Olympia:Zwei Engel namens Gabriel erwecken die Seleção

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Gabriel Jesus, r., und Neymar - Brasilien hat genügend gute Fußballer. Jetzt zeigen sie es auch. (Foto: AFP)

Brasiliens Nationalteam findet gegen Dänemark endlich seine Form - ein neuer Guardiola-Liebling entzückt das Gastgeberland.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Von Erlösung zu sprechen, wäre vielleicht verfrüht. Aber dass Brasilien in der Nacht zu Donnerstag ein Fest der Befreiung erlebte, das spirituelle Züge hatte, ist kaum zu leugnen. Dem von so vielfältigen Selbstzweifeln geplagten Land sind in dieser Nacht zwei Engel erschienen, die beide Gabriel heißen.

Die jungen Stürmer Gabriel Barbosa (genannt "Gabigol") und Gabriel Jesus brachten mit ihren Treffern jenes 4:0 gegen Dänemark auf den Weg, das zumindest zwei der schlimmsten Sorgen der vergangenen Tage entkräftete. Sie lauteten: Können die Brasilianer noch Fußball spielen? Und: Werden sie jemals wieder das Tor treffen? "Teilweise schon" und "ja", so lauten die befreienden Antworten aus diesem Spiel.

Im Land des Rekordweltmeisters reicht das unter den gegenwärtigen Umständen schon für Freudentänze, Stoßgebete sowie für die öffentliche Verherrlichung aller Gabriele. Unterm Strich steht bislang allerdings nur: Brasiliens Olympiaauswahl hat die Vorrunde überstanden. Bei einem um ein paar Erwachse erweiterten Nachwuchswettbewerb, der in der weiten Fußballwelt allenfalls am Rande interessiert.

Auf diese Goldmedaille, die Brasilien noch nie gewonnen hat, konzentrieren sich seit geraumer Zeit allerdings die Sehnsüchte einer depressiven Fußballnation. Spätestens seit dem 1:7 im WM-Halbfinale 2014 gegen Deutschland sehnen sich die Brasilianer ja ohnehin nach jedem Lichtblick, der sich nicht schnell genug verflüchtig. Neymar, der letzte Superheld, den dieses Land noch hat, unterbrach dafür sogar seinen verlängerten Sommerurlaub. Zunächst schien das aber auch nur in das nächste Drama zu münden.

Brasilien hadert mit diesem Team

Schon nach dem 0:0 im ersten Gruppenspiel gegen Südafrika wurde die Seleção vom den eigenen Fans ausgepfiffen, nach dem 0:0 gegen Irak mischte sich der Ärger bereits mit Hohn. In der WM-Arena von Salvador pfiffen die Zuschauer diesmal gleich am Anfang. Allerdings nur dann, wenn die Gegner aus Dänemark am Ball waren. Der Wille des Publikums, es noch einmal mit diesem Team zu versuchen, war jedenfalls zu erkennen. Das war schon einmal die erste Überraschung.

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Die zweite Überraschung war die Art und Weise, wie dieser Sieg zustande kam. Die Brasilianer haben bei diesem Turnier bislang einzig und alleine auf ihren großen Häuptling Neymar gesetzt. Er oder keiner würde es richten müssen, da waren sich alle sicher. Ihr bislang bestes Spiel haben sie nun größtenteils ohne ihn gewonnen. Neymar spielte für seine Verhältnisse ordentlich, die Protagonisten dieser Nacht waren allerdings andere. Die beiden Gabriels mit ihren insgesamt drei Treffern (das vierte steuerte Lugo bei) sowie der Linksverteidiger Douglas Santos von Atlético Mineiro, der mehrfach als Vorlagengeber glänzte. Dem Projekt Gold kann diese neue Arbeitsteilung nicht schaden.

Allzu offensichtlich war bislang, dass die Mannschaft von U23-Coach Rogerio Micale unter ihrer Neymarlastigkeit fast zusammenbrach. Sogar Brasiliens fünfmalige Weltfußballerin Marta hatte deshalb freundlicherweise angeboten, ihrem männlichen Kollegen ein bisschen Druck abzunehmen. Aber so war das natürlich nicht gemeint, dass deshalb die Leute gleich den Namen Neymar auf ihren Trikots durchstreichen und würden, um Marta drüberzukritzeln.

Die Bilder gingen um die Welt. Und nach allem, was Trainer Micale andeutete, hat es Neymar wehgetan. Dies und andere Respektlosigkeiten. Etwa die Tatsache, dass die brasilianischen Medien seine torlose Zeit im Trikot der Seleção inzwischen nicht mehr in Minuten oder Stunden, sondern in Monaten zählen. Elf sind es schon.

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Hat der Großverdiener von FC Barcelona etwa doch keinen Bock auf Olympia? Bringt er alles durcheinander? Hat er im Sommerurlaub zu viel gefeiert? All das wurde vor dem Spiel gegen die Dänen noch einmal breit analysiert. Man kann sogar sagen, dass sich die Debatte bis weit in die erste Halbzeit dieser Partie hineinzog. Ein kleiner Schock war sicherlich die Blitztabelle, die nach 20 Minuten aufleuchtete. In Salvador stand es noch 0:0. Beim Spiel der Gruppengegner Südafrika und Irak aber war das 1:1 gefallen. Damit wäre Brasilien raus gewesen, Irak weiter. "Ganz ruhig, es ist noch viel Zeit", sagte einer der Kommentatoren im brasilianischen Fernsehen.

Auch die anschließenden fünf Minuten schlugen noch schwer aufs Gemüt der Fußballvolksseele. Die Seleção war zu diesem Zeitpunkt die einzige Mannschaft im Turnier, die kein einziges Tor geschossen hatte. "Das kann nicht sein", flehte der Kommentator immer wieder. "Das darf nicht sein!" Es hat dann zum Glück nicht mehr allzu lange gedauert, bis der Spuk vorüber war.

Plötzlich zaubern sie doch

Nach 25 Minuten schickte Douglas Santos einen gut getimten Querpass durch den Strafraum. Ganz hinten hielt der Gabriel von Neymars Jugendklub FC Santos den Fuß hin. Mit ein bisschen Glück kullerte der Ball ins Netz. Egal. Was so ein Tor bewirken kann! Wenig später sah man Neymar seine Kollegen aufmuntern, das erste Mal bei diesem Turnier. Das zweite Tor von Gabriel Jesus sah dann sogar richtig zauberhaft aus. Eine sauber abgeschlossene Doppelkurzpasskombination, ganz und gar unbrasilianisch.

Gabriel Jesus spielt noch bis zum Jahresende bei Brasiliens Tabellenführer Palmeiras. Danach geht er zu Manchester City, ein gewisser Pep Guardiola findet ihn super, super. Nach dem Spiel sagte er: "Das ist mehr als eine Erleichterung. Heute werden wir endlich mal wieder in Ruhe schlafen können." Am Donnerstag wird Gabriel Jesus vermutlich in einem Land aufwachen, das nie an dieser verdammten Goldmedaille gezweifelt hat.

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