Olympische Sommerspiele 2012:Londoner Lüge

Die Sommerspiele 2012 geraten in den Sog der Finanzkrise - weil sich das IOC immer stark auf die USA konzentriert. Doch die Verantwortlichen üben sich in Zweckoptimismus.

Jens Weinreich

Die weltweite Finanzkrise sei kein fundamentales Problem für Olympische Spiele, sagt IOC-Präsident Jacques Rogge. Dagegen nimmt ein Londoner Buchmacher bereits Wetten an, ob die Sommerspiele 2012 wegen der katastrophalen Wirtschaftslage abgesagt werden müssen. Zwischen diesen Extremen bewegt sich die Diskussion um die Finanzen künftiger Olympischer Spiele.

Olympische Sommerspiele 2012: Machen sich trotz der Finanzkrise keine Sorgen um Olympia 2012: Londons Büregrmeister Johnson (links) und IOC-Chef Rogge.

Machen sich trotz der Finanzkrise keine Sorgen um Olympia 2012: Londons Büregrmeister Johnson (links) und IOC-Chef Rogge.

(Foto: Foto: dpa)

Jacques Rogge erklärte vergangene Woche bei einem Medientermin in Genf, er betrachte die Lage gelassen. Das IOC hat die wichtigsten Fernsehverträge bis zu den Sommerspielen 2012 in London parafiert. Kontrakte mit Sponsoren wurden teilweise bis 2016 verlängert. Allerdings ist der Ringe-Zirkel mächtig unter Druck, um in den nächsten Monaten endlich die TV-Verträge für den Zeitraum 2012 bis 2016 abzuschließen.

Alles konzentriert sich derzeit auf die USA. Zuletzt wurde etwa die Hälfte der olympischen TV-Einnahmen vom Sender NBC generiert. NBC Universal, Tochterfirma des Konzerns General Electric, zahlt für die Winterspiele 2010 in Vancouver 820 Millionen Dollar, für London 1,181 Milliarden. Ob sich das Engagement für Sotschi 2014 und die Spiele 2016 in ähnlichen Dimensionen - oder gar mit der vom IOC erhofften Steigerungsrate von 25 Prozent - bewegt, ist fraglicher denn je.

Besorgte Amerikaner

Der Mutterkonzern General Electric ist ja selbst schwer von der Krise betroffen und verzeichnet den niedrigsten Aktienkurs seit knapp elf Jahren. Er gehört allerdings - gemessen an der Marktkapitalisierung - noch immer zu den größten Firmen der Welt und hat durch den Einstieg des Investment-Gurus Warren Buffet für positive Nachrichten gesorgt. Im Gesamtkonzern zählt die Tochter NBC zu den Geldverdienern. IOC-Verhandlungsführer Richard Carrion, Rogge-Vertrauter und Banker aus Puerto Rico, sagte dem Insiderdienst Around the Rings, er mache sich keine großen Sorgen über sinkende TV-Einnahmen. Die Marke Olympia behalte ihren Wert.

Das amerikanische Olympiakomitee USOC ist besorgter. Die Wirtschafts- und Finanzkrise war eines der Hauptthemen einer eilends einberufenen Telefonkonferenz des USOC-Vorstands Ende der Vorwoche. Der Vorstand bestimmte den Wirtschaftsmanager Larry Probst zum neuen Präsidenten. Probst war bis 2007 Chef des Videospiele-Produzenten Electronic Arts, von ihm erhofft man sich neue Impulse.

Der bisherige USOC-Chef Peter Ueberroth soll sich auf Chicagos Bewerbung für die Sommerspiele 2016 konzentrieren. Auch hier geht es nur ums Geld: Denn Ueberroth verhandelt derzeit mit dem IOC sowie den Weltvereinigungen aller NOK und olympischen Sportverbände um die Neuaufteilung der Finanzen. Das USOC kassiert derzeit etwa die Hälfte seines 600-Millionen-Etats aus den IOC-Marketingeinnahmen. Das will der Weltsport nun ändern, und das USOC gewaltig schröpfen.

Londoner Lüge

In ganz anderen Dimensionen rechnet Wilfrid Spronk, Chef der Münchner Bewerbergesellschaft für die Winterspiele 2018. Die Münchner haben vor Monaten versprochen, im Herbst erste Sponsoren für die Bewerbungsphase bis 2011 zu präsentieren. Insgesamt geht es um ein Bewerberbudget von rund 30 Millionen Euro, das angeblich komplett aus der Wirtschaft getragen werden soll.

Spronk sagt: "Die Suche nach Sponsoren ist generell kein Zuckerschlecken. Wegen der Finanzkrise hat uns allerdings noch niemand eine Absage erteilt." Verträge mit "drei bis vier Partnern" seien unterschriftsreif und könnten in Kürze präsentiert werden, "wir sind voll im Zeitplan und im Businessplan". Derzeit sei etwa "ein gutes Drittel" des Etats abgesichert, zum Ende des Jahres soll es die Hälfte sein. Bis dahin dürften die Münchner einen Kontrahenten weniger haben: Nachdem die Etatberechnung der norwegischen Stadt Tromsö weit nach oben korrigiert werden mussten, gilt die Zustimmung der Osloer Regierung für diese Bewerbung als unwahrscheinlich.

Im Winterbereich scheinen die Spiele 2010 in Vancouver auf der sicheren Seite zu sein. Dort sind viele Sportstätten bereits gebaut oder in der Endphase. Für Sotschi 2014, wo noch immer kein Masterplan vorgelegt wurde, werden mit einiger Verzögerung gerade die ersten Bauvorhaben ausgeschrieben. Schlagzeilen macht der reichste Russe, der Oligarch Oleg Deripaska, der in Sotschi unter anderem mit dem Baukonzern Strabag Milliarden machen will.

Selbst der Milliardär hat's schwer

Deripaska musste vergangene Woche seine Anteile am Autozulieferer Magna abstoßen, um seine Kredite bedienen zu können. Sein von Forbes auf 28 Milliarden Dollar geschätztes Vermögen, ist beträchtlich geschrumpft. Dagegen wachsen die Hochrechnungen der Olympiaorganisatoren. Angeblich sollte das Budget mal 8,6 Milliarden betragen. Inzwischen ist von der dreifachen Summe die Rede.

Für London 2012 war in der Bewerbungsphase ein Etat von lumpigen drei Milliarden Euro angesetzt. Diese Kalkulation darf als gigantische Lüge bezeichnet werden. Inzwischen kosten die Spiele zwölf Milliarden. Für die Infrastruktur kommt nahezu komplett der britische Steuerzahler auf. Akute Probleme gibt es bei der Finanzierung des Olympiadorfes, an dem seit Juni gewerkelt wird. Der Bau des Dorfes war in einer Public Private Partnership vorgesehen und mit 1,3 Milliarden Euro veranschlagt. Doch kann der Bauträger, der australische Konzern Lend Lease, der schon für die Spiele 2000 das Dorf in Sydney errichtet, seinen Anteil an der Finanzierung nicht aufbringen. Auch hier springt nun der Steuerzahler ein.

IOC-Chef Rogge kommentiert die Vorgänge in London mit der üblichen Parole: Olympia sei eine städtebauliche Investition für ein halbes Jahrhundert. Das Geld sei gut angelegt.

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