Olympia und Corona:Spiele mit Sternchen

Olympia und Corona: Erfolg im Weltcup, Pech vor Olympia: die österreichische Spitzenspringerin Marita Kramer.

Erfolg im Weltcup, Pech vor Olympia: die österreichische Spitzenspringerin Marita Kramer.

(Foto: Socher/Eibner/Imago)

Schon vor Beginn der olympischen Wettkämpfe deutet sich an: Corona wird die Medaillen-Vergabe mitbestimmen - wie aktuell durch den Ausfall der überragenden Skispringerin Marita Kramer.

Von Volker Kreisl

Es zählen nicht mehr nur Zeiten, Weiten oder Eleganz. Und die olympische Wettkampfspannung knistert schon vor dem Beginn der Spiele. Die wichtigste Arena ist nun das Corona-Testlabor, den Part des Schiedsrichters übernimmt die Messautomatik, das Spielergebnis steht dann auf dem Handy-Display. Und so, wie der Wintersport bei Wind und Wetter Zufällen ausgesetzt ist, so trifft es die Sportler in der Disziplin Sauber-Bleiben nun auch beliebig und unvorbereitet. Positiv? - Raus.

Immerhin, das Virus ist fair, es macht keinen Unterschied zwischen einem weiter hinten Platzierten und einer Weltcupführenden. So traf es am Mittwoch in Peking den deutschen Eiskunstläufer Nolan Seegert, der damit den Teamevent am Freitag verpassen wird, und zuvor noch in Europa die derzeit weltbeste Skispringerin Marita Kramer. Die Österreicherin hat starke Nerven, sie springt als Letzte der Startliste immer sicher ab und führt die Weltrangliste mit einer gefühlten Meile Vorsprung an. Nun aber fällt Olympia für sie aus, nachdem sie in Willingen nach dem Weltcup-Sieg positiv getestet wurde.

Kramer hätte am kommenden Samstag im olympischen Einzelspringen und danach im Mixed-Wettkampf teilgenommen. Jetzt ist ihr Fall das erste Beispiel dafür, dass diese Olympia-Ausgabe später einmal den Stempel der Sternchen-Spiele aufgedrückt bekommen könnte. Denn anders als bei sonstigen Quarantäne-Fällen zählte Kramer zu den sogenannten "absoluten" Gold-Favoriten. Wer auch immer nun gewinnt, wie auch immer sich das Podium zusammensetzt - Kramers Schatten wird wie die Schatten der Corona-ausgeschlossenen Topathleten anderer Disziplinen über den Ergebnissen hängen und womöglich in den Sportbüchern mit einem Sternchen vermerkt werden. Der Text zum Sternchen: Teil der Weltelite fehlte.

Die weltbesten Langläufer aus Norwegen gerieten in eine Coronawelle

Das hätte vermieden werden können, mit einer Verschiebung dieser Spiele, was aber zum Jahreswechsel verworfen wurde. Nun ist es dafür zu spät, auch wenn am Mittwoch das Thema Spiele-Abbruch aus der Olympia-Blase auftauchte. Brian McCloskey, Leiter der Medizinischen Expertenkommission, erklärte, an einen Stopp denke man noch nicht. Allerdings könnte es eventuell doch dazu kommen, "wenn mehrere Fälle innerhalb der Blase zusammenhängen". Es hängt also nicht nur von einer dichten Gesamtblase ab, sondern auch von der gedachten Einzelblase jedes Teilnehmers, vom gewissenhaften Verhalten aller Zugelassenen.

Olympia und Corona: Rechtzeitig Corona-positiv: Elana Meyers-Taylor (links) könnte trotz Virusinfektion noch an ihren Wettbewerben bei den Winterspielen teilnehmen, wenn sie sich freitesten kann.

Rechtzeitig Corona-positiv: Elana Meyers-Taylor (links) könnte trotz Virusinfektion noch an ihren Wettbewerben bei den Winterspielen teilnehmen, wenn sie sich freitesten kann.

(Foto: Eibner/Memmler/Imago)

Marita Kramer, die nun zu Hause bleiben muss, sagt, sie habe sich an alle Sicherheitsmaßnahmen gehalten und könne den Infektionsweg nicht nachvollziehen. Ähnlich ergeht es Kramers coronapositiver Teamgefährtin Jacqueline Seifriedsberger und weiteren Favoriten und Favoritinnen, die nun zumindest den ersten Teil ihres Peking-Programms verpassen: Manche von Norwegens Besten wie etwa der Skispringer Daniel Andre Tande, auch die wieder mal hoch gehandelten Langläufer.

Deren Potenzial-Schätzung von bis zu 44 Medaillen, davon allein 21 goldene, könnte verfrüht gewesen sein. Denn das norwegische Team war im Trainingslager in Südtirol vergangene Woche wohl in eine örtliche kleine Coronawelle geraten. Erst erwischte es die Mitfavoritin Heidi Weng, zudem eine Teamgefährtin, dann auch noch Olympiasieger Simen Hegstad Krüger. Ob Weng noch genügend Zeit bleibt, sich freizutesten, war zunächst noch unklar, Krüger wird in jedem Fall den Skiathlon, den er bei den Spielen vor vier Jahren gewonnen hatte, zum Auftakt verpassen.

Form halten und Milch abpumpen: US-Bob-Pilotin Meyers-Taylor hat auch seelischen Stress

Durchaus gibt es Schlimmeres, was einer erst 20-jährigen ausgebremsten Olympiafahrerin wie Skispringerin Kramer passieren könnte, schwere Verletzungen etwa. Doch so denken Topsportler nicht, sie fokussieren sich auf die eine große bevorstehende Gelegenheit, und wenn sie einfach wegbricht, dann klingt nur noch Verbitterung durch. "An einem Tag sind alle meine Chancen geplatzt," schrieb Skispringerin Kramer auf Instagram, und nicht ohne zynischen Unterton: "Für alle, die noch ihre Träume jagen, bleibt dran! Diese Möglichkeit zu haben, ist nicht selbstverständlich."

Neben Gewinnern und Pechvögeln dieses olympischen Corona-Lottos findet man noch jene, die dazwischenstehen. Sie sind zwar positiv, aber rechtzeitig-positiv. Zum Beispiel die Weltklasse-Bobfahrerin Elana Meyers Taylor. Sie hatte jeweils Silber bei den Spielen in Sotschi und Pyeongchang gewonnen, wurde nun ebenfalls am Flughafen auf Corona getestet und ins Quarantäne-Hotel eingewiesen. Dort kann sie nun immer wieder darüber nachdenken, ob sie Glück hatte oder Pech.

Glück, weil ihre Wettkämpfe erst in der zweiten Woche liegen und sie sich zuvor vermutlich freitesten kann. Pech, weil sie als Pilotin und Mitanschieberin eines Zweierbobs einen Schnellkraftsport betreibt und in der Quarantäne möglichst keine Muskelkraft einbüßen sollte. Und schließlich auch, weil ihre Situation, alleine im Zimmer zu sein, besonders schwer auszuhalten ist. Meyers Taylor ist Mutter, sie hat ihre Familie dabei, und damit sie sich nicht gegenseitig anstecken, wohnt Nico, ihr noch zu stillendes Baby, beim Vater eine Etage tiefer. Drüber pumpt die Mutter Milch ab und trainiert, um fit zu bleiben, was nichts am momentan für sie Schlimmsten ändert, so Meyers Taylor in der Washington Post: "Von Nico getrennt zu sein."

Meyers Taylor ist wie viele der besten Olympiasportler in guter Form, sie führt, wenn auch knapp, in der aktuellen Weltrangliste. Sie wird nach Ablauf der Quarantäne das Hotel verlassen und dann darangehen, sich noch ihren Traum von einer Olympiamedaille zu erfüllen. Wobei - so sicher ist das ja nicht. Oder was hatte die Skispringerin Marita Kramer über die Medaillen-Aussichten bei diesen Spielen noch allen Favoriten geraten, nachdem ihr Traum geplatzt war? "Bleibt dran! Diese Chance zu haben, ist nicht selbstverständlich."

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