Olympia:Usain Bolt - fast schon unsterblich

Olympia: Gelöster Olympiasieger über die 100 Meter: Usain Bolt.

Gelöster Olympiasieger über die 100 Meter: Usain Bolt.

(Foto: Martin Meissner/AP)

Der Jamaikaner gewinnt in Rio zum dritten Mal nacheinander Gold über die 100 Meter. Es ist sein langsamster Sieg bei Olympia - mit dem Publikum spielt er trotzdem.

Von Saskia Aleythe, Rio de Janeiro

Menschliche Vergleiche reichen ja längst nicht mehr für Usain Bolt. Kurz vor dem Halbfinale dieser Olympischen Spiele hatte die BBC ein Foto verbreitet, das einordnen wollte, wo sich der Jamaikaner mit seiner Höchstgeschwindigkeit befindet, der britische Sender bediente sich dabei der brasilianischen Tierwelt. Das Ergebnis: Zwischen Jaguar (64 km/h) und Goldenem Löwenäffchen (39 km/h) stand da dieser Bolt. Vergleichswert: 44,72 Kilometer pro Stunde, aufgezeichnet bei seinem Weltrekord 2009.

Nun gibt es schnelle und langsame Jaguare, schnelle und langsame Löwenäffchen, aber gibt es auch einen langsamen Usain Bolt? Am Sonntagabend gewann er die 100 Meter in Rio, das als Prunkstück der Leichtathletik verkaufte Event, in 9,81 Sekunden. Es war sein langsamster Olympiasieg über 100 Meter, okay, aber vom Löwenäffchen war er dann doch sehr weit entfernt.

Das Wichtigste zu Olympia 2016 in Rio

"Jemand sagte vorher, ich könne in Rio unsterblich werden", meinte Bolt nach dem Rennen, "zwei weitere Medaillen und dann kann ich abtreten. Unsterblich". Dieser Sieg war Teil eins seiner Mission, als erster Sprinter bei Olympischen Spielen dreimal hintereinander das Triple zu schaffen. Gold über 200 Meter und mit der Staffel fehlen ihm noch dazu.

Unterhaltung und Sport sind bei Usain Bolt kaum zu trennen

Was war das für eine Show, mit der Usain Bolt in Rio präsentiert worden war: In einer klamaukigen Pressekonferenz des jamaikanischen Verbandes schunkelte er mit Sambatänzerinnen von der Bühne. Er sehe sich erst als Sportler und dann als Entertainer, sagte er dort: "Ich bin da, um schnell zu rennen und zu unterhalten." Dann kamen die Trommeln und Paillettenbikinis hereingewackelt.

Unterhaltung und Sport, das ist bei Usain Bolt kaum zu trennen, für ihn kommen die Leute ins Stadion, so auch in Rio. Und er hatte dann gleich einen psychologischen Vorteil. Vor ihm musste Justin Gatlin aus den USA durch den Tunnel ins Stadion einlaufen und die Zuschauer buhten. Ob das an seiner Dopingvergangenheit lag, dem offenen Zwist zwischen ihm und dem Jamaiker? Oder einfach nur daran, dass er der gefährlichste Konkurrent dieses Mannes ist, für den alle ihre Tickets kauften?

Vielleicht alles zusammen, Gatlin stapfte wütend zum Startblock. "Das ist das erste Mal gewesen, dass ich Buhrufe für Gatlin gehört habe", sagte Bolt, "das hat mich überrascht." Dann bekam Bolt seinen Auftritt: "Bolt, Bolt, Bolt" statt "Buhhh". Er joggte lässig ins Stadion und ließ sich gerne feiern, klar.

Gatlin rast los, Bolt hinterher

Noch am Startblock stehend nickte er zum Techno-Beat, der da eingespielt wurde, er zwinkerte in die Kamera und deutete an, dass er etwas von beiden Schultern abstreichen würde. Erfolgsdruck vielleicht. Oder all die Meinungen seiner Kritiker, die ihn nach seiner Oberschenkelverletzung oder wegen seiner nun fast 30 Jahre nicht mehr zugetraut hatten, weiter der schnellste Mann der Welt sein zu können. Doch er war es und auch seine 9,81 Sekunden, Saisonbestleistung, waren eine Show. Aber diesmal eine kleinere.

Hubschrauber kreisten über dem Olympiastadion, als der Startschuss fiel und wie so oft kam Bolt als einer der letzten aus dem Startblock. Und während er seinen langen Körper noch aufrichtete (nach 20 Metern war Bolt Letzter), war Gatlin schon dabei, an die Spitze zu stürmen. Gatlin rannte, Bolt rannte und schaute auf die zweite Bahn links von ihm. Würde er ihn noch packen können? Er konnte, nach 80 Metern hatte er ihn eingeholt, dann war das Rennen schnell entschieden. Kein Austrudeln, dieses Zeichen der Überlegenheit. Noch im Halbfinale hatte er auf den letzten Metern seitlich in die Kameras gegrinst, dafür war er nun nicht stark genug. Aber die letzten Meter sind immer noch seine große Stärke, auch mit fast 30 Jahren. Ein bisschen zur Anzeige blinzeln war deswegen trotzdem noch drin, auch Auf-die-Brust-Schlagen beim Zieleinlauf. Gatlin kam in 9,89 Sekunden ins Ziel, Andre de Grasse aus Kanada schnappte sich mit 9,91 Sekunden Bronze.

"Das war brillant, auch wenn ich nicht so schnell war, ich bin so froh, dass ich gewonnen habe", sagte Bolt später. "Ich habe es euch gesagt, dass ich es schaffen kann und ich habe gewonnen."

Nur noch zwei Rennen

Und dann kam alles, was man als Bolt-Bilder so gerne verkauft: Er schickte Küsschen ins Publikum, schnappte sich eines der aufblasbaren Maskottchen, dann kam noch die jamaikanische Flagge dazu, Bolt hatte die Hände voll, für Selfies mit seiner Familie reichte es noch. Bolt lief durchs Stadion, als würde er Kilometergeld bekommen. Dann seine Sternendeuter-Geste, klar. Er lieferte, was er liefern sollte.

Am Samstagabend war Michael Phelps mit seiner 23. Goldmedaille von der olympischen Bühne verschwunden, am Sonntagabend übernahm Usain Bolt die Rolle als Repräsentant sportlichen Heldentums. Noch zwei Rennen, dann muss sich Olympia neue Geschichten ausdenken.

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