Ski Alpin bei Olympia:Bezwungen vom Mentalmonster

Ski Alpin bei Olympia: Die große Überraschung bleibt (noch) aus: Simon Jocher wird bei seiner Olympia-Premiere 13. im Super-G.

Die große Überraschung bleibt (noch) aus: Simon Jocher wird bei seiner Olympia-Premiere 13. im Super-G.

(Foto: Sean M. Haffey/Getty Images)

Die deutschen Schnellfahrer beenden ihre Winterspiele mit einem verbesserten Auftritt beim Super-G. Für die große Überraschung reicht es diesmal nicht - auch, weil der Österreicher Matthias Mayer Historisches schafft.

Von Johannes Knuth

Die Besten waren bereits im Ziel, zumindest was die Wetten der Buchmacher betraf, aber die große Überraschung, beschlossen die deutschen Skirennfahrer, stand erst noch bevor. Denn jetzt war noch ihr Kollege Simon Jocher an der Reihe. Der 25-Jährige hatte die Besten in diesem Winter schon ein paar Mal ins Schwitzen gebracht, auf der Abfahrt in Gröden war er Achter geworden, was ihm sein bislang bestes Ergebnis im Weltcup und ein paar wohlwollende Rezensionen seiner Vorgesetzten einbrachte.

Jung, technisch top geschult, "total gut zu führen", "kein Spleen", sagte der deutsche Alpin-Vorstand Wolfgang Maier damals. Ein 25-Jähriger, der oft fünf bis zehn Jahre älter wirkt, sobald er sich die Skier anschnallt. Der es mag, wenn es schwer wird, und viel schwerer als dieser tückisch ausgeflaggte Super-G von Yanqing wird wohl nichts mehr werden in diesem Winter.

Jocher, das spürte man dann allerdings rasch, brauchte ein paar Fahrsekunden, ehe er seine Nervosität abgestreift hatte. Das reichte schon, um "meinen ganzen Rückstand" zu kassieren, räumte er später ein. So zogen die Deutschen am Ende achtbar, aber auch etwas unentschieden aus der zweiten Speed-Entscheidung dieser Spiele. Romed Baumann auf Rang sieben, Andreas Sander auf acht, Josef Ferstl 18., Jocher, der für den verletzten Dominik Schwaiger aufgerückt war, schließlich auf Platz 13.

"Das war ned ganz schlecht", sagte Baumann; "ein Schritt in die richtige Richtung", befand Cheftrainer Christian Schwaige. Mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass das Programm dieser Spiele für seine Speed-Experten keine weiteren Termine bereithält; mit Ausnahme von Jocher, der am Donnerstag die Kombination bestreiten wird. Was fängt man mit solch einer Bilanz an?

Nach der Abfahrt ist der Cheftrainer der Deutschen schwer genervt

Wer schnell bergab will, muss immer wieder einen Hügel an Arbeit erklimmen, und für die DSV-Abfahrer war dieser Berg in diesem Winter noch ein bisschen steiler als sonst. "Wir haben gerade keinen Mayermatthias", sagte Schwaiger mit Blick auf den Österreicher, der am Dienstag das dritte Gold bei seinen dritten Spielen gewann und damit einen Rekord bei den Männern in die Annalen hämmerte.

Wobei: Sie haben schon einen, aber der Dreßenthomas, ihr Kitzbühel-Sieger von 2018, tastet sich nach einjähriger Ski-Auszeit und einer Knorpel-Operation erst wieder in den Skifahreralltag zurück. Und Dreßens Kollegen, erinnerte Schwaiger am Dienstag, hatten schon immer einen etwas längeren Anlauf zum Erfolg benötigt: erst die saubere Technik, dann ein paar Erfolge in der Saison sammeln, langsam einen Teppich an Überzeugung knüpfen, "dass wir Überraschungen schaffen können", sagte Schwaiger.

Ski Alpin bei Olympia: Starke Fahrt - bis auf einen "tödlichen" Fehler: Romed Baumann ist mit Rang sieben im Super-G nur bedingt zufrieden.

Starke Fahrt - bis auf einen "tödlichen" Fehler: Romed Baumann ist mit Rang sieben im Super-G nur bedingt zufrieden.

(Foto: Alex Pantling/Getty Images)

Wenn man zuletzt die Ergebnislisten auswertete, die offiziellen Depeschen und auch den Flurfunk vernahm, ahnte man, dass dieses Unterfangen in Peking ein diffiziles werden würde. Nach der Abfahrt war der Cheftrainer trotzdem schwer genervt - in den Kurven sei man im Vergleich mit der absoluten Weltklasse derzeit nicht konkurrenzfähig, "weil wir da nicht genug attackieren", sagte er. Am Dienstag, nachdem es bei der abendlichen Unterredung gescheppert hatte, spürte er schon größere Lust bei seinen Fahrern, ins Risiko zu gehen.

Vor allem Baumann habe "auf jeden Fall versucht, Rennen zu gewinnen. Für des samma angereist", befand Schwaiger, die Zeiten des Wiederaufbaus sind ja schon lange vorbei. Dass die größten Hoffnungen in Peking nicht ganz zur Realität gerannen, lag auch daran, dass es Baumann am Dienstag bei der Ausfahrt des Steilhangs "das Heck ausdrehte", wie dieser sagte, sodass er zehn Stundenkilometer auf der folgenden Gleitpassage einbüßte. Ein "tödliches" Malheur, befand der Pilot. Und nun?

Im DSV sei man jetzt halt "ein bisschen betrübt"

"Es gibt immer Nationen, die haben ein Jahr mal einen Hänger", beendete Schwaiger seine erste Anamnese: Bei der WM vor einem Jahr "waren wir die lachenden Gesichter", als Sander und Baumann jeweils Silber gewannen. Diesmal lachten die Österreicher, auch die Amerikaner (Silber für Ryan Cochran-Siegle) und Norwegen, deren Topfavorit Aleksander Aamodt Kilde zumindest Bronze gewann. Im DSV sei man jetzt halt "ein bisschen betrübt", sagte Schwaiger, was sich schnell wieder wenden könne.

"Aber wir dürfen auch nicht glauben: Wenn der Thomas wiederkommt, dann geht's von alleine. Wir müssen uns auch mal hinsitzen und analysieren: Warum sind wir eigentlich so langsam?" Wo man sonst alles ausgereizt habe in den vergangenen Jahren: mit einem kleinen, feinen Technologiezentrum, optimierten Ski-Anzügen, optimierten Unteranzügen, Langlauftraining in der Ski-Halle, um die Starttechnik zu verbessern, bis zum Finish-Belag beim Wachsen.

Ski Alpin bei Olympia: Neun Olympia-Starts, vier Medaillen, drei Siege: Matthias Mayer ist ein Fahrer für die großen Momente.

Neun Olympia-Starts, vier Medaillen, drei Siege: Matthias Mayer ist ein Fahrer für die großen Momente.

(Foto: Alex Pantling/Getty Images)

Eine Antwort stand am Dienstag auf dem Siegerpodium. Wenn die Hauptgewinne verteilt werden, sagte Baumann über seinen einstigen Teamkollegen, sei Mayer "mental a Monster". Einer, der nicht "viele Siege auf dem Dach" hat, dafür die wichtigen, wie Beat Feuz, der neue Olympiasieger in der Abfahrt, vor zwei Jahren anmerkte, als Mayer ihm in Kitzbühel mal wieder einen wichtigen Sieg weggeschnappt hatte.

Einer, der seine Antworten meist mit einem "Jo, eh" anfängt und einem "Jo, warum ned?" beschließt. Der sein Glück nicht in Siegen bemisst, sondern darin, dass es ihm und seiner Familie gut geht. Der bis heute in Afritz in Kärnten wohnt, wo seine Familie einst Flüchtlinge aufnahm. Dessen Fanklub nicht stumpfsinnig feiernd durch den Weltcup zieht, sondern soziale Projekte unterstützt. Kurzum: der den Sport wichtig, aber nicht zu wichtig nimmt und vielleicht gerade deshalb sehr genau weiß, was er zu tun hat. Und der sich am Dienstag auch nicht davon irritieren ließ, dass er am Start fast die Zeitnahme zu früh auslöste, dann eine Fahrt aus einem Guss aufführte und im unteren Teil ein bisschen Anschubhilfe vom Wind mitnahm, wie er mutmaßte.

Andererseits: Warum auch ned?

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