Süddeutsche Zeitung

Olympische Spiele:Frohe Botschaften aus dem Hinterzimmer

Elf Jahre vor den Spielen 2032 präsentiert das IOC einen "bevorzugten Kandidaten": die Stadt Brisbane. Dass das allein der Planungssicherheit dient, ist bestenfalls die halbe Geschichte.

Kommentar von Johannes Knuth

Die Corona-Regeln waren sicherlich nicht schuld, dass Thomas Bach am Mittwochabend mit einer, nun ja, durchaus kräftigen Haarpracht vor die Kameras trat. Die Friseursalons hatten in der Schweiz, wo das Internationale Olympische Komitee (IOC) und sein deutscher Präsident beherbergt sind, bis zuletzt ja weiterhin geöffnet. Aber der 67-Jährige ist natürlich selbstredend rund um die Uhr im edlen Dienste für die Jugend der Welt unterwegs.

Die neue frohe Botschaft, die nun aus der IOC-Zentrale in Lausanne verkündet wurde: Fürchtet Euch nicht! Allem Sportvolke ist große Freude widerfahren! In einer Welt voller Unsicherheiten wurde Euch schon elf Jahre im Voraus ein weiterer Gastgeber für Olympische Sommerspiele gegeben, nach Paris 2024 und Los Angeles 2028 nun Brisbane 2032. Zwar hat das IOC die Australier erst einmal nur in den Stand des "bevorzugten Bewerbers" gehievt, aber so salbungsvoll, wie Bach den neuen Lieblingskandidaten besang, wird die Kür wohl spätestens im kommenden Jahr festgezurrt. Und so stimmig das alles klingt: Im Olymp mit seinen Gräben, die traditionell zwischen Schein und Sein klaffen, ist das bestenfalls die halbe Geschichte.

Das neue Vergabesystem erreicht bislang das Gegenteil von dem, was es verspricht

2014, kurz nach Bachs Inthronisierung, verfügte der neue IOC-Boss unter anderem, dass der bisherige Auswahlprozess für Olympia-Gastgeber "zu viele Verlierer" produziere. Viele Städte würden sich unnötig beharken und, was Bach natürlich aussparte, eifrig die stimmberechtigten IOC-Mitglieder bezirzen und dabei schon mal Voten en bloc einkaufen. Der neue Prozess sei jedenfalls "gezielter und flexibler", er verprelle keine Interessenten und vereitele "ungebührliche Einflüsse". Nur: So sehr außer Frage steht, dass das alte System zutiefst marode war, so sehr ist spätestens jetzt klar, dass das neue das Gegenteil von dem erreicht, was es verspricht.

Grob gesagt verhandelt jetzt nur noch ein kleiner Zirkel über die Bewerber, ehe er dem Vorstand einen einzigen Kandidaten präsentiert. Wie sehr das dazu beitrug, die Mitbewerber nicht zu verprellen, ließ sich an den enttäuschten Reaktionen ablesen, die nach Brisbanes Adelung eintrudelten. Wobei ja längst bekannt war, dass John Coates deren Bewerbung massiv hinter den Kulissen vorangetrieben hatte. Der Australier ist seit Jahren ein enger Vertrauter Bachs und ein personifizierter Interessenkonflikt; er ist IOC-Vizepräsident, Vorsteher des Internationalen Sportgerichtshofs und Chef von Australiens Olympiakomitees, unter anderem. Vor zwei Jahren leitete er noch eine Arbeitsgruppe, die prüfte, wie man die Spiele-Vergaben ab 2032 verändern könnte.

Auf Brisbanes Wahl hatte das alles überhaupt keinen Einfluss, beteuerte Bach nun. Klar. Und was dann - jenseits der tollen Bewerbung natürlich, der bereits vorhandenen Sportstätten und der garantierten Milliarden für die Spiele, die auch in Brisbane von der öffentlichen in die private Hand fließen werden? Und wie wird eigentlich mit den verbliebenen Kandidaten verhandelt, die für künftige Spiele "geparkt" wurden, wie Coates jetzt sagte (in welcher Rolle tat er das eigentlich?) Wer dann wohl wen auf welche Weise im Hinterzimmer überbietet?

Die Antworten kennt nur ein kleiner Kreis, rund um den Mann mit der wallenden Haarpracht.

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