Olympische Schwimmwettbewerbe:Biedermann kämpft sich ins Halbfinale

Es ist noch nicht gut - aber es reicht zumindest für die besten 16: Paul Biedermann ist über seine Lieblingsstrecke ins Halbfinale über 200 Meter Freistil eingezogen. Bevor das deutsche Team am Mittag mit guten Zeiten und einem deutschen Rekord überzeugt, kritisiert der ehemalige Bundestrainer die DSV-Coaches scharf.

Paul Biedermann ist Weltrekordler über 200 Meter Freistil - im olympischen Vorlauf hat er jedoch noch nicht zeigen können, dass diese Strecke seine liebste ist. Einen Tag nach seinem Vorlauf-K.o. über 400 Meter schwamm Biedermann in 1:47,27 Minuten zwar ins Halbfinale am Abend.

London 2012 - Schwimmen

Freistil-Schwimmer Biedermann: Keine Taktik, keine Erklärung

(Foto: dpa)

Doch die nur zehntbeste Zeit der Vorläufe gibt wenig Hoffnung auf die erhoffte Medaille - sogar die Finalteilnahme ist höchst zweifelhaft. Zumal Biedermann auch nach seinem zweiten Rennen nicht den Eindruck machte, zu wissen, wo die fehlende Zeit noch zu holen wäre bis zum Halbfinale am Abend.

"Es lief schon deutlich besser als gestern", sagte Biedermann. Besser heißt in diesem Fall jedoch nicht gut. "Ich weiß jetzt nicht, was los ist." Er habe hier keine Taktik, so der 25-Jährige, "ich muss jeden Meter voll schwimmen, um in die nächste Runde zu kommen."

Auch Brustschwimmerin Sarah Poewe schwamm ihren Vorlauf voll von der ersten Sekunde. Im Gegensatz zu Biedermann zeigte sich das auch am Ende in der Zeit. Über 100 Meter verpasste Poewe, die bei ihren vierten Spielen antritt, nur um elf Hundertstelsekunden ihren deutschen Rekord. Die Europameisterin belegte am Sonntag in 1:07,12 Minuten den insgesamt siebten Platz aller Vorläufe.

Ebenfalls Hoffnung macht der Auftritt der beiden deutschen Rückenschwimmer Helge Meeuw und Jan-Philip Glania. Beide stehen im olympischen Halbfinale über 100 Meter. Meeuw, erfahren wie Poewe, legte im Aquatics Centre von London in 53,83 Sekunden die siebtbeste Zeit aller Vorläufe hin. Newcomer Glania schlug in 54,07 als insgesamt Zwölfter an.

Deutscher Rekord für Freistilstaffel

Für einen kleinen Höhepunkt sorgten die deutschen Freistilschwimmer, die über 4 x 100 Meter mit deutschem Rekord das Finale erreichten. Benjamin Starke, Markus Deibler, Christoph Fildebrandt und Marco Di Carli schwammen im Vorlauf in 3:13,51 Minuten die insgesamt fünftbeste Zeit. Am schnellsten waren die Topfavoriten aus Australien in 3:12,29 Minuten unterwegs. Der bisherige deutsche Rekord stand seit der WM 2011 in Shanghai bei 3:14,23 Minuten.

Caroline Ruhnau schied dagegen in 1:08,43 als 22. aus und verlängerte damit die Liste der Enttäuschungen im olympischen Schwimmbecken. Klar verfehlt wurde das Finale auch von Jenny Mensing über 100 Meter Rücken, die im Vorlauf nur den 21. Platz belegte und dabei deutlich langsamer war als bei ihrem EM-Titel.

Deutliche Kritik vom Ex-Bundestrainer

Das Auftakt-Debakel der deutschen Schwimmer vor allem am Samstag hat den ehemalige Bundestrainer Dirk Lange zu harscher Kritik an den Verantwortlichen veranlasst. "Es hat eine völlig falsche Einschätzung der Leistungsstärke gegeben", sagte der Hamburger, der als Teil der südafrikanischen Mannschaft in London ist, dem sid: "Das hat sich schon bei der EM abgezeichnet, aber da war Friede, Freude, Eierkuchen. Man hat nicht die richtigen Rückschlüsse gezogen."

Zum Auftakt waren die ersten Medaillenhoffnungen früh geplatzt, weil Biedermann über 400 Meter Freistil und Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen mit der 4x100-Meter-Freistilstaffel bereits im Vorlauf ausgeschieden waren. Bei der EM vor zwei Monaten in Debrecen hatten die deutschen Schwimmer noch acht Goldmedaillen gewonnen, die wichtigste Konkurrenz war jedoch nicht an den Start gegangen.

Vor allem ärgerten Lange die Erklärungen der Trainer, die Kräfte schonen wollten. "Es geht um Steuergelder, um das Bild in der Öffentlichkeit. Das ist einer der größten Verbände. Da kann nicht einfach so nonchalant darüber hinweg gehen, dass zwei festeingeplante Medaillen weg sind", sagte Lange, der Ende 2011 im Streit vom Deutschen Schwimm-Verband (DSV) geschieden war.

Ins Visier nahm er vor allem Biedermanns Heimtrainer Frank Embacher. "Paul ist einer der besten Schwimmer der Welt, aber er muss in die beste Verfassung gebracht werden. Dafür ist der Trainer da", sagte er, Embachers Strategie sei "völlig neben dem, was alle anderen machen," gewesen: "Wer dann überrascht ist, dass bei Olympia schnell geschwommen wird, war noch nicht oft da."

Auch die Vorgabe, Steffen solle in der Staffel nur 90 bis 95 Prozent schwimmen, konnte Lange nicht nachvollziehen: "Deutschland kann bei der Fußball-EM taktieren, aber nicht im Schwimmen bei Olympia." Unverständnis äußerte er darüber, dass einige Trainer die Eröffnungsfeier besucht hatten: "Ein Wolf ist nur so stark wie sein Rudel. Aber dann muss das Rudel auch zusammenbleiben. Ich muss ein Vorbild in jeder Hinsicht sein."

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