Olympia 2010: Nach dem tödlichen Unfall:Versuchung gegen Vernunft

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Mehr Geschwindigkeit, mehr Risiko: Die Konstruktion der Bob- und Rodelbahn ist ein Beispiel für eine gefährliche Entwicklung im Sport. Die Verantwortlichen müssen umdenken.

Volker Kreisl

Es sollte ein besonderer Eiskanal werden. Einer, in dem hohes Tempo und anspruchsvolle Kurveneinfahrten jene belohnen, die die wahre Kunst des Rodelns beherrschen. Eine neue Generation von Rodelbahnen sollte entstehen, Wettkampfstätten sollten es sein, die Rodeln als Temporausch erleben lässt und die den Gästen die Faszination des äußerst schwierigen und schnellen Sports nahebringt.

Rodlerin Tatjana Hüfner auf der Bahn, die stellvertretend für eine gefährliche Entwicklung im Sport steht. (Foto: Foto: ddp)

Mit der neuen Generation wird es nichts, in der Rekordbahn ist ein Mensch gestorben, mit großer Wahrscheinlichkeit auch wegen des hohen Tempos. Unterstellt man, dass niemand absichtlich die geplante Höchstgeschwindigkeit von 137 Stundenkilometern frisiert hat, dann haben sich Konstrukteure, Verbände und das Olympiaorganisationskomitee Vanoc zumindest verschätzt.

Die einen waren offenbar so überzeugt von ihrem Entwurf, dass sie Materialentwicklung und athletischen Fortschritt außer Acht ließen, weshalb Bahnen ja immer etwas schneller werden als konzipiert. Und die Verbände schritten nicht rechtzeitig ein, nahmen die Bahn ab und erklärten sie als grenzwertig, aber sicher. Den größten Konstruktionsfehler, die Falle in Kurve 12 und 13, konnte man entschärfen, am hohen Tempo änderte das nichts.

Hinter der Idee von Whistler stand Fortschrittsdenken für einen Sport, der größer und attraktiver werden will. Aber man hat dabei die Schwächeren vernachlässigt. Könner wie die Deutschen, die Österreicher oder die Nordamerikaner, die von Kindesbeinen an rodeln oder Bob fahren, fühlen sich vielleicht herausgefordert wie ein Rennfahrer von einem schnellen Auto. Die Amateure aus den umworbenen kleineren Nationen aber haben am Start ein flaues Gefühl und zum Teil einfach auch Angst. Die Australierin Hannah Campbell-Pegg fragte sich laut, ob die Rodelgemeinde aus Lemmingen oder Crash-Test-Dummys bestehe.

Die falsche Entwicklung von Whistler steht stellvertretend für viele Wintersportarten, in denen das Risiko ein Bestandteil der Show ist und das Tempo ewige Versuchung bleibt. Die FIL hat das erkannt und will bei Neubauten fortan zur Vernunft zurückkehren. Das ist der richtige Weg, wahre Größe hätten die Funktionäre aber zeigen können, wenn sie zugegeben hätten, dass diese Bahn zu schnell geraten ist, und dass die Schuld nicht nur bei dem Verunglückten und seinem Fahrfehler liegt. Stattdessen beharrten die Verantwortlichen bis zum Schluss darauf, dass diese Bahn sicher sei.

Darüber kann nun noch zwei Wochen lang gestritten werden, fest steht aber, dass die Bahn von Whistler in die Geschichte eingehen wird. Nicht als wegweisender Hochgeschwindigkeitskurs, sondern als Fehlschlag.

© SZ vom 15.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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