Ski Alpin bei Olympia:Vierter, Vierter, Siebter, Achter

Ski Alpin bei Olympia: Ein Fehler zu viel: Linus Straßer auf dem Weg zu Rang sieben im Olympia-Slalom von Yanqing.

Ein Fehler zu viel: Linus Straßer auf dem Weg zu Rang sieben im Olympia-Slalom von Yanqing.

(Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Die deutschen Skirennfahrer verpassen in Peking die erhofften Einzelmedaillen knapp - ganz anders als bei der erfolgreichen WM vor einem Jahr. Die Coolness führen diesmal andere vor.

Von Johannes Knuth

Vielleicht lag es ja doch am Prosecco-Dealer, der die Reise nach Peking nicht mitgemacht hatte? Ein Betreuer aus dem Medizinstab der deutschen Skirennfahrer, der im Nebenjob mit Perlweinen handelt, war in seiner Rolle als Verkostungsexperte jedenfalls noch sehr gefragt gewesen, als die deutschen Alpinen vor einem Jahr bei den Weltmeisterschaften in Cortina d'Ampezzo aufschlugen. Romed Baumann riss damals im Super-G der Männer gleich die Silbermedaille an sich, im Hotel orchestrierten sie spontan einen Sektempfang. Das alles bürgte zwar nicht dafür, dass das Wachs auf den Skiern der Kollegen in den Tagen darauf noch geschmeidiger lief, aber so eine Medaille zum Auftakt hüllt ja auch die Kollegen gerne mal in eine Decke des Wohlgefühls. Ein paar Rennen (und Prosecco-Umtrünke) später hatten sich jedenfalls auch Kira Weidle, Andreas Sander und das Team im Parallel-Event in die Medaillenlisten eingetragen.

"Da haben ja viele gelacht vorher", sagte Wolfgang Maier damals, der deutsche Alpinvorstand, der bei seinen Außenseitern wie immer ein paar Medaillen in Auftrag gegeben hatte. "Aber manchmal", sagte er, "läuft es auch in unserer Richtung." Und jetzt, auf den Olympiapisten von Yanqing?

Platz 13 als bester Ertrag in der Männer-Abfahrt, die Ränge sieben (Baumann) und acht (Andreas Sander) im Super-G, das war zunächst nur bedingt proseccotauglich. Und so ging es in fast allen Rennen weiter. Simon Jocher und Alexander Schmid waren in Kombination und Riesenslalom chancenlos. Lena Dürrs vierter Platz im Slalom, 19 Hundertstelsekunden hinter der Olympiasiegerin, "hat natürlich schon kurz die Moral gebrochen", sagte Maier nun. "Es gibt Großereignisse, die laufen", fügte er an, "und welche, die laufen a bisserl zäh." Das war noch vor der Abfahrt der Frauen und dem Slalom der Männer, dem vierten Platz von Kira Weidle und Rang sieben für Linus Straßer.

Ski Alpin bei Olympia: Mit Stolz und einem weinenden Auge: Linus Straßer hatte sich ein wenig mehr ausgerechnet.

Mit Stolz und einem weinenden Auge: Linus Straßer hatte sich ein wenig mehr ausgerechnet.

(Foto: Jorge Silva/Reuters)

Die Absenz des Prosecco-Fachmanns fiel da natürlich nicht ins Gewicht. Im Grunde hatte sich nun das erfüllt, was sie im DSV zuletzt ein wenig befürchtet hatten. Sie waren wieder mit einer Auswahl nach Peking gereist, die "nicht zwingend medaillenverdächtig" war, wie Maier unlängst sagte. Und wie jede Auswahl in dieser Rolle hoffe man "auf diesen einen Lucky Punch, oder dass es einem gelingt, wirklich ein Maximum seiner Leistungsfähigkeit abzurufen". So oder so ähnlich war es in Cortina ja auch gewesen, nur: Die kleineren und größeren Dinge, die sich damals zu einem Teppich aus glitzernden Momenten verdichteten, blieben diesmal aus, auf unterschiedliche Weise.

Die Schnellfahrer, hatte der DSV-Cheftrainer Christian Schwaiger zuletzt betont, brauchten schon immer einen etwas längeren Anlauf für ihre Erfolge, viel Selbstvertrauen aus guten Resultaten - diese hatten sie in diesem Winter nicht ganz so eifrig gesammelt wie vor einem Jahr. Und einen Fahrer, der auch mit kurzem Anlauf einen weiten Satz landen kann, wie der Abfahrts-Olympiasieger Beat Feuz, haben sie derzeit nur im Krankenstand: Thomas Dreßen robbt sich nach der nächsten Knie-Operation erst wieder ans erneute Comeback heran. Die Kollegen wollten es zuletzt dann auch manchmal ein wenig zu sehr erzwingen, wie Romed Baumann zuletzt gestand, oder hatten am Ballast der Erwartungen zu tragen, den sie sich nach der Cortina-WM auferlegt hatten. "Da müssen wir über die Bücher gehen und die Rückstände, die letztes Jahr geringer waren, aufholen", sagte Maier nun.

Manchmal reicht selbst einer der besten Läufe des Lebens nicht für eine Medaille

Dürr und Weidle wiederum hatten in Peking wenig falsch gemacht. Weidle hing am Ende höchstens der Makel an, dass sie ihre flüssigen Trainingsleistungen nicht ganz in die Hauptvorstellung des Rennens übertragen hatte. Und Dürr lernte auf die härteste Tour kennen, dass selbst einer der "besten Slaloms ihres Lebens" (Maier) manchmal nicht mit einer Medaille entlohnt wird. Auch die junge Emma Aicher, 18, überzeugte mit zwei verdienstvollen Läufen im Slalom und im Riesenslalom; Alexander Schmid dagegen schied mit bester Teilzeit schon früh im Riesenslalom aus. Da wolle er auch nicht über die grenzwertigen Wetterbedingungen sinnieren, so Maier: "Wir haben da nicht so performt, wie wir es uns vorgestellt haben."

Und Straßer? Der hatte sich in einem enorm ausgeglichenen Feld an Mitbewerbern im Grunde so clever bewegt wie in den vergangenen Rennen, von denen er die Peking-Generalprobe sogar gewonnen hatte: Nun federte er flüssig durch den ersten Lauf, frei vom kopflosen Risiko, das ihn früher oft bessere Resultate gekostet hatte. Platz fünf. Doch die Aufholjagd im zweiten Lauf blieb diesmal aus. Er habe sich "einen Fehler zu viel" genehmigt, fand Straßer, 0,23 Sekunden fehlten auf den Bronzeplatz des Norwegers Sebastian Foss-Solevaag. So ziehe er "mit einem weinenden Auge" davon, sagte Straßer, sei aber "absolut stolz" auf seine "gute Leistung". Eine Chance bleibt ihm und seinen Kollegen aus dem Technik-Ressort noch, am Samstag im Team-Event.

Ski Alpin bei Olympia: Langsames Kennenlernen: Der Franzose Clement Noel mit seiner ersten Goldmedaille.

Langsames Kennenlernen: Der Franzose Clement Noel mit seiner ersten Goldmedaille.

(Foto: Jorge Silva/Reuters)

Wenn man bis dahin etwas Verbindendes suchen wollte, fand man vielleicht das: Den letzten Schuss an Mentalität, mit denen die Besten in Yanqing ihre Läufe würzten, führten die Deutschen meist nicht im Sortiment. Diese Haltung, die ihr Alpinvorstand zuletzt so umrissen hatte: "Ich brenne da runter, ist mir wurscht, was da los ist."

Diese Coolness führten diesmal andere vor: Der Franzose Clement Noel, der sich nun, im zweiten Lauf in Yanqing, offenbar daran erinnerte, dass er der schnellste Slalomfahrer im Feld ist - und von Platz sechs zum Olympiasieg preschte. Oder auch der Österreicher Johannes Strolz, der vor der Saison für eine Weile alle Kaderprivilegien verlor, sich bis heute die Skier selbst präpariert, die Spiele nun mit zwei Medaillen verlässt: Gold in der Kombination und Silber im Slalom - 34 Jahre, nachdem Vater Hubert in Calgary Gold und Silber in Kombination und Riesenslalom gewann.

"Total verrückt", fand Strolz. In jedem Fall: schwer proseccoverdächtig.

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