Süddeutsche Zeitung

Sport und Politik:Russland und China haben Olympia längst gekapert

Für die Großmächte sind die Olympischen Spiele eine wunderbare Möglichkeit zur großen Propagandashow nach innen - und eine Kulisse für die Weltpolitik der beiden Nationen.

Kommentar von Johannes Aumüller

Die Winterspiele von Peking haben vor zwei Wochen nicht mit der Eröffnungsfeier begonnen. Sie begannen ein paar Stunden zuvor. Da kamen in der chinesischen Kapitale zwei der mächtigsten Staatenlenker der Welt mit ihren Delegationen zusammen: der chinesische Staatschef Xi Jinping und der russische Präsident Wladimir Putin. Es ging um die Unterzeichnung eines Gas-Abkommens, aber vor allem um eine gemeinsame Positionierung, gegen eine Erweiterung der Nato, gegen den Westen. Es war die Bekräftigung eines Autokratien-Bündnisses, und das ganz bewusst auf der Bühne der Olympischen Spiele.

Es lässt sich inzwischen kaum noch ertragen, wenn Vertreter des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ständig ihre Unfug-These vom "politisch neutralen" Sport und den "politisch neutralen Spielen" in die Welt senden. Da ist man dann fast schon dankbar, wenn es mal zu so entlarvenden Momenten kommt wie am Donnerstag, als die Sprecherin des chinesischen Organisationskomitees bei der täglichen IOC-Pressekonferenz mal eben den politischen Vollgas-Hebel einschaltete. Die (gut belegten) Berichte über Zwangsarbeit und Lager für die uigurische Minderheit im Land seien "Lügen". Und das eigenständige, demokratische Taiwan sei "ein untrennbarer Teil" Chinas, was "weltweit anerkannt" sei; es gebe "nur ein China in der Welt".

Diese angeblich unpolitischen Spiele, sie sind längst gekapert. Seit anderthalb Jahrzehnten gehören sie Russland und China, und es ist natürlich kein Zufall, dass die beiden Staaten grundsätzlich gut zur olympischen Bewegung passen, wie auch ihre Anführer Xi und Putin zum IOC-Präsidenten Thomas Bach. Autoritäre Gebilde, bei denen jeweils der eine starke Mann vorwegmarschiert. Demokratische Gepflogenheiten? Allenfalls zum Schein.

Russland droht der Ukraine, China droht Taiwan

Aber für Russland und China sind Olympische Spiele nicht nur eine wunderbare Möglichkeit zur großen Propagandashow nach innen, meisterhaft inszeniert schon bei den Sommerspielen von Peking 2008, bei der winterlichen Schwarzmeersause von Sotschi 2014 oder nun wieder. Sie sind auch die Kulisse für jene Weltpolitik, die die beiden Großmächte gerade betreiben wollen.

Bereits zum dritten Mal binnen 14 Jahren militarisiert Putin just die Zeit der Spiele, die nach dem antiken Verständnis doch mal ein Moment der Waffenruhe waren. 2008 eskalierte am Tag der Eröffnungsfeier die Auseinandersetzung mit Georgien, es kam zum Kaukasuskrieg. 2014 begann quasi parallel mit der Schlussfeier der Sotschi-Spiele die völkerrechtswidrige Annektierung der Krim. Und diesmal werden die Spiele seit dem Tag der Eröffnungsfeier von den neuerlichen Aggressionen Russlands gegenüber der Ukraine überschattet, und von den täglichen diplomatischen Gipfeltreffen zum Konflikt.

Und China? Peking hat Taiwan schon oft und offen mit "drastischen Maßnahmen" gedroht. Taiwan fürchtet sich vor einem baldigen Überfall. Umso beklemmender ist es da, wenn mitten in der olympischen Blase solche Sätze im Sinne der chinesischen Staatspropaganda fallen - fallen dürfen. Wenn das IOC als Hüter der angeblich politisch neutralen Spiele dies also einfach so hinnimmt.

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