Skispringen:Karl Geiger spürt die Schanze nicht

Skispringen: Schnell die Skier abschnallen und auf den nächsten Wettbewerb konzentrieren: Karl Geiger muss die Enttäuschung auf der Normalschanze abschütteln.

Schnell die Skier abschnallen und auf den nächsten Wettbewerb konzentrieren: Karl Geiger muss die Enttäuschung auf der Normalschanze abschütteln.

(Foto: Christof Stache/AFP)

Auf der Normalschanze findet Karl Geiger nie den richtigen Ansatz und verpasst eine Medaille deutlich - auch die übrigen DSV-Springer enttäuschen. Über die Gründe ist man im Team etwas ratlos.

Von Saskia Aleythe, Zhangjiakou

Der Abend war für Karl Geiger schon nach dem ersten Durchgang gelaufen. Als Sportler will man immer noch weiterkämpfen, bei Olympia erst recht - doch wie sollte das jetzt funktionieren? Schon bei 96 Metern setzte der Deutsche seine Skier beim Springen von der Normalschanze in Zhangjiakou auf, das war nach der Punktewertung gerade mal Platz 21. Schlaff baumelten die Arme an Geigers Körper hinunter, dann schnallte er die Skier ab. Im Gesicht ein Anstrich von Ernüchterung. Und Leere.

Diese Schanze, sie wirkte wie ein Fehler im System von Karl Geiger. Normalerweise hat der 28-Jährige ein Gespür für die Erfordernisse einer neuen Umgebung. Doch in China spürte er nichts.

Als Weltcup-Führender war Geiger zu Olympia gereist, und das ist etwas, das deutschen Skispringern nur selten gelingt: Zuletzt war es Jens Weißflog, der 1984 seiner Form treu bleiben konnte und in Sarajevo Gold auf der Normalschanze gewann, dazu Silber von der großen. Ganz anders erlebte nun Geiger seinen Auftakt in diese Spiele: Aus dem Medaillentraum wurde Platz 15, der Kampf um den Olympiasieg fand gänzlich ohne deutsche Einflüsse statt. Japans Ryoyu Kobayashi feierte nach dem Gewinn der Vierschanzentournee nun auch diesen Triumph, Manuel Fettner aus Österreich sicherte sich Silber vor dem Polen Dawid Kubacki. "Ich habe das mit voller Entschlossenheit gemacht, aber bin halt gescheitert", sagte Geiger, "ich weiß nicht, wie oft ich diese Saison schlechter war. Es ist schon sehr ernüchternd." Im vergangenen Jahr war ihm bei der WM in Oberstdorf auf der Normalschanze der Sieg gelungen.

Im zweiten Durchgang in China gelang Geiger zwar noch eine Steigerung auf 99 Meter, aber viel retten konnte er nicht mehr. "Der zweite hat sich gar nicht so verkehrt angefühlt oben", sagte er im ZDF, "aber es fliegt irgendwie nicht so weg. Woran es genau liegt, weiß ich nicht." Er habe sich nichts vorzuwerfen, sagte Geiger aber auch. Der Satz war wie ein Mantra an diesem Abend, er kam auch von seinen Kollegen: von Markus Eisenbichler, der als 31. den zweiten Durchgang verpasst hatte, von Constantin Schmid als bestem Deutschen auf Rang elf und von Stefan Leyhe auf Platz 24. "So was passiert mal, da braucht man sich nicht reinsteigern", sagte Eisenbichler. Man merkte, dass sie möglichst bald mit dieser kleinen Schanze abschließen wollten.

Was genau mit ihr nicht stimmt, wüssten sie selber gerne. Trainingssprung um Trainingssprung ging es für Geiger einfach nicht voran, Platz neun in der Qualifikation war schon das höchste der Gefühle gewesen. "Dass von sechs Sprüngen überhaupt keiner gelingt, obwohl ich eigentlich gut in Form war, fuchst mich unglaublich", sagte er, schaltete aber schnell in den Kampfmodus, er wollte ja diese Olympia-Medaille. "Das wird jetzt eben eine Herausforderung", sagte er.

"Es hätte ein Wunder hergemusst", sagt Bundestrainer Horngacher

Die war es dann auch aufgrund der Bedingungen an diesem Abend. Im Laufe des Wettbewerbs wurde die Anlaufluke immer weiter nach unten gesetzt. Wer zuerst sprang, konnte auf höhere Geschwindigkeiten kommen, um einen vernünftigen Sprung aufzubauen, was sich auf einer kleineren Schanze sehr bemerkbar macht. Die Punkte konnten das kaum ausgleichen, auch Halvor Egner Granerud und Marius Lindvik aus Norwegen - Nummer drei und vier im Weltcup - erlebten einen frustrierenden Abend. Der Einzige, der davon wieder unbeeindruckt sein Können zeigte, war Kobayashi: Mit Sprüngen auf 104,5 und 99,5 Meter holte er sich ein weiteres Schmuckstück für seinen Trophäenschrank ab.

Während Katharina Althaus am Samstag über Silber jubeln konnte, ist die Stimmung im deutschen Männer-Team nun eine ganz andere als noch vor vier Jahren: Da hatte Andreas Wellinger mit dem Olympiasieg von der Normalschanze für ausgelassene Stunden im deutschen Haus gesorgt. "Das Fazit ist nicht gut, weil wir nicht um die Medaille mitgesprungen sind", sagte Bundestrainer Stefan Horngacher nun in Zhangjiakou, "das war ein bisschen absehbar. Es hätte ein Wunder hergemusst."

Der Prachtbau, der die Schanzen umgibt, soll im Design an einen chinesischen Talisman erinnern - und Glück werden die Deutschen schon am Montag brauchen. Das Mixed-Team-Springen steht an, Deutschland hatte zuletzt vier Mal in Serie den WM-Titel gewonnen, doch die jüngsten Erfahrungen müssen erstmal verdaut werden. Nominiert wurden Selina Freitag, Althaus, Geiger - und Constantin Schmid statt Eisenbichler. "Es scheint, dass er hier fast am besten zurechtkommt", sagte Horngacher. Auf jeden Fall hatte Schmid auch das Zitat des Tages parat: Das Springen mit vollem Risiko wie am Samstag sei "ein bisschen wie mit Kryptowährungen: Entweder schießt es nach oben oder nach unten".

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