Olympia:Paralympics sind gefährlich für Thomas Bach

Paralympics 2014 - Team Russland

Die russischen Athleten bei der Schlussfeier der Paralympics 2014 in Sotschi.

(Foto: dpa)

Das Internationale Paralympische Komitee schließt alle russischen Athleten aus - und ist damit mutiger als der IOC-Präsident. Der erwähnt die Paralympics nicht einmal mehr.

Kommentar von René Hofmann

Als 2008 die Sommerspiele in Peking zu Ende gingen, sagte der damalige IOC-Präsident Jacques Rogge in seiner Rede auf der Abschlussfeier: "Lasst uns alle, jetzt, da wir den Erfolg dieser Spiele feiern, den begabten Athleten alles Gute wünschen, die bald zu den Paralympischen Spielen antreten werden. Auch sie inspirieren uns."

Zwei Jahre später, zum Ende der Winterspiele in Vancouver, dankte Rogge den Kanadiern für ihre herzliche Gastfreundschaft und sagte vorausblickend: "In zwei Wochen werden die bemerkenswerten Athleten der Paralympischen Spiele euren Enthusiasmus und eure Unterstützung erleben können. Feuert sie an!"

2012, zum Ende der Spiele in London, fand der Belgier die Formel: "Ihr habt der Welt das Beste an britischer Gastfreundschaft gezeigt. Ich weiß, dass dieser Geist und diese Großzügigkeit sich fortsetzen werden, wenn wir bald das Talent und die Leidenschaft der Paralympischen Athleten bestaunen werden." Im vollbesetzten Olympia-Stadion brach daraufhin Jubel aus.

Der IOC-Präsident erwähnt die Paralympics in seiner Rede mit keinem Wort

Die Spiele in London waren die letzten Sommerspiele unter Jacques Rogge. Seit September 2013 hat das Internationale Olympische Komitee einen neuen Präsidenten: den einstigen Fechter Thomas Bach. Die Spiele in Rio de Janeiro waren die erste Sommerausgabe, bei der er die Schlussformeln sprach. Bach bedankte sich bei den Gastgebern. Bach erklärte die Spiele für beendet. Bach rief die Jugend der Welt auf, sich in vier Jahren wieder zum sportlichen Wettstreit zu versammeln - dann in Tokio.

Vieles war wie so oft. Eines aber fehlte: Mit keiner Silbe erwähnte der 62-Jährige, dass da demnächst doch noch ein großes Sportfest stattfindet in derselben Stadt. Am 7. September sollen die Paralympischen Spiele beginnen, für die elf Wettkampftage geplant sind. Auch in der - außerordentlich ausführlichen - Rede von Carlos Nuzman, dem Chef des Organisationskomitees von Rio 2016, fehlte der Hinweis. Ob das Zufall war? Wohl kaum.

Bachs seltsame Rechtfertigung

Die Paralympics bergen für beide Sprengstoff. Weil Geld für ihre Organisation fehlt, sind Fragen aufgekommen, ob Rio 2016 Mittel, die für die Wettkämpfe der Menschen mit Handicap gedacht waren, ausgegeben hat, um Olympia über die Ziellinie zu retten. Für die Organisation, der Nuzman vorsteht, ist das Thema damit fast so heikel wie für die, an deren Spitze Bach thront. Dessen Nichtausschluss Russlands von den Rio-Spielen nach der Enthüllung des Staatsdoping-Systems in dem Land provozierte viel Kritik.

Zur Rechtfertigung zog Bach sich auf den Standpunkt zurück, eine Kollektivstrafe sei immer ungerecht und formaljuristisch falsch. Das Internationale Paralympische Komitee IPC belegte das Gegenteil. Seine Position wurde vom Internationalen Sportgerichtshof Cas, den auch das IOC anerkennt, an diesem Dienstag als formaljuristisch korrekt beurteilt.

Die Paralympics trauen sich etwas

Das IPC habe andere Strukturen als das IOC, in diesen sei es leichter, einen solch drastischen Schritt zu vollziehen: Das hatte einer von Bachs Sprechern in Rio in den vergangenen Wochen mehrmals mantraartig betont. Für die öffentliche Wahrnehmung aber spielt das kaum eine Rolle. Dort kommt vor allem eine Botschaft an: Man kann Zeichen setzen gegen Betrüger. Wenn man denn will.

Die Herren über die Paralympics haben sich das getraut, was zu begrüßen ist. Welche Auswirkungen das langfristig für sie und ihre Spiele hat, wird spannend zu beobachten sein. Denn noch eines betonte Bachs Sprecher in Rio mehr als einmal: "Ohne die Olympischen Spiele könnten die Paralympischen überhaupt nicht stattfinden." Wer wollte, konnte das als Drohung verstehen.

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