Der Fall Peng Shuai:Thomas Bachs perfide Botschaften

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Auch eine Art Leistung, allerdings eher fraglicher Natur: IOC-Präsident Thomas Bach macht sich in seinen Antworten auf Journalistenfragen die Narrative der chinesischen Propaganda zu eigen. (Foto: Sergei Bobylev/ITAR-TASS/Imago)

Niemand weiß wirklich, wie es Peng Shuai im Dickicht aus Repression und Desinformation ergeht. Der IOC-Präsident tut trotzdem so, als sei alles in Ordnung.

Kommentar von Claudio Catuogno

Von Thomas Bach darf sich die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai keine Unterstützung erwarten. Das hat ihr der deutsche IOC-Präsident auch genauso mitgeteilt, wieder und immer wieder.

Natürlich hat Bach Peng Shuai diese Nachricht nicht persönlich überbracht. Er hat sie nicht im Rahmen jener inszenierten Videoschalten übermittelt, bei denen er sich angeblich von ihrem Wohlbefinden überzeugt hat, und auch nicht bei jenem Abendessen am Samstag in Peking, bei dem sich die beiden laut IOC-Mitteilung "über ihre Erfahrungen als (Ex-)Athleten bei Olympischen Spielen" ausgetauscht haben. Hier ging es um Höflichkeiten, oder besser: um Lächerlichkeiten. Will Peng Shuai nach der Pandemie vielleicht mal die IOC-Zentrale in Lausanne besuchen? Oh ja, das war bestimmt immer ihr größter Traum!

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Die wahre Botschaft an Peng Shuai hat Thomas Bach allerdings dadurch übermittelt, dass er sich in Peking in jedem IOC-Statement und in jeder Antwort auf Journalistenfragen bis ins perfideste Detail die Narrative der chinesischen Propaganda zu eigen macht.

Abgesehen von der körperlichen Unversehrtheit wird wohl niemand so bald erfahren, wie es Peng Shuai wirklich im Alltag ergeht, schon gar nicht derjenige, der sie vom chinesischen Apparat in die Kulisse geschoben oder, wie nun die Zeitung L'Équipe, unter strengen Auflagen für ein Interview zugeführt bekommt.

Am ehesten kann man sich der Frage wohl so nähern, wie es der chinesische Künstler und Dissident Ai Weiwei, der die Repressionen des Apparats schon am eigenen Leib erfuhr, kürzlich im englischen Observer getan hat. "Sie ist in den sehr sicheren Händen der Kommunistischen Partei", sagte Ai Weiwei auf die Frage, wie es Peng Shuai wohl gehe, die Partei werde "dafür sorgen, dass sie sich genau entsprechend der Partei verhält". Alles andere sei dann unausweichlich: "Es gibt keinen Geist mehr für sie. Sie ist eine andere Person geworden, und was immer sie dir sagt, ist nicht wahr."

Man möchte Peng Shuai wünschen, dass ihr weitere Abendessen mit Bach erspart bleiben

Ein IOC-Präsident müsste wenigstens diese Ungewissheit thematisieren. Stattdessen berichtet er brav, Peng Shuai habe ihm versichert, sich "frei bewegen" zu können und "Zeit mit ihrer Familie und Freunden" zu verbringen. Eine unabhängige Untersuchung des im November erhobenen Missbrauchvorwurfs gegen einen ehemaligen Vizepremier? Würde das IOC unterstützen, "wenn Peng Shuai das wünscht", sagt Bach - wissend, dass diese gar keine Möglichkeit hat, so etwas zu wünschen. Bach geht sogar so weit zu verbreiten, sie habe die Vorwürfe ja "zurückgenommen". Es ist damit Bach, der Peng Shuais mutmaßlich erzwungenen Widerruf erst in den Rang einer Wahrheit hebt.

Man möchte Peng Shuai wünschen, dass ihr weitere Abendessen mit Bach erspart bleiben. Dass der Apparat ihr Wohlverhalten zu schätzen weiß und ihr einen halbwegs freien Alltag zugesteht. Man wird den Fall hier und jetzt beerdigen müssen, weil in dem Gestrüpp aus Repression und Desinformation keine weiteren Erkenntnisse möglich sind - man muss das in Peng Shuais Interesse tun.

Aber es wäre nun an den Sportorganisationen, im Umgang mit China mehr Rückgrat zu zeigen als Bachs serviles IOC. Die Frauen-Tour WTA hat alle Turniere in China ausgesetzt, solange es zu Peng Shuai keine "unabhängige Untersuchung" gibt - die es niemals geben wird und kann. Und nun? Wird sich auch die WTA bald auf Bachs Testat berufen, dass in der Sache doch alles wieder ganz okay zu sein scheint?

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