Olympia:Warum Isabell Werth eine Reit-Legende ist

Rio 2016 - Pferdesport Dressur

Isabell Werth ist nun die erfolgreichste Olympiareiterin aller Zeiten - kommt da noch mehr?

(Foto: dpa)

Der Sieg mit der Dressur-Equipe macht sie zur erfolgreichsten Olympia-Reiterin der Geschichte. Doch das soll es für Isabell Werth in Rio noch nicht gewesen sein.

Von Gabriele Pochhammer

Das sechste Gold also. Isabell Werth hat Reiner Klimke, die Dressurlegende, überholt, sie ist jetzt die erfolgreichste Olympiareiterin aller Zeiten. Ein Rekord für die Geschichtsbücher, doch das haut Werth, 47, nicht um, das frische Erlebnis des Mannschaftsgoldes von Rio schon.

"Es war der Tag der Tage", sagte sie nach ihrem Ritt auf der elfjährigen Stute Weihegold. "Ich bin sehr stolz auf diese Medaille, mehr als auf den Top-Rang in der Statistik."

Das Wichtigste zu Olympia 2016 in Rio

Rang eins für Werth, drei für Dorothee Schneider auf Showtime und vier für Kristina Sprehe auf Desperados - dazwischen nur die Olympiasiegerin von 2012, Charlotte Dujardin - das lässt auf weitere Medaillen hoffen. Auch Olympiadebütant Sönke Rothenberger mit Cosmo auf Platz zehn hat alle Erwartungen übertroffen. Da nur drei Reiter pro Nation in der Einzelentscheidung starten dürfen, ist er am Montag nicht mehr dabei.

An eine so gute Quote kann sich Werth nicht erinnern

"Vier Reiter in einer Prüfung über 80 Prozent, ich kann mich nicht erinnern, dass es so was schon mal gegeben hat", sagte Isabell Werth, die sich seit 1992 an fast jedes Championat erinnern kann. Fünfmal war sie bei Olympia dabei, holte jedes Mal Mannschaftsgold und in Atlanta 1996 auch Einzelgold. Nur in London 2012 reichte es - ohne Werth - nur zu Silber hinter den Briten. "Wir haben uns jetzt unsere Goldmedaille zurückgeholt", sagte Werth in Rio.

Als 1988 Nicole Uphoff auf Rembrandt ihre erste Goldmedaille gewann, startete Werth noch bei den jungen Reitern. Sie wurde bereits von Uwe Schulten-Baumer trainiert, der auch Uphoff groß gemacht hatte. Er suchte einen neuen Reiter für seine jungen Dressurtalente und wurde gleich in der Nachbarschaft fündig, in Rheinberg. Bei den Werths und ihrer kleinen Züchtertochter, bodenständig, tüchtig und hochbegabt. Es setzte sie auf seine guten Pferde. Riesentiere wie Madras und Weingart, mit dem Werth 1989 ihre erste EM bestritt und mit Mannschaftgold nach Hause kam, natürlich, denn die deutschen Dressurreiter waren damals auf Championatssiege abonniert.

Werth hat ihre Pferde immer selbst ausgebildet, nie eingekauft

Mit dem damals sechsjährigen Hannoveraner Gigolo bekam Werth das Pferd, das sie selbst zur Olympiareife brachte, keine Schönheit, aber ein Athlet mit großen Bewegungen. 1992 in Barcelona musste Isabell Werth noch Nicole Uphoff den obersten Platz auf dem Treppchen überlassen, 1996 stand sie selbst da. Die nächsten zwölf Jahre waren geprägt vom Duell mit der Niederländerin Anky van Grunsven, die es schaffte, dreimal hintereinander olympisches Einzelgold zu gewinnen, Werth wurde dreimal Weltmeisterin und fünfmal Europameisterin.

Viele Reiter verschwinden in der Versenkung, wenn ihr bestes Pferd in die Jahre kommt, Werth blieb immer dabei. Nicht immer mit Superpferden, aber alle selbst ausgebildet, nie als fertige Top-Pferde eingekauft. "Die Freude, wenn ein Pferd etwas gelernt hat, wenn man ein Stückchen weiter gekommen ist, ist manchmal größer als der äußere Erfolg", sagte sie.

Vor Rio war sie im "emotionalen Loch"

Sie kennt die dünne Luft sportlicher Hochlagen und den beklemmenden Dunst im tiefen Tal. Als ihr Pferd Amaretto starb, ein hoffnungsvoller Nachfolger für Gigolo, war sie verzweifelt. Jeden Tag hatte sie ihn in der Klinik besucht, aber er war nicht zu retten. Darüber konnte Isabell Werth monatelang nicht sprechen, ohne zu weinen. Auch Doping hat zeitweise das Bild von der Vorzeigesportlerin getrübt, die neben ihrer Profikarriere auch noch ein Jurastudium abschloss. Das ist jetzt lange her, inzwischen hat sie einen siebenjährigen Sohn und ihre eigene Reitanlage.

Noch vor einem halben Jahr standen die Zeichen für Werth keineswegs gut, was Rio anging. Da musste sie sich eingestehen, dass ihr bestes Pferd, die Fuchsstute Bella Rose, nicht würde zu Olympia reisen können, weil eine alte Verletzung nicht auskuriert war. "Damals fiel ich in ein emotionales Loch", sagte sie.

Werth macht aus Weihegold ein Weltpferd

Mit der brillanten Fuchsstute hätte sie nach Gold greifen können. Es war ihre Mäzenin Madeleine Winter-Schulze, die sie auffing. Rechtzeitig, als sich der fragile Gesundheitszustand von Bella Rose bezeichnete, hatte sie für zwei Jahre die Oldenburger Stute Weihegold für Werth geleast. In wenigen Monaten machte Werth aus ihr ein Weltpferd, mit dem sie in Rio auch von Einzelgold, zumindest von einer Medaille träumen kann. Sie tanzte im Grand Prix Special durch das Viereck und Werth ließ keinen Punkt durch ungenaues Reiten oder andere vermeidbare Fehler liegen, ein Profi eben. Besser ging es nicht. "Es wird schwierig sein, diese Leistung zu wiederholen", sagte Isabell Werth.

Weihegold ist das Ideal eines gehorsamen, dem Reiter zugetanen Pferdes, das seine Sache gut machen will. Mit dem Pfund muss Werth wuchern, sie kann es sich leisten, in der Musikkür ein Programm zusammenzustellen, an dessen Schwierigkeiten sich die anderen die Zähne ausbeißen. Dann könnte es klappen mit dem zweiten Einzelgold.

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