 31. Juli entscheiden die stimmberechtigten IOC-Mitglieder in Kuala Lumpur, in welchem Land ohne nennenswerte Wintersporttradition und mit wenig ausgeprägtem Demokratiebewusstsein die Olympischen Winterspiele 2022 stattfinden: in Kasachstan oder China.

In diesem Zuge wird natürlich daran erinnert werden, welche anderen Städte sich ursprünglich als Ausrichter positioniert hatten: Oslo, Stockholm, Krakau, Graubünden und auch München. Hier scheiterte der Olympia-Eifer am Vorbehalt der Bevölkerung. Die Bauten zu teuer, die Spiele zu negativ besetzt - das waren die Argumente, die das IOC aus Europa zu hören bekam.

Am Ende musste man sich damit abfinden, dass die übernächsten Winterspiele in einem Land stattfinden werden, das vom Vorwurf der "Schurkenstaatlichkeit" kaum freizusprechen ist. Ein Unfall, der sich nicht wiederholen soll.

Doch die Tage der Ablehnung scheinen nicht vorüber. Längst positionieren sich die Bewerber für das nächste IOC-Großevent: die Sommerspiele 2024. Am Montagabend gab die amerikanische Stadt Boston, die bislang als aussichtsreicher Kandidat gegolten hatte, ihren Rückzug bekannt. Die Gegenargumente kommen einem bekannt vor: alles zu teuer, die Stimmung mies, ein Großevent als Last. "Wir waren nicht dazu in der Lage, die Mehrheit der Bevölkerung für die Bewerbung zu begeistern", sagte Scott Blackmun vom nationalen Bostoner Olympischen Komitee.

Für das IOC ist das ein schlechtes Signal. Denn Boston war nicht irgendein Kandidat. Hier sagt kein kritischer Europäer ab, wo es mittlerweile als chic und Mainstream gilt, sich gegen Olympia zu wenden. Die USA sind das Sommerspiele-Land schlechthin, insbesondere auch, wenn es ums Geld geht. Im vergangenen Jahr hat das IOC den Vertrag mit seinem TV-Partner NBC, einem US-Sender, für annähernd acht Milliarden Dollar bis 2032 verlängert. Dort werden die Manager wenig begeistert sein, dass der Kandidat aus dem eigenen Land zurückzieht.

Kurioserweise sind damit vorerst nur noch Europäer im Rennen. Budapest, Rom, Paris und Hamburg haben ihre Bewerbungen angekündigt, auch wenn zumindest in Hamburg noch das finale Votum der Bevölkerung aussteht. Die Spiele könnten bereits 2024 auf den Olympia-kritischsten Kontinent zurückkehren - ausgerechnet für Hamburg ist dies in letzter Konsequenz aber ein schlechtes Zeichen.

Zwar ließe sich argumentieren, dass nach dem Rückzug Bostons ein starker Konkurrent weniger im Rennen sei. Jedoch werden sich auch in Hamburg die Leute fragen: Wollen wir wirklich die Spiele ausrichten, wenn sogar ein ausgewiesenes Sommersportland wie die USA einen Rückzieher macht? Welches Zeichen senden wir damit?

Der Hansestadt werden für 2024 ohnehin wenige Chancen eingeräumt, da sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) im gleichen Jahr aussichtsreich um die Austragung der Fußball-Europameisterschaft bemüht. Sommerspiele und EM im gleichen Land, das scheint ausgeschlossen. Die Bewerbung für 2024 gilt vielen als Vorlauf, bevor es 2028 richtig ernst wird. Dann soll Hamburg wirklich den Zuschlag erhalten. Landen die Spiele 2024 jedoch bereits in Europa, wird das IOC die Spiele 2028 kaum erneut nach Europa vergeben. Hamburg wäre abermals ohne Chance - es ist eine vertrackte Situation.

So müssen die Hamburger hoffen, dass sich drüben über dem großen Teich noch etwas tut. Die kanadische Stadt Toronto prüft derzeit eine Bewerbung, nach dem Rückzug Bostons sind zudem aus Los Angeles positive Signale zu vernehmen. "Ich glaube nach wie vor daran, dass Los Angeles eine ideale Olympia-Stadt ist", sagte Bürgermeister Eric Garcetti am Montag.

In Hamburg werden sie die Daumen drücken, dass das die Bevölkerung dort genauso sieht.

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