Olympische Sommerspiele 2016:Games over in Rio

RIO

Links: Das Schwimmstadion im Februar 2017. Rechts: Das gleiche Stadion im August 2016.

(Foto: Reuters/DDP Images)

Ein halbes Jahr nach den olympischen Spielen verwahrlosen die Arenen in Rio de Janeiro. Sie zeigen den wahren Geist der Spiele.

Von Holger Gertz und Boris Hermann

Rio, ein halbes Jahr nach den Olympischen Sommerspielen 2016: Sportarenen, die verrotten. Ein Einschwimmbecken mit rostrotem Brackwasser und womöglich kleinen Tieren drin. Das Schwimmstadion, dessen Verkleidung in Fetzen hängt. Der Golfplatz, wie die furchige Oberfläche eines bisher unbekannten Planeten. Und dann das Maracanã, in dem bei Olympia die Eröffnungs- und Schluss-Zeremonien stattfanden und das Fußballfinale. Sitzschalen, von Vandalen aus der Verankerung gerissen und von Ordnungskräften in den Katakomben auf einen Haufen geworfen. Fernsehhalterungen ohne Fernseher. Wegweiser im Schutt. Der Rasen: wie ein abgeschabter Teppich.

Diese Fotos schockierten in dieser Woche alle, die noch die Bilder von den Wettbewerben im August im Kopf hatten. Jene Bilder, mit denen das Internationale Olympische Komitee (IOC) handelt und für die die Fernsehanstalten Unsummen bezahlen. Das IOC schmückt sich mit der Schönheit und dem Mut der jungen Sportler, sie hüllen sich in die Aura so eines Stadions wie in einen kostbaren Mantel. Die Herren und Bosse im IOC reden immer viel von Nachhaltigkeit. Aber was tatsächlich zählt, ist nur der Moment.

Und wenn ein paar Monate nach der Schlussfeier im Stadion der Strom abgedreht wird, weil nicht klar ist, wer die Rechnungen zahlen muss? Wenn die überforderte Polizei nicht mehr wachsam genug ist, um im Stadion die Plünderer abzuhalten? Wenn sich keiner mehr dafür verantwortlich fühlt, dass der Rasen gewässert wird - was schert es die Herren und Bosse vom IOC? Es ist ein Geschacher um Verantwortlichkeit, ein würdeloser Umgang mit einem Denkmal. Und das IOC muss sich fragen lassen, warum eine so mächtige Institution, die so viel fordert von Gastgeberstädten und immer satte Bilanzen präsentiert nach den Spielen, diese Bilder und diesen Niedergang zulässt.

Hier geht es um Bauten, um Steine, Beton und Stahl. Um Arenen und Prestigeklötze, die teuer sind, aber nicht gebraucht werden. Man nennt sie weiße Elefanten. Die Legende dahinter: Der König von Siam hat weiße Elefanten an seine Feinde verschenkt, zum Beispiel an Angehörige des niederen Adels. Weiße Elefanten waren heilig, man musste sie pflegen, bestes Futter, Massagen, Pediküre. Man konnte aber nichts mit ihnen erwirtschaften, weil sie nicht arbeiten durften. Wer einen weißen Elefanten bekam, hatte laufende Kosten, bekam nichts zurück, war dem Bankrott geweiht. So ein weißer Elefant war ein vergiftetes Geschenk. Olympische Spiele und Fußballweltmeisterschaften haben so viele weiße Elefanten hervorgebracht, dass eine stattliche Herde zusammenkäme. Kein Wunder, dass sich die Menschen immer häufiger dagegen entscheiden, ihre Heimat als Olympia-Kulisse missbrauchen zu lassen - zuletzt vergangenes Wochenende im Schweizer Kanton Graubünden, wo sich mehr als 60 Prozent der Wähler gegen einen Kredit aussprachen, der für eine Bewerbung um die Winterspiele 2026 nötig gewesen wäre.

Holger Gertz erzählt im Buch Zwei die Geschichte vom heutigen olympischen Geist und anderen Unsportlichkeiten; dazu schildert Boris Herrmann, Korrespondent in Rio, seine jüngsten Eindrücke von den Ruinen in seiner Wahlheimat.

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