Olympia:Skifahren im Wüstenklima

Die Olympischen Spiele finden 2022 in Peking statt. Kritik kommt dabei vor allem von den Umweltschützern.

Der Skisport wird in China immer populärer.

(Foto: Getty Images)
  • Peking ist die erste Stadt, die sowohl Sommer- als auch Winterspiele ausrichtet.
  • Die Regierung verspricht sich sehr viel davon: Bald schon sollen sich 300 Millionen Menschen auf den Pisten und Eisflächen vergnügen.
  • Die Umweltzerstörung ist beträchtlich, weil in und um Peking Wüstenklima herrscht.

Von Kai Strittmatter, Peking

Man konnte den Seufzer förmlich hören, als Chinas Nachrichtenagentur Xinhua am Sonntag das Erlöschen der olympischen Flamme in Pyeongchang meldete: "Die Olympischen Winterspiele sind nun offiziell in die 'Peking-Zeit' eingetreten." Endlich. Jetzt nur noch nach vorne schauen: 2022 in Peking, allein das zählt. Südkorea wird abgehakt. Es waren keine guten Wochen für China. "Pyeongchang empfing die chinesische Delegation kälter als erwartet", schrieb das Shanghaier Portal The Paper.

Eine Goldmedaille nur. Immerhin gab es die noch am Ende, und Weltrekord dazu: Wu Dajing im Shorttrack der Männer über 500 Meter. Gerade in der Disziplin, in der sie sich so betrogen fühlten durch Schiedsrichterentscheidungen. Mehrmals wurden ihre Läufer wegen der Behinderung von Konkurrenten mit Strafen belegt; am schmerzlichsten für das chinesische Publikum war die Disqualifikation ihrer Frauenstaffel über 3000 Meter. Und dann gewannen dort auch noch die Südkoreanerinnen. Die Staatsmedien hielten sich vergleichsweise zurück mit Entrüstung, man wollte die Stimmung mit Blick auf 2022 nicht allzu sehr verderben.

Im Netz zu Hause brach sich dafür die patriotische Empörung Bahn. "Lumperei", "Scheißtheater", die "schmutzigsten Spiele der olympischen Geschichte", das war so in etwa der Tenor auf Weibo, Chinas Äquivalent zu Twitter. Dass zwischen beiden Ländern auch politisch Eiszeit herrscht seit der Entscheidung Südkoreas 2016, ein US-Raketenabwehrsystem zu installieren, feuerte den Zorn noch an.

Nein, Spaß hatten sie keinen an diesen Spielen. Umso mehr gab sich Chinas Staatspresse am letzten Olympia-Wochenende nun alle Mühe, Vorfreude zu verbreiten auf die Spiele in Peking in vier Jahren. Es wird das erste Mal sein, dass dann eine Stadt Gastgeber sowohl der Sommer- als auch der Winterspiele gewesen ist. Zum ersten Mal auch werden es Winterspiele sein in einer Stadt praktisch ohne Schnee. Als Regisseur ihrer achtminütigen Vorstellung bei der Abschlusszeremonie in Pyeongchang hatte die chinesische Delegation wieder den Kinomeister Zhang Yimou verpflichtet, der schon 2008 der Stadt Peking und seiner Regierung ein perfekt choreografiertes Propagandaspektakel geschenkt hatte. Viel ist nun wieder von den Versprechen Chinas die Rede, auch auf der Website des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) werden diese vollmundig wiederholt. Jenes etwa von der "Nachhaltigkeit" der Spiele, oder jenes vom Internet als "verknüpfendem Band zwischen dem chinesischen Volk und dem Rest der Welt".

Zum Ende des Jahres soll China 700 Ski-Resorts besitzen

Und natürlich jenes Versprechen, das die IOC-Entscheider vielleicht am meisten reizte, als sie die Spiele nach Peking vergaben: das Unterfangen nämlich, den Ski- und Eissportanfänger China in einen riesigen Markt für Wintersport zu verwandeln. Bis zum Ende dieses Jahres schon soll China mehr als 700 Ski-Resorts besitzen, doppelt so viele wie noch vor drei Jahren; zudem wünscht sich Peking 650 Eislaufhallen. Gerade etwa eröffnete das Fulong-Resort in Chongli - knapp vier Autostunden von Peking entfernt - nahe den olympischen Wettkampfstätten: 37 Pisten, umgerechnet fünf Milliarden Dollar Baukosten.

In und um Peking herum gibt es kaum noch Niederschläge

Etwas mehr als zwölf Millionen Skifahrer gibt es mittlerweile in China, aber das reicht der Regierung nicht: 300 Millionen sollen sich in Zukunft auf Chinas Pisten und Eisflächen tummeln. Im Jahr 2025 soll die Wintersportindustrie 160 Milliarden US-Dollar wert sein - fast das Dreifache von heute. Zahlen, die überall sonst auf der Welt verrückt klingen würden, die in China aber fast routinemäßig heruntergebetet werden. Die Entwicklung ist zahlenmäßig jetzt schon vielversprechend. Skifahren ist zwar oft teurer als in Europa, aber schicker Trendsport für die neue Mittelschicht. Im Bauen sind sie ohnehin Weltmeister, Verzögerungen sind in diesem Land keine zu erwarten, auch der zehn Milliarden Dollar teure Hochgeschwindigkeitszug von Peking Richtung Chongli macht Fortschritte, es wird gar einen Bahnhof unterhalb der Großen Mauer geben.

Bei anderen Versprechen ist das heikler, bei jenem mit der Nachhaltigkeit zum Beispiel. Berge und Wälder im Nationalpark Yanqing Songshan werden nun zu Pisten für die alpinen Skirennen umplaniert. Umweltschützer hatten Pekings Bewerbung, die mit "Umweltfreundlichkeit" und "ergiebigen Wasserressourcen" nahe den Sportstätten warb, von Anfang an als Farce gegeißelt. Die Wahrheit ist: Die Wüste Gobi liegt nicht weit weg, es herrscht Wüstenklima. Es gibt praktisch keinen Schnee, weil es kaum Niederschläge gibt. Die Gegend um Peking ist Wassernotstandsgebiet, die Regierung lässt in großem Stil Wasser aus Südchina umleiten, um die Stadt am Leben zu erhalten. Und ausgerechnet in die Olympischen Spiele hinein platzte jetzt die Nachricht, dass die Trockenheit in diesem Jahr so schlimm war wie seit einem halben Jahrhundert nicht: Mittlerweile sind fast 130 Tage ohne Niederschlag vergangen, das gab es zuletzt 1970.

Und das mit dem Internet und der Brücke zwischen den Völkern ist auch so eine Sache, wo Peking gerade daran geht, mit den VPN-Tunneln auch noch die letzte Möglichkeit zu verbieten, wie man die Zensur umgehen kann. Das Internet wird in China gerade endgültig zu einem von der Welt abgekapselten Intranet. Ein wenig erinnert die vollmundige Völkerfreundschafts-Rhetorik an den damaligen IOC-Präsident Jacques Rogge, der vor den Spielen 2008 in Peking prophezeite, es sei "klar", dass die Spiele "viel für die Verbesserung der Menschenrechte" in China tun werden.

Im Pressefreiheit-Index ist China weiter abgerutscht

Hernach stellte die Welt dann fest, dass Peking die Spiele dazu benutzt hatte, den Sicherheitsapparat weiter aufzublähen. Im Gefolge der Spiele überstieg das Budget für Innere Sicherheit erstmals das für die Landesverteidigung. Damals stand China auf dem Pressefreiheit-Index der "Reporter ohne Grenzen" auf Platz 167. Heute steht es auf Platz 176 und ist laut der Organisation das "weltweit führende Gefängnis für Bürgerjournalisten".

Eine offene Debatte gibt es in China zu alldem nicht. Fragt man die Pekinger, dann äußern sich die meisten stolz und voller Vorfreude auf die Rückkehr der Olympioniken in ihre Stadt. Als Wintersportler mögen sie Nachholbedarf haben, als Wintersportveranstalter aber wollen sie vor den Augen der Welt wieder die Größten sein.

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