Olympia:Norwegischer Erfolgsrausch mit 6000 Asthma-Dosen

Cross Country - PyeongChang 2018 Olympic Games, Daegwallyeong-Myeon, Korea - 18 Feb 2018

Her mit den Insignien des Triumphs: Langläufer Johannes Hösflot Kläbo schnappt sich schon mal die norwegische Fahne, später dann auch noch eine Goldmedaille.

(Foto: Jeon Heon-Kyun/EPA)
  • Bereits vor dem Ende der Olympischen Spiele von Pyeongchang hat das norwegische Team seinen Medaillenrekord von Lillehammer und Sotschi überboten.
  • Allerdings haben die Norweger für 121 Sportler 6000 Asthma-Dosen mit nach Südkorea gebracht.
  • Das muss nicht verboten sein, unumstritten ist der flächendeckende Gebrauch von Asthma-Mitteln im Ausdauersport aber auch nicht.

Von Saskia Aleythe, Pyeongchang

Es war nicht schwer, sich vorzustellen, wie die Norweger ihre Freizeit im olympischen Dorf verbringen. Martin Johnsrud Sundby hat das am Mittwoch beschrieben, mit Johannes Hösflot Kläbo saß er im Pressezelt neben der Langlauf-Arena, sie hatten gerade Gold im Teamsprint gewonnen und dann sprach der Langläufer vom "amazing drive", der die ganze Truppe aus Norwegen in Südkorea erfasst habe. "Wir sind sehr nah mit den Biathleten untergebracht", sagte Sundby, "jeder will dem anderen zeigen, dass er auch Medaillen gewinnen kann." Und so machen sie dann Sprüche im Dorf, flachsen, ziehen sich auf, fahren los zu ihren Wettkämpfen - und gewinnen einfach mal 33 Medaillen in zwölf Tagen.

Allein an diesem Mittwoch eroberten sie im Langlauf wieder zwei Medaillen, neben den Männern waren auch die Frauen erfolgreich: Marit Björgen lief im Teamsprint mit Maiken Caspersen Falla zu Bronze. Am Ende des Tages hatten die norwegischen Wintersportler die Deutschen im Medaillenspiegel auch bei der Zahl von Goldmedaillen überholt. Sogar im Eisschnelllauf schnappten die Männer den favorisierten Niederländern den Olympiasieg weg.

Eine Annäherung an die Beantwortung der Frage, warum in Team Norwegen der Erfolgsrausch ausgebrochen ist, lieferte eine Beobachtung von der Mixed-Staffel der Biathleten am Dienstagabend. Der Wettbewerb war vor vier Jahren zum ersten Mal olympisch, er ist in der Szene mittlerweile anerkannt, bei Norwegern sowieso: Die zwei Männer und zwei Frauen, die der Trainer an den Start geschickt hatte, hatten in Pyeongchang alle bereits Medaillen gewonnen. Das konnte kein anderes Team aufbieten. Als sie dann durch die Arena kreiselten, leisteten sie sich eine Strafrunde und elf Nachlader - was sie auf der Loipe aber wieder wettmachten. Trotz Mängeln am Schießstand holten sie noch Silber. Und dann diese Langläufer: Teamsprint-Bronze war für Björgen die dritte Medaille in Pyeongchang, ihre 14. olympische insgesamt - mehr hat in der Geschichte kein anderer Wintersportler, auch wenn Ole Einar Björndalen eine goldene mehr in seiner Sammlung hat als die 37-Jährige.

Langlauf ist in Norwegen Nationalsport, klar, sie lernen das ja fast schon, bevor sie aufrecht gehen können. Wobei es dann schon einen Unterschied zwischen richtigem Langlauf und Solala-Langlauf gibt. Als Björgen mit ihrem Sport begann, war sie noch auf die Sprintdisziplinen spezialisiert, womit man in Norwegen nicht gerade zum Sporthelden aufsteigt. "Du musst die lange Distanz gewinnen, um akzeptiert zu werden", hat sie mal gesagt. Das Training dafür hat sie auf sich genommen, was ihr auch schon Medaillen über 30 Kilometer beschert hat.

Die Ausbeute sei "etwas unwirklich"

"Wir sind in einer sehr glücklichen Situation. Vieles läuft einfach gut", sagt Tore Övrebö, Chef de Mission der Norweger. 30 Medaillen hatte man sich erhofft, bei 26 lag die Höchstleistung von Lillehammer 1994 und Sotschi 2014. Skiverbandspräsident Erik Roeste fand die Ausbeute in Pyeongchang nun gar "etwas unwirklich". Das dachte sich auch so mancher bei den 6000 Asthma-Dosen, die die Norweger mit nach Südkorea gebracht haben. Für 121 Sportler.

Asthmamittel sind im internationalen Spitzensport weit verbreitet

Tatsächlich sind Asthmamittel im internationalen Spitzensport weit verbreitet, ihre Benutzung ist mit medizinischer Ausnahmegenehmigung erlaubt, aber trotzdem nicht unumstritten. Bei Marit Björgen fällt einem eine Szene von Vancouver 2010 ein. "Marit weiß genau, dass sie ohne ihre Hilfsmittel nicht viel zu bieten hätte", sagte die Polin Justyna Kowalczyk, das erregte Aufsehen: Im Gegensatz zu Björgen hatte sie selbst schon mal eine Sperre erhalten wegen des Wirkstofffs Glukokortikosteroid, angeblich in einem Schmerzmittel enthalten.

Als Björgen vor einem Jahr in Lahti zur erfolgreichsten WM-Langläuferin aufstieg, widmete sie eine Medaille ihrer Teamkollegin Therese Johaug, die derzeit wegen einer Dopingsperre fehlt: Im Oktober 2016 war sie auf das Steroid Clostebol positiv getestet worden, das in einer Lippen-Creme enthalten war, mit recht auffälligem Hinweis auf der Verpackung. Das war ein bemerkenswertes Bekenntnis zu einer Kollegin, die zumindest fahrlässig mit verbotenen Substanzen umgeht. Auch Martin Johnsrud Sundby, der neben dem Teamsprint-Gold in Pyeongchang im Skiathlon Silber und Gold mit der Staffel gewonnen hat, war schon einmal mit einer zweimonatigen Sperre belegt worden. Er hatte die Obergrenze für ein Asthmamittel überschritten und musste im Sommer 2016 zwei Monate pausieren.

Die Norweger feiern in Pyeongchang im deutschen Haus

Von dem "amazing drive" seiner Athleten in Pyeongchang überzeugte sich auch Prinz Haakon von Norwegen, er schaute zum Beispiel bei den Goldgewinnern im Langlauf, Biathlon und bei der Abfahrt vorbei. Mit sechs Medaillen ist der Bereich Ski alpin aktuell der zweitbeste, vor Biathlon und Skispringen mit jeweils fünf. Nur eines haben die Norweger in Pyeongchang nicht: Ein eigenes Haus zum Feiern, weshalb die Skispringer nach ihrem Gold im Teamspringen das deutsche Haus belagerten. Da kann man sich ja auch über die ein oder andere Erfahrung auf dem Podest austauschen.

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