Aus von Peter Bosz in Lyon:Das Ende einer immerzu holprigen Liaison

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Peter Bosz und Jérôme Boateng: Zwei, die nicht zueinander fanden in Lyon. (Foto: Frederic Chambert /Imago)

Der frühere Bundesliga-Trainer Peter Bosz wird bei Olympique Lyon entlassen. Ihm werden Versäumnisse angekreidet, unter anderem beim Umgang mit Jérôme Boateng - nun übernimmt ein Ex-Nationaltrainer.

Von Stefan Galler

Drei der vier Verteidiger von Olympique Lyon stolperten durch den Strafraum und übereinander, ganz außen hatte sich Toulouse-Stürmer Rafael Ratao davongeschlichen und konnte unbedrängt zum 1:1-Endstand einschießen. Jene groteske Szene am vergangenen Freitag besiegelte das Aus von Trainer Peter Bosz bei "OL" - nach einer Serie von vier Niederlagen und nun diesem ungenügenden Remis gegen einen Aufsteiger.

Das lächerliche Herumfallen der Spieler in dieser Szene passte zu der unglücklichen, immerzu holprigen Liaison zwischen dem niederländischen Fußballlehrer Bosz, der stets ein wenig melancholisch wirkt, und Lyon, dem Verein aus dem Département Rhône, der sich eigentlich als legitimer Hauptrivale von Paris Saint-Germain sieht, aber seit Jahren an den eigenen Ansprüchen abprallt. "Nach dem Toulouse-Spiel waren wir uns sicher, dass wir die gesetzten Ziele nicht erreichen", sagte OL-Präsident Jean-Michel Aulas am Montag. Man habe Entscheidungen treffen müssen, "die unseren Ambitionen entsprechen".

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Es hat letztlich nicht gepasst, auch deshalb, weil Bosz die Spieler im Training offenbar nicht genug rannahm. Der Vorwurf, die Einheiten seien schon in der Vorbereitung zu lasch gewesen, weshalb es dem Team an Wettkampfhärte fehle, steht unverrückbar im Raum. Bosz, 58, in der Bundesliga zuvor bei Dortmund und Leverkusen am Steuer, gelang es in Lyon auch nicht, dem im Sommer aufgemotzten Kader ausreichend Kreativität einzuhauchen. Der Weggang von Lucas Paquetá (West Ham) konnte trotz spektakulärer Zugänge wie Alexandre Lacazette (Arsenal), Corentin Tolisso (FC Bayern) oder Nicolas Tagliafico (Ajax) nicht kompensiert werden.

Eine der rätselhaften Personalentscheidungen: Jérôme Boateng spielte keine Rolle mehr.

Zudem traf Bosz Personalentscheidungen, die bei Beobachtern der Ligue 1 Ratlosigkeit erzeugten - etwa die Umfunktionierung von Mittelfeldspieler Thiago Mendes zum Innenverteidiger. Der Brasilianer leistete sich seit Februar bereits sieben schwere Schnitzer, die zu Gegentoren führten; auch am Ausgleich von Toulouse war er nun maßgeblich beteiligt. Dabei gäbe es hinten Alternativen, allen voran Jérôme Boateng, 34, der jedoch in dieser Saison noch keine Minute gespielt hat, anfangs wegen anhaltender muskulärer Probleme.

Doch mittlerweile hat sich der deutsche Weltmeister von 2014 längst gesund gemeldet, er sei "in bester physischer Verfassung", teilte Boateng zuletzt mit. Gleiches gilt für Houssem Aouar, 24, der als einer der kreativsten Mittelfeldspieler der Liga gilt, aber seit einem im Sommer geplatzten Wechsel zu Nottingham Forest in den Planungen von Bosz keine Rolle mehr spielte. Auch er hofft unter dem neuen Trainer auf ein Comeback.

Dieser neue Coach wurde zuletzt oft als erster Anwärter gehandelt, wenn bei einem großen europäischen Klub ein Trainerwechsel anstand: Laurent Blanc, 56, stand auch bei Lyon schon häufiger auf dem Zettel, doch der Klubpatron Aulas entschied sich 2019 gegen Blanc und für Rudi Garcia (der 2021 Bosz Platz machte). Diesmal fiel die Wahl schnell auf den früheren Nationalspieler und Coach der französischen Nationalelf (2010 bis 2012), der als Klubtrainer mit Bordeaux (2009) und Paris Saint-Germain (2014 bis 2016) bereits vier Meisterschaften errungen hat und seit seinem Rauswurf beim katarischen Klub Al-Rayyan im Februar arbeitslos war.

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Schwache Ergebnisse in der Meisterschaft und der asiatischen Champions League hatten dort dazu geführt, dass Blanc erstmals in seiner Karriere während einer Saison gefeuert wurde. Aulas sagte am Montag, er sei "sehr glücklich, Laurent willkommen zu heißen". Jener gab artig zurück, seinerseits "glücklich zu sein, auch wenn die Situation kompliziert ist."

Der Druck auf "Le Président", wie der Südfranzose Blanc seit seiner Zeit als aktiver Spieler genannt wird, dürfte von Beginn an hoch sein: Nachdem Vorgänger Bosz mit den Lyonnais schon in der Vorsaison das internationale Geschäft verpasste, muss es diesmal wieder klappen. Diese Forderung dürfte der US-Investor John Textor, der in den nächsten Tagen die Anteilsmehrheit übernehmen wird, dem neuen Mann auf der Kommandobrücke unmissverständlich mitgeben. Laut der Zeitung L'Équipe wurde Textors Einverständnis zum Trainerwechsel eingeholt, weil die Abfindung für Bosz hinzukommt auf ohnehin beträchtliche Verbindlichkeiten des Klubs, die der Milliardär aus Missouri übernimmt. Blanc soll dennoch ein ordentliches Startkapital erhalten, um den Kader im Winter nach seinen Vorstellungen anzupassen.

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