Olympische Sommerspiele in London:Dabei sein ist fantastisch

Lesezeit: 7 min

Die Sicherheit ist ein Problem, die Kosten sind aus dem Ruder gelaufen, der Kommerz ist bizarr - und manche Heldengeschichte ist in Wahrheit eine Geschichte des Betrugs. Trotzdem besteht die Chance, dass die Spiele in London an Würde zurückgewinnen. Denn dort weiß man ziemlich gut, wie man lässig eine Party feiert.

Christian Zaschke, London

Das war dann doch erstaunlich, als Jacques Rogge, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees und gemeinhin als sanfter Mann bekannt, am Montag im Interview mit der BBC sagte: "Hört mal, Briten, Ihr habt doch nicht alle Latten am Zaun!" Und Rogge setzte nach: "Da hättet ihr auch gleich ein Einladungsschreiben an den internationalen Terrorismus verfassen können: ,Liebe Terroristen, wir sind zu blöd, hier während der Spiele für Sicherheit zu sorgen. Kommt doch und sprengt was in die Luft'."

Olympics - Previews - Day - 1

Es geht los: Die XXX. Olympischen Sommerspiele in London beginnen.

(Foto: Getty Images)

Zugegeben, Rogge formulierte es diplomatischer. Er sagte, gewohnt sanft: "Ich bin überzeugt davon, dass es keine Probleme mit der Sicherheit geben wird. Ich bin sehr glücklich über den Stand der Vorbereitungen. Und nun sollten wir uns anderen Themen zuwenden."

Die Sicherheit ist vor diesen Spielen das große olympische Thema. Das hat mehrere Gründe. Niemand in London hat vergessen, dass sich einen Tag, nachdem die Stadt 2005 den Zuschlag für die Spiele erhalten hatte, vier Rucksackbomber in drei Zügen und einem Bus in die Luft sprengten. 56 Menschen starben, 700 wurden verletzt. Der Anschlag wirkte wie ein Fingerzeig: Diese Spiele, so schien er zu sagen, werden unter einem bösen Stern stehen.

Die Ausgaben für Sicherheit belaufen sich deshalb auf mindestens 1,3 Milliarden Euro. Der ursprüngliche Plan war, dass 13 000 Soldaten im Einsatz sind, 9500 Polizisten Streife gehen und zudem 10 000 Mitarbeiter der privaten Sicherheitsfirma G4S den Olympischen Park kontrollieren. Doch ist G4S vor knapp zwei Wochen aufgefallen, dass erst 3000 Sicherheitsleute ausgebildet waren. Die Armee stellt also weitere 3500 Soldaten ab, 1500 stehen als Reserve bereit, falls G4S das nächste Versprechen bricht: Knapp 7000 Sicherheitsleute will das Unternehmen bis zum Beginn der Spiele an diesem Freitag bereitstellen.

Allerdings, räumte die Firma ein, könne man nicht garantieren, dass die Mitarbeiter alle Englisch sprechen. Zudem ist zu fragen: Wie gut werden die eilig unterwiesenen Männer und Frauen ausgebildet sein?

Es braucht nicht allzu viel Zynismus, um sich vorzustellen, wie Terroristen die englischen Zeitungen der vergangenen zwei Wochen studieren und denken: "Die Briten haben nicht alle Latten am Zaun. Da hätten sie uns auch gleich ein Einladungsschreiben schicken können." Kürzlich wurde bekannt, dass einige Terrorverdächtige durch die Grenzkontrollen am Flughafen Heathrow geschlüpft sind. Wie das passieren konnte? Erst hat Innenministerin Theresa May viele Grenzbeamte entlassen, weil die konservative Regierung sparen will. Als sich dann zunehmend länger werdende Schlangen in Heathrow bildeten, wurden schnell neue Kräfte eingestellt, denen es an Erfahrung mangelte.

Natürlich hoffen auch die größten Zyniker nicht darauf, dass es in London einen Anschlag gibt. Und wenn am Ende alles gut geht, dann könnten diese Spiele sogar eine Chance sein für den olympischen Sport. Es könnten, mit ein wenig Glück, wieder Spiele mit einem besonderen Geist werden, Spiele, die vielleicht sogar von dem Gedanken bestimmt werden: Dabei sein ist zwar nicht alles, aber Dabei sein ist doch ziemlich fantastisch. Das liegt zum einen daran, dass London eine genuin sportbegeisterte Stadt ist, und es liegt zum anderen daran, dass nach den letzten beiden Sommerspielen die Latte nicht besonders hoch liegt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema