Olympia:Pechstein: Bach muss handeln oder zurücktreten

Claudia Pechstein

Claudia Pechstein wirft IOC-Chef Thomas Bach komplettes Versagen vor, weshalb dieser besser zurücktreten solle.

(Foto: dpa)
  • Claudia Pechstein fordert den Rücktritt von Thomas Bach, weil die chinesische Geherin Liu Hong trotz eines positiven Doping-Tests in Rio starten darf.
  • Den IOC-Chef lässt die Kritik kalt.
  • Der Sportdirektor der deutschen Leichtathleten spricht von einer vertanen Chance, ein "machtvolles Statement gegen Doping" zu setzen.

Claudia Pechstein ist eine Frau der deutlichen Worte. Zuletzt kritisierte sie Thomas Bach wegen seiner Haltung in Fragen eines Komplett-Ausschlusses des russischen Teams bei den Olympischen Spielen in Rio hart. Nun fordert die Eisschnelllauf-Olympiasiegerin auf ihrer Facebook-Seite unter der Überschrift "Die neueste Farce in Herrn Dr. Thomas Bachs erfundenem Märchen vom Kampf für den sauberen Sport" den Rücktritt des IOC-Präsidenten. Es verärgert die Berlinerin, dass die chinesische Geherin Liu Hong trotz eines positiven Dopingtests in Rio über 20 Kilometer starten darf. Die Mitfavoritin war nach einem positiven Test bei der Team-WM am 7. Mai in Rom für nur einen Monat gesperrt worden. Diese Sperre ist am 13. Juli abgelaufen.

"Mir wird total übel, wenn ich - als nachweislich unschuldige Sportlerin, die alles verloren hat - solche Meldungen lese. Sie werden als IOC-Chef auch hier Ihrer Rolle wieder nicht gerecht und lassen alles einfach geschehen", schrieb Pechstein in Richtung Bach. Sie forderte den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees auf: "Entweder Sie greifen durch und regeln das im Sinne der Olympischen Idee und sperren die wirklichen Dopingsünder endlich weg oder Sie übernehmen endlich mal Verantwortung und treten mit sofortiger Wirkung zurück."

Laut Branchendienst insidethegames hatte man bei der 29-jährigen Hong Hinweise auf die Einnahme eines verbotenen Nahrungsergänzungsmittels gefunden. Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada sieht bei Nachweis dieses Mittels allerdings nur eine milde Strafe vor. Der Chinesin war nach zwei vierten Plätzen bei den Olympischen Spielen von Peking und London erst im vergangenen Jahr der Durchbruch gelungen. Zunächst stellte sie Anfang Juni im spanischen La Coruña einen neuen Weltrekord auf, bevor sie zwei Monate später in Peking WM-Gold gewann.

Pechstein findet, man könne keinem sauberen Sportler der Welt zumuten, sich solchen Ungerechtigkeiten und falschen systembedingten Entscheidungen zu unterwerfen und diese wortlos zu akzeptieren. Das von Bach verantwortete System habe "wieder komplett versagt und sorgt dafür, dass sich jeder normale Mensch abwendet", schrieb Pechstein: "Ist Ihnen eigentlich noch klar, was sie tun? Wir Sportler auf der Welt wissen es schon längst nicht mehr."

Das IOC um Thomas Bach dagegen spielt weiterhin auf Zeit. Kritiker arbeiten sich an dem nach außen stoisch wirkenden IOC-Chef ab. Der tut so, als kehre langsam wieder Routine ein, als habe das IOC das Heft des Handels in der Hand. Denn nicht das IOC, sondern die Wada sei ja maßgeblich für das Nominierungschaos rund um das russische Team verantwortlich, betont Bach. Und die Doping-Vorwürfe seien schon länger bekannt gewesen. Bach versichert, dass das IOC natürlich nicht zur Tagesordnung übergehen und mit dem nötigen sachlichen Abstand nach den Rio-Spielen einen eigenen Bericht vorlegen und die nötigen Konsequenzen ziehen werde. Selbstzweifel plagen den IOC-Präsidenten offensichtlich nicht. Dass Bach auf der Hauptversammlung aller IOC-Mitglieder von Dienstag an doch noch rauer Wind aus den eigenen Reihen entgegen weht, ist eher unwahrscheinlich.

Aus Sicht von Thomas Kurschilgen, Sportdirektor des Deutschen Leichtathletikverbands, hat das IOC mit der Entscheidung, das russische Team nicht komplett von Olympia auszuschließen, stattdessen aber der Doping-Informantin Julia Stepanowa ihr Startrecht zu entziehen, die Chance zu "einem machtvollen Statement gegen Doping" vertan. Die Entscheidung sei "ein Kniefall vor den Russen und ein dunkler Tag für die ehrliche Sportwelt", klagte Kurschilgen. Stepanowa müsse die Entscheidung wie eine "billige Brüskierung" vorkommen, wenn Athleten wie US-Sprinter Justin Gatlin oder die kroatische Diskuswerferin Sandra Perkovic, die bereits positiv auf Doping getestet wurden, in Rio um Goldmedaillen kämpfen, meinte Kurschilgen.

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