Olympia:Olympische Fernsehspiele

Olympia: Schöne Bilder, schöner Schein: Olympia war mehr TV-Event als prägende Institution für Südkorea.

Schöne Bilder, schöner Schein: Olympia war mehr TV-Event als prägende Institution für Südkorea.

(Foto: AFP)
  • Olympia geht zu Ende und es bleibt der Eindruck, dass Südkorea als Gastgeber zwar bemüht war, aber nicht immer begeisterungsfähig.
  • Einige Sportarten fanden beinahe ohne Zuschauer statt.
  • Das liegt daran, dass vieles für den europäischen Fernsehmarkt gemacht war, nicht aber für die Zuschauer aus dem Gastgeberland.

Von Saskia Aleythe, Pyeongchang

Im Nachthimmel stand Soohorang. Das Maskottchen leuchtete in Hunderten Punkten herab, dann bildete sich ein Herzrahmen darum, schließlich winkte die Lichtgestalt auch noch den Athleten, die gerade zur ihrer Abschlussfeier dieser Olympischen Spiele einmarschiert waren. Ein Gruß, so faszinierend wie liebevoll.

Es ist einer der letzten Momente, die die deutschen Sportler nun mit nach Hause nehmen werden von diesen Spielen, einer von vielen schönen. Nur einmal Schlafen lag zwischen der Eröffnungsfeier und der ersten deutschen Medaille. Am 05. Februar: Thomas Bach spricht, die olympische Flamme lodert im Stadion auf, am 06. Februar: Laura Dahlmeier gewinnt Gold. Skispringer Andreas Wellinger auch, es folgten viele viele Rodler, viele viele Nordisch Kombinierte, dann auch noch ein Gold im Eiskunstlauf, was so manche Herzen berührte, die sich vorher noch nie für Pirouetten auf Kufen erwärmen konnten. Es gab nur einen einzigen Tag ohne deutsche Medaille, zum Finale stand schließlich eine deutsche Eishockey-Mannschaft im Endspiel - das hatte es noch nie gegeben.

Als Kapitän Christian Ehrhoff am Sonntagabend in Pyeongchang als Fahnenträger ins Stadion marschierte, tat er das als frisch gekürter Silber-Gewinner - erst vier Stunden vorher hatte er seine Medaille im benachbarten Gangneung um den Hals gehängt bekommen. Duschen, Umziehen, Weiterfahren. Fähnchen wedeln. 31 Medaillen, 14 in Gold, zehn in Silber, sieben in Bronze. Noch nie war eine deutsche Mannschaft bei Olympia erfolgreicher. Knapp hinter Norwegen schloss Team D die Spiele auf Rang zwei im Medaillenspiegel ab - dass 2014 in Sotschi die Doping-belasteten Russen erfolgreichste Nation waren, geriet angesichts dieser Medaillenflut beinahe in Vergessenheit.

Pyeongchang 2018, das ragt auf den Straßenseiten der Gastgeber wie der Hollywood-Schriftzug heraus und es waren ja auch herausragende Spiele, die auslösen konnten, wovon die Sportler auch bei ihren Siegen immer erzählen: diesen Moment, als Kind im Fernsehen jemandem in totaler Euphorie zugeschaut zu haben, mit dem Entschluss, es auch mal zum Olympiasieger schaffen zu wollen. Weil damals lange vor 2018, als Aljona Savchenko und Bruno Massot nach einem Patzer am Vortag doch noch Gold eroberten, eine Leidenschaft ihren Anfang nahm.

Und darin liegt auch die Eigenart dieser Spiele: Es waren Olympische Fernsehspiele. Die Athleten haben alles für Olympia gemacht, aber Olympia war nicht für sie gedacht.

Die deutschen Sportler haben sich gegenseitig an ihrem Erfolg berauscht, bei 31 Medaillen verlassen mindestens 31 Sportler diese Spiele mit positiven Gedanken, sie haben zusammen die Bühne im deutschen Haus belagert - Biathleten, Skispringer, Rodler. Aber: Biathleten, die bei minus 14 Grad durch ein Stadion kreiseln, Skispringer, die nach Mitternacht erst zum Goldsprung ansetzen und Eiskunstläufer, die morgens um sechs zum Üben in die Eishalle gehen, weil um zehn Uhr ihre Bestleistung gefragt ist - das sind Umstände, die sich nicht am Athleten orientieren, der Athlet musste sich den Umständen beugen, die das Internationale Olympische Komitee diktiert.

Gold vor 50 Zuschauern

Olympia war am Bildschirm optimal, weil für die beliebtesten Sportarten in Europa niemand nachts aus der Koje krabbeln musste, der US-amerikanische Eis-und Alpin-Fan bekam seinen Sport zum Kaffee serviert. Das beschert den Rechteinhabern für TV-Lizenzen prima Quoten und das Internationale Olympische Komitee kann wieder Milliarden Dollar bei der nächsten Ausschreibung verdienen. Doch es bescherte den Sportlern vor Ort oft leere Tribünen, Olympiasiege vor 50 Leuten. Wovon man als TV-Zuschauer auch nur bedingt etwas mitbekam, weil die Kamera dann halt schön hereinzoomte.

Die mangelnde Begeisterung kann man aber einem am wenigsten vorwerfen: dem Südkoreaner. Die Menschen im Gastgeberland lieben Shorttrack, sie kommen zum Shorttrack. Sie kommen zum Rodeln, sie kommen auch zum Eisschnelllauf, es sind die Sportarten, die ihnen liegen. Sie sind keine Skination, wer soll sich dann um 21.30 Uhr an eine entlegene Skisprungschanze verirren? Der Gastgeber war fleißig, freundlich, gut organisiert, er hat alles für Olympia gemacht. Aber Olympia war nicht für ihn gedacht.

Schöne Bilder mussten entstehen und so ehrte Thomas Bach persönlich am Sonntagabend noch die letzten Athleten, verteilte Medaillen über 50 Kilometer Langlauf. Und als die finnische Hymne für den Olympiasieger Iivo Niskanen lief, war die Fahne von zwei Olympiafahnen eingerahmt: Silber und Bronze gingen an zwei "Olympische Athleten aus Russland". Am liebsten hätte das IOC das russische Komitee schon mit dieser Schlussfeier wieder zugelassen, das wäre ganz im Sinne von Thomas Bach gewesen, der ja auch fand, dass diese Olympischen Spiele Nord- und Südkorea auf wundersame Weise wieder zusammengeführt hatten. Zwei Dopingfälle russischer Athleten bei diesen Spielen kamen ihm leider dazwischen.

Soohorang winkte also noch ein bisschen in diesen Nachthimmel zum Abschied, die Feuerwerke explodierten massenweise. Und wenn die letzten Kameras abgebaut sind, will das IOC schon wieder entscheiden: Sollte sich kein neuerlicher Dopingfall aus diesen Spielen ergeben haben, wird Russland wieder zur Olympia-Nation erklärt. Womöglich schon in der kommenden Woche.

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