Olympia 2016:Olympia am Zuckerhut

Mit Rio de Janeiro wird 2016 erstmals eine Stadt Südamerikas Austragungsort der Olympischen Spiele. Chicago scheitert trotz der Fürsprache von US-Präsident Barack Obama als erste der vier Bewerberstädte.

Die 121. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hat am Freitagabend in Kopenhagen die Stadt an der Copacabana zum Sieger im Vierkampf um die Olympischen Spiele 2016 gekürt. Zugleich schmetterten das IOC den Versuch von Chicago und US-Präsident Barack Obama ab, das bedeutenste Sportfest zum fünften Mal in die USA zu holen. Selbst die Fünf-Stunden-Blitzvisite des charismatischen Präsidenten brachte Chicago am Ende nicht den gewünschten Erfolg - sensationell blieb der Mitfavorit bereits im ersten Wahlgang auf der Strecke.

"Heute ist ein heiliger Tag für mich. Rio hat gewonnen, weil es Herz und Seele hat und die Einwohner liebenswürdig und großzügig sind", sagte Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva überglücklich in einer ersten Reaktion. Derweil tanzte die Delegation Rios durch das Foyer des Kongresszentrums und schwenkte übermütig zwei brasilianische Flaggen.

Mit dem Votum für Rio hat das IOC die olympische Welt um Südamerika erweitert und dafür gesorgt, dass Brasilien mit der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und den Sommerspielen nun innerhalb von zwei Jahren Gastgeber der beiden bedeutensten Sportveranstaltungen ist. Vorgänger für eine solch außergewöhnliche Belastung waren bisher Mexiko (1968/1970), Deutschland (1972/1974) und USA (1994/1996).

Als IOC-Präsident Jacques Rogge den Gewiner der Milliardenspiele um 18.50 Uhr proklamierte, wollte der brasilianische Jubel im riesigen Kongresszentrum von Kopenhagen kein Ende finden. Rio setzte sich im entscheidenden dritten Wahlgang gegen Madrid durch. Nach Chicago war Außenseiter Tokio im zweiten Durchgang ausgeschieden. Kurz nachdem Rio das Rennen gemacht hatte, bejubelten an der Copacabana vor riesigen Leinwänden mehr als 100 000 Menschen den Olympiasieg im fünften Anlauf.

Brasilien mit den besseren Argumenten

Einen regelrechten Schock löste die Top News vom Ausscheiden Chicagos in der US-Metropole aus. Tausende Menschen, die sich schon am Morgen auf dem Daley-Square eingefunden hatten, um dort auf die Nachricht aus Kopenhagen zu warten und zu feiern, reagierten zunächst mit ungläubigem Schweigen, dann mit einem lauten Seufzen. "Das ist unfassbar. Chicago wäre ideal gewesen", sagte A.D. Frazier, einer der leitenden Organisatoren der Olympischen Spiele in Atlanta 1996.

Der mächtigste Mann der Welt musste nicht mehr vor Ort miterleben, dass sein Einfluss zumindest bei den olympischen Sportfunktionären begrenzt ist. Obama war längst auf dem Rückflug nach Amerika, an Bord der Air Force One wollte er sich über das IOC-Votum informieren lassen.

Der Stargast aus dem Weißen Haus hatte in Kopenhagen alles gegeben: 20 Minuten posierte er für Erinnerungsfotos. Aber selbst das Händeschütteln mit fast 50 IOC-Mitgliedern zahlte sich nicht aus. Dennoch zeigte sich der US-Präsident als fairer Verlierer und gratulierte den Brasilianern: "Das ist ein wirklich historisches Ereignis, da dies die ersten Spiele in Südamerika sein werden."

Wie zum Trost für das eigene Volk fügte er hinzu: "Eines der der wertvollsten Dinge im Sport ist die Tatsache, dass man ein großartiges Match spielen und doch nicht gewinnen kann. Und deshalb könnte ich nicht stolzer auf meine Heimatstadt sein, auch wenn ich wünschte, wir wären mit besseren Neuigkeiten aus Kopenhagen zurückgekehrt."

Olympische Spiele in seiner Heimatstadt Chicago würden "das beste Amerika zeigen. Ein weltoffenes Land, in dem sich die Besucher aus aller Welt willkommen fühlen" würden, hatte der US-Präsident vor der Entscheidung des IOC in einer neunminütigen Rede gesagt. Es gehe darum, das "Bild von Amerika wieder herzustellen". Doch dieses Argument war nicht stark genug, um das Duell mit Brasiliens Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva zu gewinnen. "Es ist Zeit, das Ungleichgewicht zu beenden. Die Spiele gehören allen Kontinenten", betonte Lula.

Ein getilgter weißer Fleck

Eindrucksvoll illustrierte Rio diese Forderung durch eine Weltkarte, auf der verzeichnet war: 30 Sommer- und Winterspiele in Europa, 12 in Nordamerika und zwei in Ozeanien - aber null in Südamerika und Afrika. "Das ist ein großer Schritt für die Universalität der olympischen Bewegung, ein weißer Fleck auf der olympischen Landkarte ist getilgt. Rio hat seine Bewerbung mit einer guten Mischung aus Emotion und Kompetenz dargestellt", sagte IOC-Vizepräsident Thomas Bach.

Der Sieg zeichnete sich bereits in der Präsentation vor den 104 IOC-Mitgliedern ab. Die Olympier feierten Rio de Janeiros emotionalen Vorstellung mit einer Ovation und vertrauten in ihrer Mehrheit auch der Verheißung, die Spiele trotz der Doppelbelastung mit der Fußball-WM zu einem glanzvollen Höhepunkt zu machen. Chicago erhielt mit seiner zurückhaltenden, eher durchschnittlichen Vorstellung nicht viel mehr als Höflichkeitsbeifall und wurde sogar noch von Tokio und Madrid übertroffen, deren Ministerpräsidenten Yukio Hatoyama und Jose Luis Zapatero sich trotz der Kompaktbewerbungen beider Metropolen nicht als Stimmenfänger erwiesen.

Die Traumstadt unter dem Zuckerhut will 14 Milliarden Dollar in Infrastrukur und Wettkampfstätten investieren. Sechs Kreuzfahrtschiffe sollen die Hotelknappheit lösen helfen und für 8000 Gäste Platz schaffen. Eröffnungs- und Schlussfeier sollen am 5. und 21. August im legenderen Maracana-Stadion steigen. Lula hat den IOC-Mitgliedern versprochen: "Es werden unvergessliche Spiele. Sie werden Ihre Entscheidung nicht bereuen."

Münchens Chancens steigen

Nach dem Olympia-Zuschlag für 2016 an Rio de Janeiro sieht Münchens Oberbürgermeister Christian Ude die deutsche Bewerbung um die Winterspiele 2018 gut im Rennen. "Mit der Entscheidung des IOC, die Sommerspiele 2016 nach Südamerika zu vergeben, hat die Münchner Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2018 alle Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss", erklärte Ude am Freitagabend. Zusammen mit Königssee und der Ski-Region Garmisch-Partenkirchen sei München "bestens aufgestellt, um als erste Stadt weltweit nach Olympischen Sommerspielen auch die Winterspiele ausrichten zu dürfen".

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