Gegen die heimlichen Tritte der Konkurrenz sind Freiwasserschwimmer gewappnet, sie kraulen durch Algen, mitunter durchpflügen sie Drecklagunen und Plastikmüll. Ein weit gefährlicherer Gegner aber lässt sich nur mittels Thermometer orten. Er lauert dort, wo die Wasserwärme für Leistungssportler die Grenze zum Gesundheitsrisiko übersteigt. Diesen Fakt sieht die Trainerin der US-Auswahl, Catherine Kase, von den Verantwortlichen der Olympischen Spiele in Tokio bisher fahrlässig ignoriert: "Wenn ein Marathonläufer ohnmächtig wird", argumentiert sie, "dann zieht er sich einige Blessuren zu. Wenn ein Freiwasserschwimmer ohnmächtig wird, kann das Resultat tödlich sein."
Meinung Marathon bei Olympia:Überraschung: In Tokio ist es heiß
Die Entscheidung, den Olympia-Marathon ins 900 Kilometer entfernte, kühlere Sapporo zu verlegen, ist richtig. Aber auch hinreißend inkonsequent und entlarvend.
Mit den Langstrecklern auf dem Asphalt zeigten die Herren der Ringe kürzlich Erbarmen: Aufgeschreckt von bizarren Bildern der Wüsten-WM der Leichtathleten in Doha, wo die Läufer nach Mitternacht bei 33 Grad Celsius dem Ziel entgegen taumelten, wurde hektisch umgeplant. Der Startschuss für die olympischen Wettbewerbe der Geher und Marathonläufer 2020 wird achthundert Kilometer nördlich von Tokio in Sapporo fallen - am Ort der Winterspiele 1972.
Für die Langstreckler in der warmen Brühe des Odaiba Marine Parks in der japanischen Hauptstadt gibt es dagegen keinen Plan B für ein kühleres Bad. Eine Wettkampfverlegung schließen die Organisatoren bisher aus, obwohl die Wassertemperaturen in diesem Sommer an einem Tag angeblich bis auf 30,5 Grad stiegen, minimal unter dem erlaubten Grenzwert von 31 Grad. Diese Schutzvorschrift hatte sich der Weltverband auferlegt, nachdem der US-Amerikaner Fran Crippen 2010 bei einem Wettkampf in den warmen Küstengewässern der Vereinigten Arabischen Emirate verstarb. Ein Zusammenhang zwischen Wassertemperatur und Erschöpfung konnte damals nicht ausgeschlossen werden.
Die Vernunft müsste die Olympia-Organisatoren also zwingen, kältere Gewässer für die Freiwasserschwimmer zu suchen. Ebenso gesundheitsverträgliche Ausweichquartiere für die Straßenradfahrer, für die Triathleten, für alle Ausdauersportler, die sich 2020 in Japan durch die schwülste Zeit des Jahres quälen werden. Das Problem ist, dass dieser Olympiatermin des IOC der Unvernunft entsprang - anders noch als 1964, als Japan schon einmal Sommerspiele organisierte, damals im Oktober. Zu hoffen bleibt, dass keiner 2020 die Unvernunft mit der Gesundheit bezahlt.
Und dass es kalt wird im August.