Olympiabewerbung 2024:Das bisschen Fußball bei der EM

Jahreschronik Berlin 2014

Erst Fußball-EM, dann Olympia - wäre das möglich? Das Stadion in Berlin

(Foto: dpa)

Eine Fußball-WM im gleichen Jahr wie Olympia wäre unmöglich, eine EM dagegen machbar: Der Deutsche Olympische Sportbund versucht die Chancen seiner Bewerbung um die Sommerspiele großzureden. Die Argumente sind abenteuerlich.

Von Johannes Aumüller, Dresden

Es ist ein Tag der überdeutlichen Mehrheiten, als der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in Dresden zu seiner Mitgliederversammlung zusammenkommt. Bei der Satzungsreform gibt es exakt eine Gegenstimme, bei der Wiederwahl von Präsident Alfons Hörmann gar keine, und in Sachen Olympia-Bewerbung übersteigt die Zustimmungsrate gar die 100-Prozent-Marke. Nicht nur alle Delegierten sind dafür, auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gibt sich als Anhänger dieses Schrittes: "Die Bundesregierung unterstützt das Vorhaben mit voller Kraft."

Der deutsche Sport will nun also hochoffiziell die Spiele 2024; ob mit Berlin oder Hamburg, das entscheidet er erst im März. Das ist die eine Botschaft von Dresden. Die andere Botschaft ist: Die Orchestrierung des Themas ist irritierender denn je.

Vesper überrascht mit einer exklusiven Fassung des Regelwerkes

Das betrifft in erster Linie die sportpolitischen Eckdaten. Denn die Chancen sind nahe null. Das liegt etwa an der erwarteten Kandidatur der USA, die nicht noch einmal brüskiert werden dürften und zuletzt in Form des Fernsehsenders NBC einen Vertrag über fast acht Milliarden Dollar mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) geschlossen haben. Zum anderen hat schon im vergangenen Jahr der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seine Kandidatur für die EM 2024 eingereicht, die Kür gilt als abgemacht. Dass die beiden bedeutendsten Sportveranstaltungen eines Jahres binnen weniger Wochen in einem Land stattfinden, ist im globalen Zirkel der Sportfunktionäre nicht vorstellbar - und gemäß der bisherigen Interpretation der Olympischen Charta gar nicht möglich.

In Paragraf 34 heißt es, Ausrichtung und Ablauf der Spiele dürften in keiner Weise von einer anderen Veranstaltung beeinträchtigt werden, die in der Gastgeberstadt oder in ihrer Umgebung stattfindet. Vor zwei Jahren gab es einen Präzedenzfall, als die Türkei die EM 2020 wie auch die Sommerspiele 2020 anpeilte. Der damalige IOC-Präsident Jacques Rogge forderte die Türkei zu einer Entscheidung auf, und tatsächlich waren die EM-Pläne bald passé.

Doch Deutschlands Sportpolitiker haben sich nun mal entschlossen, die Nation in diese Olympia-Bewerbung für 2024 zu treiben, egal wie aussichtslos sie ist. Das hilft ihrem früheren Anführer, dem IOC-Chef Thomas Bach, der ob der Imageprobleme seiner Organisation dringend auf Olympia-Diskussionen in demokratischen Ländern angewiesen ist. Und das hilft ihnen selbst, weil sie sich von einer Olympia-Bewerbung neue Impulse und finanzielle Möglichkeiten bei der notwendigen Strukturreform im Leistungssport erhoffen. Und so erzählen sie, sekundiert von Bach, schon eine Weile, dass die Dopplung kein Problem sei. Bei der Pressekonferenz in Dresden kamen aber ein paar verblüffende Argumente hinzu.

EM - nur ein "kontinentales Ereignis"

Vorstandschef Michael Vesper überraschte mit einer exklusiven Fassung des IOC-Regelwerkes. "Die Regel 34 besagt, dass von einer Woche vorher bis eine Woche nach den Spielen kein vergleichbares internationales Ereignis stattfinden darf." Eine EM sei üblicherweise im Juni und Juli, Sommerspiele erst in der zweiten August-Hälfte, da sei ausreichend Zeit dazwischen. Allerdings: Solche Zeitangaben finden sich in der Charta nicht. Dort ist nur allgemein von "beeinträchtigt" die Rede. Bei Experten herrscht die Einschätzung, dass es sich etwa auf die gewohnten Abmachungen mit Politik und Sponsoren, aber auch auf die Sicherheitsvorkehrungen oder die Wahrnehmung des Events in der Öffentlichkeit auswirken würde, wenn beides in einem Sommer in einem Land stattfindet.

Daneben redeten die DOSB-Bosse auch noch die Bedeutung einer Fußball-EM herunter. Eine EM sei für das IOC nur ein "kontinentales Ereignis" und damit etwas anderes als eine Weltmeisterschaft, sagte Vesper. "Eine Fußball-Weltmeisterschaft im gleichen Sommer wäre sicher nicht möglich, aber eine kontinentale Meisterschaft in einer Einzelsportart, das ist machbar." Und DOSB-Präsident Hörmann attestierte mit der These: "Wir könnten ja bei den amtierenden IOC-Mitgliedern eine Umfrage machen, wo 2016 und 2020 die Fußball-Europameisterschaften stattfinden. Wir würden wahrscheinlich zu einem beeindruckenden Ergebnis kommen, das uns zeigt, dass die Wahrnehmung in einem sehr niedrigen Bereich liegt." Auch das ist eine recht exklusive Sicht. Weil künftig bei der Fußball-EM 24 Mannschaften teilnehmen, ist der Umfang nahezu genauso groß wie bei einer WM mit 32 Teams, es fallen nur zwölf Gruppenspiele weg.

Berlin droht ins Hintertreffen zu geraten

Doch nicht nur auf dieser großen sportpolitischen Linie, sondern auch auf der konkreten Ebene des Wettkampfes zwischen Hamburg und Berlin hakt es. Neben der generellen Zustimmung zu einer Olympia-Bewerbung beschloss der DOSB in Dresden auch den weiteren Zeitplan: Im Februar soll es noch einmal eine repräsentative Umfrage in beiden Städten geben, die letzten Erhebungen hatten Zustimmungswerte von 48 (Berlin) beziehungsweise 53 Prozent (Hamburg) ergeben. Am 16. März will das Präsidium eine Empfehlung formulieren, am 21. März sollen die DOSB-Mitglieder auf einer außerordentlichen Versammlung in Frankfurt am Main dieser Empfehlung zustimmen. Laut Hörmann soll die Umfrage "sehr, sehr, sehr" entscheidend sein für die Wahl; manchen Beteiligten stößt sauer auf, dass eine Meinungsumfrage unter ein paar Tausend Personen einen solchen Stellenwert erhält.

Die Mitglieder sind zudem irritiert über die geplante Vorauswahl durchs Präsidium: Wenn es schon ein Jahr lang diesen Wettkampf-Charakter zwischen den Städten gibt, den viele für unnötig halten, der aber von der DOSB-Spitze so initiiert wurde, dann wollen die Delegierten am Ende wenigstens wählen können. DOSB-Präsident Hörmann sagte dazu: "Wir können keinem Mitgliedsverband verbieten, Anträge zu stellen. Ob das dann sinnvoll ist, ist etwas anderes."

Im internen Wettkampf droht dabei Berlin etwas ins Hintertreffen zu geraten. Zwar punktet die Hauptstadt mit ihrer internationalen Bekanntheit sowie mit der Unterstützung diverser Spitzenverbände und Landessportbünde. Dafür wirkt die Lobbyarbeit der Hamburger gerade etwas überzeugender; und zudem heißt es, dass die DOSB-Spitze in Hamburg das Risiko für ein Nein bei dem versprochenen Bürgerbegehren als geringer ansieht.

Gute Nachricht für die Strippenzieher

Zum Thema Bürgerbegehren wiederum gab es für die Strippenzieher des DOSB am Wochenende eine gute Nachricht. Das IOC teilte mit, dass die Abgabe der Bewerbung nicht wie bisher kommuniziert und analog zum gewohnten Verfahren im Herbst 2015 erfolgen muss, sondern erst im Januar 2016. Das klingt nach einer kleinen redaktionellen Änderung, hat aber zufälligerweise weitere Auswirkungen. Bei einem Bewerbungsschluss irgendwann zwischen September und November hätte das Bürgerbegehren relativ zeitnah zur Vergabe der Olympischen Winterspiele 2022 stattfinden müssen - wo nur noch die Autokraten-Regimes China (mit Peking) und Kasachstan (mit Almaty) im Rennen sind.

Dass unter dem unmittelbaren Eindruck einer solchen Kür die Antipathien gegenüber dem IOC in kritischen Milieus wie Hamburg oder Berlin nicht abnehmen würden, ist absehbar. Indem die Anmeldefrist für die Spiele 2024 nun verlängert wird, sind die deutschen Sportmacher deutlich flexibler mit der Datierung des Bürgerentscheids. Und können hoffen, dass er dann stattfindet, wenn die Entscheidung über die Frage Peking oder Almaty vielleicht nicht mehr gar so unmittelbar wirkt.

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