Olympia:"Wir müssen einen Schlussstrich ziehen"

Pyeongchang 2018 Winter Olympics

Gold im Eishockey für die olympischen Athleten aus Russland.

(Foto: REUTERS)
  • Die russischen Athleten werden wohl bald in die olympische Familie zurückkehren.
  • IOC-Präsident Thomas Bach sieht alle Bedingungen dafür als erfüllt an, obwohl zwei Athleten in Pyeongchang gedopt waren.
  • Hier geht es zum Medaillenspiegel der Winterspiele.

Von Johannes Aumüller, Pyeongchang

Sie kamen wieder in diesen grauen Jacken, weiße Schals um den Hals, weiße Mützen auf dem Kopf. Und in den Händen hielten die "Olympischen Athleten aus Russland" (OAR) beim Einmarsch ins Stadion nichts - anders als viele Sportler anderer Grüppchen, die ihre jeweilige Landesflagge schwenkten. Aber die Männer und Frauen mit dem OAR-Abzeichen erweckten nicht den Eindruck, als würde sie dieser Mangel groß belasten. Auch sonst beschwerte sich aus Russlands Delegation niemand über die Abwesenheit von Nationalflagge und -farben bei der Schlussfeier. Warum auch? Sie konnten mit dem sportpolitischen Ende der Spiele sehr zufrieden sein.

Erst ein paar Stunden vor dem Abschlussevent hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) eine Entscheidung in der Russland-Causa getroffen. Die Suspendierung des nationalen Olympia-Komitees endete zwar nicht am Sonntag. Das wäre aufgrund der beiden russischen Dopingfälle in Pyeongchang nicht vermittelbar gewesen, wie selbst das IOC einräumte. Aber dafür entschied es, dass der Ausschluss der Russen bald enden kann. Eine einzige Bedingung gibt es: Die für Dopingtests zuständige Organisation DFSU muss bestätigen, dass alle verbleibenden Proben der "Olympischen Athleten aus Russland" von diesen Spielen negativ ausfallen.

Diese Tests dürften innerhalb der nächsten Tagen analysiert sein. Und dann soll der große russische Dopingskandal für die Sportwelt nach lediglich zweieinhalbmonatiger Suspendierung abgeschlossen sein - und Russland wieder hochoffiziell zur olympischen Familie gehören. "Wir müssen einen Schlussstrich ziehen", das war ein Satz, den IOC-Vertreter am Sonntag häufig benutzten.

Viele sehen das Ende der Suspendierung kritisch

Betrugsbekämpfer wie die Vereinigung der nationalen Anti-Doping-Agenturen (Inado) sehen das avisierte rasche Ende der Suspendierung und den angedachten Schlussstrich kritisch. Sie monieren mangelnde Änderungen und Einsicht in Russland. Dort erkennen die Verantwortlichen die vorgebrachten Fakten zum jahrelang praktizierten und staatlich orchestrierten Dopingbetrug bis heute nicht an, etwa den sogenannten McLaren-Report. Und die nationale russische Anti-Doping-Agentur ist immer noch suspendiert. Aber für das IOC spielen solche Aspekte keine Rolle.

Seit gut drei Jahren schwelt die Affäre, seit gut drei Jahren urteilt das IOC in dieser Affäre tendenziell russland-freundlich. Als es sich nicht mehr vermeiden ließ, suspendierte es im Dezember das Olympia- Komitee, erlaubte aber 168 Sportlern als OAR den Start in Pyeongchang unter neutraler Flagge - und stellte eine rasche (und bereits als abgemacht geltende) Rückkehr in Aussicht. Vor diesem Hintergrund entstand am Wochenende das nächste bemerkenswerte, aber sicher noch nicht letzte Kapitel in der Russland-Causa.

IOC-Präsident Bach lobt das Verhalten der russischen Athleten

Bei der Session in Pyeongchang gaben sich Nicole Hoevertsz als Vorsitzende einer Prüfkommission, aber auch IOC-Präsident Thomas Bach und viele andere Mitglieder voll des Lobes über die 168 OAR-Athleten und die komplette russische Delegation. Sehr vorbildlich habe die sich verhalten. Alle Bedingungen seien erfüllt und die Verhaltensregeln eingehalten worden. Verschiedene Entschuldigungen habe es gegeben, die 15 Millionen Dollar Strafe seien pünktlich gezahlt worden. Sachen wie das andauernde Leugnen der Fakten oder manche Sprüche von Moskauer Spitzenpolitikern interessierten offenkundig nicht so sehr.

"Das IOC hatte erwogen, die Suspendierung gegen Russland aufzuheben", teilt Bach mit. Aber dann gab es in der vergangenen Woche die beiden Dopingfälle von Curler Alexander Kruschelnizkij (Herzmittel Meldonium) und Bobfahrerin Nadeschda Sergejewa (Stimulanzium). Das sei "sehr enttäuschend" gewesen und habe das IOC "von der Aufhebung der Suspendierung abgehalten", sagte Bach.

Aber auch diese Dopingfälle relativierte das IOC. Diese seien "individuelle und isolierte Fälle" und nicht Teil einer "systematisch organisierten Dopingaktivität". Es gebe keine Anzeichen dafür, dass die Delegationsleitung etwas gewusst habe. Und Bach machte sogar ein "proaktives" Handeln der russischen Seite aus, was insbesondere im Curling-Fall erstaunlich klang: Da war nach dem ersten Positivbefund erst einmal eine Sabotage-These verbreitet worden, erst nach drei Tagen erkannten Kruschelnizkij und das russische Team den Verstoß an. Außerdem, so Bach weiter, gebe es in Russland ein Anti-Doping- Gesetz und führten Positivtests nun zu Untersuchungen. Die Dopingfälle seien auch ein "Mangel an kultureller Erziehung", teilte Schamil Tarpischtschew als einziges anwesendes IOC-Mitglied aus Russland mit.

Von daher ersannen die IOC-Verantwortlichen das Kriterium, dass erst alle Tests der OAR-Fraktion abzuwarten seien. Sollten alle negativ sein, ende die Suspendierung "automatisch", teilte Bach auf seiner Abschlusspressekonferenz mit. Andererseits führt ein weiterer positiver Fall nicht automatisch zur Fortsetzung der Sanktion. Da könne er "nicht spekulieren", sagte Bach; das müsse dann die Exekutive besprechen.

Die russischen Eishockeyspieler sangen die Nationalhymne - verbotenerweise

Aktuelle Verstöße von Sportlern, die nicht an den Spielen in Pyeongchang teilgenommen haben, interessieren ihn nicht. Dabei bestätigte etwa die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) der ARD am Wochenende eine Positivprobe eines russischen Sommersportlers auf Meldonium. Noch viel weniger tangiert Bach in diesem Zusammenhang, dass die Test-Organisation DFSU zeitnah gar keine definitive Aussage über die Sauberkeit treffen kann. Schließlich ist es in den vergangenen Jahren Usus geworden, dass viele - und dabei insbesondere russische - Sportler erst in den Nachtests nach einigen Jahren positiv auffallen. Aber dazu sagte Bach nur, dann würden Russlands Athleten "genauso behandelt wie die von allen anderen Nationen".

Eine knappe Stunde nach Bachs Auftritt gab es dann noch eine interessante Weiterung zum gepriesenen Wohlverhalten der Athleten aus Russland. Da standen die Eishockey-Spieler des OAR-Teams nach dem knapp gewonnenen Finale gegen Deutschland Arm in Arm auf dem Eis und sangen die russische Nationalhymne. Das mochte angesichts der Dramatik des Spiels und der Situation nachvollziehbar sein. Gemäß IOC-Verhaltenskodex war das bei diesen Spielen jedoch verboten. Und in diesem Moment war auch nach außen klar, dass Russland wieder da ist in der olympischen Welt.

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