Olympiasieger Brink und Reckermann:"Wir wollten feiern, aber wir durften nicht"

Es ist der größte Triumph ihrer Karriere - trotzdem werden die Beachvolleyball-Olympiasieger von der Londoner Sperrstunde gestoppt. Nach dem Gewinn ihrer Goldmedaille sprechen Julius Brink und Jonas Reckermann über den Druck im Finale, vergebene Matchbälle - und wie es sich anfühlt, wie ein Ehepaar durch die Welt zu reisen.

Frage: Herr Brink, Herr Reckermann, haben Sie Ihren Olympiasieg denn anständig gefeiert?

Jonas Reckermann: Wir wollten feiern, aber wir durften nicht wegen der Sperrstunde. Wir waren in einem Klub, aber der hat um drei Uhr zugemacht. Das war dann echt traurig, weil wir so viele Leute waren. Der eine Klub, der dann noch offen hatte, der wollte uns nicht reinlassen. Dann sind wir nach Hause gelaufen.

Frage: Ihr Finale gegen das brasilianische Duo Emanuel Rego und Alison Cerutti war dramatisch. Es ging in den dritten Satz, dort in die Verlängerung, weil Sie drei Matchbälle nicht hatten nutzen können. Sie wirkten recht cool.

Reckermann: Das sah nur so aus. In Wirklichkeit waren wir sehr nervös - aber das sollte man sich nicht anmerken lassen.

Julius Brink: Das Schöne an unserer Sportart ist, dass es immer nur um den nächsten Punkt geht. Man kann also nicht das Match gewinnen oder verlieren, sondern immer nur diesen einen Ballwechsel.

Reckermann: Wir hatten gegen die Brasilianer schon einmal die Situation, beim Grand Slam in Moskau, dass wir gegen die Brasilianer 14:11 im dritten Satz geführt und das Spiel noch verloren haben.

Frage: Haben Sie an diese Partie gedacht?

Brink: Nein, das wurde uns erst hinterher bewusst, dass wir das schon einmal hatten - und dass wir eben ein Mal verloren und ein Mal gewonnen haben.

Frage: Sie haben den zweiten Satz recht deutlich verloren. Haben Sie gefürchtet, dass die Partie kippen könnte?

Brink: Die Gefahr war schon da. Wir haben gegen die Brasilianer schon ein paar Mal gespielt - wir haben dabei häufig den ersten Satz gewonnen und am Ende doch noch verloren. Wir haben zwei Jahre lang nicht gegen sie gewinnen können.

Reckermann: Irgendwann war der zweite Satz weg, das passiert gegen so ein Team. Sie haben fantastisch gespielt, wir waren nicht mehr so sicher. Wir haben dann am Ende des zweiten Satzes noch aufgeholt, deshalb sind wir mit einem relativ guten Gefühl in den dritten Satz gegangen.

Frage: Dann kam der dritte Satz, es stand nach drei Matchbällen für Sie plötzlich 14:14. Was ist dann passiert.

Brink: Für mich war's dann einfach, weil die Brasilianer so blöd waren, wieder auf Jonas aufzuschlagen. Der hat das dann sensationell gemacht. Der Ball war gleich auf dem Boden - und als Rego den Ball danach noch ins Aus geschlagen hat, brachen erst einmal alle Dämme. Es war schon eine nervenaufreibende Partie. Im Nachhinein war es für die Zuschauer so natürlich spannender und dramatischer.

"Wir sind unterschiedliche Charaktere"

Frage: Sehen Sie sich nun mit den Brasilianern auf Augenhöhe?

Olympics Day 13 - Beach Volleyball

"Das Schöne an unserer Sportart ist, dass es immer nur um den nächsten Punkt geht": Julius Brink (rechts) und Jonas Reckermann.

(Foto: Getty Images)

Brink: Keinesfalls, das ist eine Momentaufnahme. Emanuel Rego und Alison Cerutti sind immer noch das beste Duo der Welt. Wir haben jetzt mal eine Medaile gewonnen, die haben einen ganzen Medaillensatz. Wir haben sie nun einmal besiegen können - aber wir haben schon vorher gesagt, dass wir jedes Team der Welt schlagen können.

Frage: Sie haben vor den Olympischen Spielen auch gesagt, dass eine Medaille möglich wäre. Gab es einen Moment im Turnier, als Sie merkten, dass es tatsächlich funktionieren könnte?

Reckermann: Normalerweise dauern Turniere nur vier Tage, da bleibt einem nicht viel Zeit nachzusehen: Wo stehen wir? Was haben wir schon erreicht? Hier ist das schon möglich gewesen. Der Moment war nach dem Brasilien-Spiel, als wir ins Halbfinale eingezogen sind. Da haben wir realisiert, dass wir eine Medaille holen können. Wir wussten, dass wir noch ein Spiel gewinnen mussten, um wenigstens was umhängen zu haben.

Brink: Ich hatte eine nette Situation mit unserem Teampsychologen. Der sagte mir: 'Julius, glaubst du nicht, dass das hier alles für uns spricht?' Das habe ich dann auch geglaubt. Irgendwas in London hat uns zugespielt, das die Dinge einfacher gemacht hat. Es war wie so eine Welle. Das war für mich so ein Schlüsselmoment, ab dem man sich treiben lassen kann und alles mitnimmt.

Frage: Es waren viele Deutsche unter den Besuchern, die Sie angefeuert haben ...

Reckermann: Das waren schöne Momente. Normalerweise sind wir ja immer das kleinste Team der Welt, wenn wir unterwegs sind und Turniere spielen. Wir können uns dann meistens nur für uns selbst freuen. Das war dann schon eine große Nummer, wenn man dann in die vielen begeisterten Gesichter sieht.

Frage: Sie spielen seit vier Jahren zusammen, wurden 2009 gleich Weltmeister, nun Olympiasieger. Können Sie die Zusammenarbeit beschreiben?

Reckermann: Wir sind unterschiedliche Charaktere, was manchmal gar nicht so schlecht ist. Wir haben aber das gleiche Ziel und eine ähnliche Vorstellung davon, wie man dieses Ziel erreichen kann. Grundsätzlich sind wir schon ein bisschen wie ein Ehepaar - aber wie in einer Ehe ist es auch mal wichtig, Abstand voneinander zu haben.

Frage: Dürfen Sie denn heute feiern?

Brink: Heute feiern wir den ganzen Tag - und am Abend gehen wir zu den Basketballern. Wir haben Karten für das Dream Team, darauf freuen wir uns schon.

Das Gespräch entstand nach dem olympischen Finale an der Horse Guards Parade in London. Aufgezeichnet von Jürgen Schmieder.

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