Olympia in Tokio:"Wenn das so weitergeht, könnte man das nicht machen"

Olympia - Tokio-Macher legen Rettungsplan vor

Logo der Spiele auf einem Plakat in Tokio.

(Foto: Eugene Hoshiko/dpa)

An diesem Wochenende hätten die Olympischen Spiele in Tokio beginnen sollen. Ob es 2021 klappt? Die Bevölkerung ist verunsichert und sogar der Präsident des Organisationskomitees skeptisch.

Von Thomas Hahn, Tokio

Die hässlichen Kästen sind weg. Der Kitanomaru-Park in Tokios Mitte ist wieder ganz er selbst und vorerst kein Standort der Olympischen und Paralympischen Spiele mehr. Im März war hier die Wiese am See noch eingezäunt und mit einer kleinen Burg aus weißen Containern zugestellt, die man wegen der Wettkämpfe in der nahen Kampfsporthalle Nippon Budokan brauchte. Jetzt ist der Zugang zum See wieder frei. Ein paar Familien sind unterwegs. Picknickgäste sitzen im Gras. Man genießt die Freizeit am sogenannten Tag des Sports, den Japans Regierung eigens wegen der Spiele-Eröffnung auf diesen 24. Juli verlegt hatte. Nichtolympische Großstadt-Idylle.

So sieht also der große Tag in Tokio aus, auf den vor ein paar Monaten noch die halbe Sportwelt hinfieberte. Das Olympiastadion in Shinjuku ist leer. Ins Olympische Dorf von Harumi sind keine internationalen Mannschaften eingezogen. Und auch die Einheimischen sind vorsichtig, weil die Zahl der bestätigten Coronavirus-Fälle zuletzt so hoch war wie noch nie. Es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben. Die Countdown-Uhr in Roppongi zeigt das Gleiche wie vor einem Jahr. Die Tokyo-2020-Fahnen hängen kraftlos in den Straßen. Dann halt 2021? Wirklich? Bei einer Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo waren nur 23,9 Prozent der Befragten für die Spiele.

Immerhin, die Japaner laden die Stimmung nicht mit künstlichem Optimismus auf. Den einjährigen Countdown beging das Organisationskomitee Tocog im vorigen Jahr mit einem Fest. Diesmal nicht. Als der TV-Sender NHK den Tocog-Präsidenten Yoshiro Mori in dieser Woche fragte, ob man die Spiele bei gleichbleibender Pandemie-Lage abhalten könne, sagte er deutlich: "Wenn das so weitergeht, könnte man das nicht machen."

Die Spiele 2021 sollen schlanker werden

Und auch das 15-minütige Video, mit dem Tocog ein Zeichen auf dem Weg zu den verlegten Spielen setzen wollte, war nicht übertrieben selbstbewusst. Es zeigte eine Andacht mit der japanischen Schwimmerin Rikako Ikee im leeren Olympiastadion. Ikee, 20, sechsmalige Gold-Gewinnerin bei den Asien-Spielen 2018, musste 2019 ihre Karriere wegen einer Leukämie-Erkrankung unterbrechen. Mittlerweile trainiert sie wieder, im Oktober peilt sie den ersten Wettkampf an. Im Dienste der Spiele warb sie für die Einsicht, dass immer alles anders kommen kann. Sie sagt in dem Video: "Draußen zu sein. Leute zu treffen. Meinen ganzen Körper zu nutzen, um im Becken zu schwimmen. Diese einfachen Freuden sind so wertvoll. Vor meiner Krankheit waren sie für mich selbstverständlich."

Die Frage bleibt, wie Tocog und das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Verlegung organisieren wollen. Bis auf den Umstand, dass die Spiele-Stätten für 2021 gesichert sind, steht noch nicht viel fest. Nicht einmal, wie teuer die Verlegung wird; Schätzungen schwanken zwischen zwei und sechs Milliarden US-Dollar. Die Spiele 2021 sollen schlanker werden, das ist klar, und IOC-Präsident Thomas Bach hat längst gesagt, auf der Suche nach Lösungen sei "nichts tabu". Aber stimmt das auch? Die Zahl von 11 000 teilnehmenden Athletinnen und Athleten ist zum Beispiel nicht verhandelbar.

Außerdem wirkt Japans Coronavirus-Politik widersprüchlich. Im Inselstaat sterben immer noch relativ wenige Menschen an der Lungenkrankheit Covid-19. Die neuen Coronavirus-Rekorde haben vermutlich damit zu tun, dass Japans Regierung ihr spärliches Testprogramm aufgebessert hat. Trotzdem: Die Bevölkerung wird die Verunsicherung nicht los. Staats- und Präfekturregierung machen unterschiedliche Ansagen. Tokios Gouverneurin Yuriko Koike hat die Bürger vor dem Wochenende dazu aufgerufen, wegen Corona keine unnötigen Ausflüge zu unternehmen. Yoshihide Suga hingegen, Chefsekretär des rechtskonservativen Regierungskabinetts, sagt, wer sich gesund fühle und die Hygienevorschriften einhalte, könne ruhig rausgehen.

Ein Jahr vor den Spielen ist nicht einmal abzusehen, wann Ausländer wieder uneingeschränkt nach Japan einreisen können. Die Pandemie ist noch im vollen Gange. Japan verweigert Menschen aus 129 Nationen die Einreise. Und wenn man dem Epidemiologen Ali Khan von der Universität in Nebraska glauben darf, den diverse Medien in diesen Tagen zitieren, hat Japan noch Einiges zu tun für sichere Spiele. "Erstmal", schreibt Khan, "muss Japan seine Eindämmungsbemühungen verbindlich aufstocken und zu null Fällen wie Neuseeland kommen." Das klingt, als würden auf absehbare Zeit keine hässlichen Kästen mehr im Kitanomaru-Park aufgestellt werden.

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