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Olympia:Ronald Rauhe: "Die hektischsten Tage meiner Karriere"

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Potsdam (dpa) - Hals über Kopf raus aus Spanien, irre Odyssee im Trainingslager - eine optimale Olympia-Vorbereitung sieht anders aus. Kanu-Olympiasieger Ronald Rauhe spricht daher von den "hektischsten Tagen, die ich in meiner Karriere erlebt habe."

Eine Woche lang sei das Training der deutschen Kajak-Spezialisten am spanischen Stützpunkt trotz der Ängste um das Sars-Cov-2-Virus noch normal verlaufen. "Dann aber sickerte am Freitag durch, dass Spanien den Notstand verhängt", berichtete der 38 Jahre alte Potsdamer der Deutschen Presse-Agentur von der Hektik, die plötzlich ausbrach.

Zunächst wurden eilig Flüge ab Sonntag von Sevilla gebucht. Aber die Ereignisse überschlugen sich, als die Nachricht kam, dass die 16 Deutschen bis Mitternacht das Land verlassen müssen. Schließlich hätte der Notstand in Sevilla häuslichen Arrest mit sich gebracht. "Alles musste rasant schnell gehen, denn unser neuer Flug sollte vom portugiesischen Faro - rund 200 Kilometer entfernt von Sevilla - gehen. Vorher mussten ja die Boote verladen werden. Ich glaube, so schnell habe ich noch nie meinen Koffer gepackt", sagte der je 16-malige Welt- und Europameister.

Der nächste Schock war, "dass Mietwagen nicht mehr das Land verlassen durften. Also haben wir mit fünf Taxis in einer Kolonne mitten in der Nacht die Grenze überquert", erzählte Rauhe über die dramatische Odyssee, die schließlich mit der Rückkehr am frühen Samstagmorgen von Faro über München glückte.

Nach den Stresstagen ist wieder etwas Ruhe eingekehrt, doch Rauhe denkt mit ungutem Gefühl an die kommenden Trainingstage. "Das Ziel Olympia verschwimmt immer mehr", gibt er zu. Noch hat das IOC nicht entschieden, ob die Spiele ab 24. Juli in Tokio starten können. Und selbst wenn, der Weg dahin ist völlig unklar.

Die erste Olympia-Qualifikation in Duisburg am 4./5. April ist abgesagt, die zweite kurz nach Ostern wackelt kräftig. Und auch die Austragung der eminent wichtigen Weltcups im Mai in Racice und Duisburg steht in den Sternen. "Vier Jahre habe ich dafür gearbeitet, meine sechsten Olympischen Spiele zu erleben. Das ist gerade eine sehr schwierige Situation für uns alle", unterstrich Rauhe, der seit 2015 mit Olympiasiegerin Fanny Fischer verheiratet ist.

"Ich traue mich echt nicht, derzeit ein Urteil zu Olympia abzugeben. Ich hoffe darauf, dass die Probleme um das Virus genauso schnell wieder verschwinden, wie sie gekommen sind", sagte der Potsdamer. Klar ist, mit der Absage von Olympia würde "etwas zusammenbrechen. Das wäre nur schwer zu verkraften."

An seinem Trainingsdomizil am Potsdamer Luftschiffhafen sind viele Anlagen geschlossen. "Nur die rund 15 Olympia-Kader dürfen überhaupt rein", berichtete er. Daher hofft er jetzt auf das angedachte "Team-D"-Trainingszentrum in Kienbaum bei Berlin. Eine Art Quarantäne-Camp, das Sportler und Trainer dann wochenlang nicht verlassen dürften. Der DOSB verspricht sich damit trotz der drastischen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus eine vernünftige Vorbereitung der Athleten auf Tokio.

"Im Moment ist noch völlig offen, wann es startet und wie das alles unter den Bedingungen des Coronavirus geregelt wird", sagte Rauhe. Er selbst ist zwiegespalten, ob er sich in das dann so abgeschottete Leistungszentrum begeben würde. "Ich muss mir erst einmal anhören, welche Möglichkeiten es gibt. Ich kann aber meine Frau in dieser schwierigen Situation auch nicht wochenlang mit zwei kleinen Kindern allein lassen", sagte der 38 Jahre alte Familienvater. Seine Söhne Til und Leo sind fünf beziehungsweise drei Jahre alt. "Ich muss mich dann entscheiden", weiß er.

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