Olympia:Rebensburgs Operation Gold

Viktoria Rebensburg

Freut sich auf ihren ersten Auftritt in Pyeongchang: Ski-Rennläuferin Viktoria Rebensburg.

(Foto: dpa)

Von Johannes Knuth, Pyeongchang

Die Delikatesse sah eigentlich ganz lecker aus. "Das waren so kleine frittierte Stäbchen, wir wussten nicht so recht was das ist", erinnert sich Viktoria Rebensburg. Sie war vor einem Jahr mit dem deutschen Abfahrtsteam unterwegs, die Testrennen in Jeongseon standen an, auf der olympischen Schnelltrasse in Südkorea. Rebensburg probierte also diese kleinen frittierten Stäbchen. Sie erwartete etwas Vegetarisches. Stattdessen schmeckte das Frittierte doch recht verdächtig nach Fisch. "Und plötzlich", sagt Rebensburg, "haben mich gefühlt Tausend Augen von meinem Teller aus angeschaut. Boah."

Die 28-Jährige ist in diesen Tagen nach Südkorea zurückgekehrt, die Olympischen Winterspiele sind gerade angebrochen, und diesmal vertraut Rebensburg lieber der westlichen Küche im Athletendorf. Bloß keine kulinarischen Unfälle riskieren, schon gar nicht vor dem ersten Auftritt.

Die Spiele beginnen gleich mit ihrer Leib- und Magendisziplin, dem Riesenslalom am Montag. Weil die Organisatoren diesmal nur eine Abfahrtspiste in die Landschaft planiert haben und diese in der ersten Woche von den Männern belegt ist. Olympia und Rebensburg, das war jedenfalls immer eine erfüllte Beziehung. Vor acht Jahren gewann sie in Vancouver im Riesenslalom, sie war damals 20 und hatte noch nie ein Weltcuprennen auf ihre Seite gezerrt. In Sotschi holte sie dann Bronze, obwohl sie im Winter zuvor ständig krank gewesen war. Nun, bei ihrer dritten Ringe-Exkursion, steckt sie in einer neuen Rolle: Die Athletin vom SC Kreuth ist in Pyeongchang favorisiert, sehr sogar. Wie das nun mal so ist, wenn man zwei erste und drei zweite Plätze aus den ersten sieben Rennen des Winters trägt.

In der aktuellen Verfassung lässt sich die Favoritenrolle nicht leugnen

Rebensburg kennt ihre erste Bürgerpflicht als Favoritin: Bloß nicht die Favoritin raushängen lassen. So denkt sie ohnehin nicht. "Auch wenn es banal klingt: Ich gehe da ran wie an jedes andere Rennen auch", sagt sie. Sie kann freilich auch ein paar Argumente dafür geltend machen, dass sie nicht eindeutig favorisiert ist: "Wenn man sich heuer den Riesenslalom anschaut und die Ausgänge der Rennen - es war immer ein Kampf, es war teilweise richtig eng." Die ersten Sieben der Welt sind dicht beisammen, "wenn Eine einen guten Tag hat und zwei Läufe raushaut, kann alles passieren", glaubt Rebensburg. Also, weiter im Handbuch für mentale Ertüchtigung: "Ich konzentrier mich nicht auf irgendwelche Ergebnisse, ich will so Skifahren, wie ich es die letzten Wochen gemacht habe."

Rebensburg weiß natürlich: Wenn sie so Ski fährt wie in den letzten Wochen, wird sich eine Topplatzierung nur schwer vermeiden lassen.

Nicht, dass das überraschend kommt. Rebensburg hat im Sommer die Umfänge im Krafttraining und auf Schnee erhöht, sie hat bei den internationalen Mitbewerbern im Training hospitiert. Und sie hat ab dem vergangenen September vor allem den Riesenslalom eingeübt. "Ihr liebstes Kind", sagt Jürgen Graller, Rebensburgs Cheftrainer. Wenn es im Riesenslalom gut geht, das ist seit einer Weile der Leitgedanke, wird es auch in den schnellen Wettbewerben schon klappen. Rebensburg gewann im aktuellen Winter dann die ersten zwei Riesenslaloms der Saison, "ich glaube, ich habe vieles richtig gemacht in der Vorbereitung", sagt sie, mit Recht. Es ging dann ein bisschen rauf und runter, sie stürzte im Super-G in Val d'Isère (und wurde kurz darauf 14. im Riesenslalom in Courchevel). Vor dem Riesentorlauf in Kranjska Gorja war sie schon infektgeschwächt, sie wurde dann Elfte.

Aber sonst? Fand sie sich immer auf dem Podest ein. "Sie braucht einfach 100 Prozent, um ihre Leistung zu bringen. Wenn sie die nicht hat, fährt sie wie in Kranjska", sagt Graller, er meint: aufrecht, verunsichert, mit längerem Kurvenradius. "Sie ist keine, die sich 40 Tore durchschummelt, sie hat keine Alibi-Lösung", weiß Graller. Aber das macht derzeit nichts. "Wenn wir alle sieben Zwetschgen beisammen haben, sind wir top." Und jetzt?

Mit Premierensiegen bei Olympia kennt Rebensburg sich aus

Gold zu erwarten, wäre vermessen, dafür ist die Weltspitze doch zu gut. Tessa Worley etwa, die geschäftsführende Weltmeisterin, die starken Italienerinnen, oder Mikaela Shiffrin, die in der Gesamtwertung im Weltcup längst enteilt ist. Und die ihre Formdelle der letzten Wochen ausgebeult hat, wie die Amerikanerin am Samstag versicherte. Rebensburg war Shiffrin in den Riesenslaloms freilich meist überlegen, der kalte, aggressive Schnee in Pyeongchang kommt ihr auch entgegen. Der Zeitplan ist ein weiterer Vorteil; Rebensburg kann sich zunächst ihrer Lieblingsdisziplin widmen, anstatt mit den schnellen Wettbewerben zu beginnen und nebenbei den Riesenslalom vorzubereiten, wie es das Programm der vergangenen Großereignisse erforderte.

Und in der zweiten alpinen Woche, im Speed, liegt eine zweite große Chance. Eigentlich. Eigentlich, sagt Graller, sei Rebensburg außerordentlich befähigt für den Super-G, in dem Riesenslalom und Abfahrt verschmelzen. "Sie kann schnööö fahren (Österreichisch für schnell, Anm. d. Red), und sie ist technisch gut. Also eigentlich: Disziplin Rebensburg." Mit dem Super-G pflege Rebensburg nur leider eine "Hassliebe", findet Graller. Weil ihr der Riesenslalom doch wichtiger ist. Der Super-G in Val d'Isère hätte der Wendepunkt sein können, dann stürze Rebensburg. "Egal, der Ball kommt irgendwann mal wieder zurück", sagt Graller. Vielleicht ja in Pyeongchang. Premierensiege bei Olympia, damit kennt Rebensburg sich aus.

"Da müsste viel passieren, dass ich nach Peking rüberfliege"

Es wird wohl auch ihre letzte olympische Chance sein, bis 2022 wird sie wohl nicht fahren, sagt sie: "Da müsste viel passieren, dass ich nach Peking rüberfliege." Sie wäre dann 32.

Aber jetzt erst mal Südkorea. Erst der Riesenslalom, dann Super-G und Abfahrt. Und dann, sagt Rebensburg, werde sie vielleicht doch noch ein paar koreanische Spezialitäten probieren.

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