Süddeutsche Zeitung

Rodeln bei Olympia:Alle vier Jahre sind die Tobis da

Tobias Wendl und Tobias Arlt, bekannt als Wendl-Arlt, sind Olympiasieger - zum dritten Mal im Doppelsitzer, zum fünften Mal insgesamt. Das Duo, das sich seit Jugendjahren kennt, schafft es, stets zum Höhepunkt unschlagbar zu sein.

Von Volker Kreisl

Sie gehen oftmals ein bisschen unter in der olympischen Hektik, zwischen den Helden der Einzelrodler, dem Teamwettkampf und später der Bob-Wettkämpfe im Eiskanal. Dabei sind die wuchtig wirkenden Doppelsitzer auf ihre Weise auch filigrane Spezialisten, die an den Lenkseilen eine noch höhere Kunst vorführen. Und erst recht also bei den Spielen in Peking, wo das olympische Rodeln auf einem unrhythmischen Kurs stattfindet, der in einer Extra-Hürde namens Kurve 13 mündet.

Umso größer war abermals die Kunst, die die besten Doppelsitzer nun auch im Finale vorführten. Ihr Metier ist speziell, genauso wie die Athleten selber, die diesen Sport lernen wollen. Sie sind verwurzelt im Milieu, nicht selten sind sie seit Jugendjahren befreundet, denn sie müssen sich blind verstehen. Wie etwa Tobias Wendl und Tobias Arlt, fast auf den Tag genau gleichaltrig, und zwar 34. Am Mittwoch haben sie in Peking ihren dritten Doppelsitzersieg bei Olympia eingefahren, wenn auch knapp. 99 Tausendstel lagen sie vor ihren Nationalteamkollegen, den Thüringern Toni Eggert und Sascha Benecken. Die Bronzemedaille gewann das Duo aus Österreich, Thomas Steu und Lorenz Koller.

Die beiden Tobis, seit zirka zehn Jahren als Wendl-Arlt bekannt, haben ihre Klasse immer verfeinert, weshalb sie anders als die meisten in diesem schweren Kanal gut durchgekommen waren. Das zu schaffen, gelang bislang nicht jedem, selbst hochklassige Einzel-Rodlerinnen und -Rodler hatten gebremst, waren quer gerutscht, oder kippten ganz um. Doch sind Einzelschlitten vergleichsweise flach und steuerbar wie Rennwägen, die Doppelsitzer indes haben einen hohen Schwerpunkt wie ein Lastwagen oder, wie die Fahrer selber sagen, wie ein Omnibus. "Wer uns kennt, der weiß, dass wir Kämpfer und Beißer sind", sagte der obere Busfahrer Wendl im ZDF: "Zum Höhepunkt alle vier Jahre kann man mit uns rechnen, und so war es jetzt wieder."

Wendl und Arlt haben wie auch Eggert-Benecken diese Fertigkeiten lange auf diversen Bahnen trainiert, sie beherrschen die Konkurrenz im Wechsel seit Jahren, mal die einen, mal die anderen, jedoch, wenn die Spiele anstehen, waren die Bayern immer vorne. Bereits vor vier Jahren, in Pyeongchang, hatten die beiden Thüringer im Weltcup geführt, dann kamen die Spiele näher, die ersten Läufe in der olympischen Bahn, und Wendl-Arlt schlüpften in ihre Top-Form.

So etwas gelingt über kluges Training und weitsichtige Saisonplanung, und, nicht zuletzt mit einem unerschütterlichen Selbstvertrauen. Damit hatten die beiden Oberbayern auch schon die Bahn von Sotschi 2014 beherrscht, und sie lotsten das Gefährt nun auch zweimal ohne Lackschaden durch die 13. Der Schlüssel dazu ist natürlich kluges Lenken, im Doppel eine hohe Kunst, denn beteiligt ist jeder der beiden - Wendl, der schwere Vordermann, und auch Arlt, der leichte Hintermann, im Rodeln auch zärtlich Rucksack genannt. Wendl lenkt am meisten, weil er die Bahn sieht, Arlt lenkt blind, weil er nur den Himmel oder das Bahndach vor Augen hat. Wendl macht die Feinarbeit, Arlt erledigt die einfacheren, grundlegenden Lenkeinsätze, die er nach langer Erfahrung instinktiv spürt.

Gemeinsam haben sie nun wieder zum wichtigsten Zeitpunkt die beste Linie durch den Kurven-Dschungel gefunden.

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