Olympia-Kolumne „La Glosse“:Liebe auf den zweiten Blick

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Stets bemützt: Phryge, das Maskottchen der Olympischen Spiele von Paris, stellt eine historische französische Kopfbedeckung dar. (Foto: Stephanie Lecocq/Reuters)

Das Maskottchen Phryge wurde bei seiner Vorstellung verspottet. Höchste Zeit für eine Entschuldigung.

Kolumne von Saskia Aleythe, Paris

Die Mütze fährt Jetski, die Mütze liegt am Strand, und das ist etwas, worum man das Maskottchen dieser Olympischen Spiele tatsächlich beneiden muss. Eben noch beim Reiten in Versailles, dann schon bei den Surfern auf Tahiti, das bleibt auch für die reiselustigsten aller Olympiareporter ein unerfüllter Traum. Aber Phryge, so der Name, hat auch schwere Zeiten durchgemacht: Als das Maskottchen im November 2022 der Welt präsentiert wurde, geriet die Olympia-Fanszene in Aufruhr. Dackel, Biber, Braunbären, Tiger oder Pandas hat die olympische Welt schon gesehen und umjubelt, auch menschenähnliche Kreaturen wie Miraitowa vor drei Jahren in Tokio. Aber eine Mütze?

Was nun in Paris passiert, ist Liebe auf den zweiten Blick. Phryge soll Freiheit symbolisieren und an traditionelle Kopfbedeckungen der Historie erinnern, so viel zum Hintergrund. Die Bewegungsfreiheit des Maskottchens ist allerdings etwas eingeschränkt. Die ausladende Hüfte macht große Stunts unmöglich – und Phryge damit zum entspanntesten Maskottchen seit Langem. Mal wackelt es zwei Schritte vor, zwei Schritte zurück, winkt ein bisschen ins Publikum, sonst hält es sich vornehm zurück. Kein Schäkern mit den Sportlern, kein Aufdrängen bei Siegerfotos, so was hat Phryge gar nicht nötig. Natürlich gibt es die Mütze auch – nun ja – als Mütze, und nicht wenige Franzosen haben dafür sogar ihren Plüschhahn vom Kopf genommen.

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Bei Olympia ist alles eine Spur härter – auch der Wettbewerb, der für alle Besucher offen ist: Im Shoppen kann jeder Erster und Erste sein, der offizielle Merchandise-Laden ist der Kampfplatz.

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Phryge steht und sitzt hauptsächlich, und zwar immer gut ausgerüstet an den richtigen Stellen. Bei der Eröffnungsfeier im rosa Kleidchen, bei der Medaillenjagd von Léon Marchand mit Schwimmbrille unweit des Beckenrandes, aber vor allem jeden Abend in doppelter Ausführung im französischen Fernsehen, einfach mitten im Publikum. Warum auch nicht? Spätestens jetzt wäre eine Entschuldigung fällig, ein amerikanischer Journalist hatte Phryge einst den Titel des schlechtesten Maskottchens verliehen, als Nachfolger von Izzy 1996 in Atlanta. Izzy war ein blauer Punkt auf Beinen, den der Erfinder der „Simpsons“ damals als eine missglückte Kreuzung zwischen dem Pillsbury Doughboy – dem Knack & Back-Teigmännchen – und der hässlichsten Rosine Kaliforniens bezeichnet hatte.

Phryges größte Stärke offenbart sich allerdings am Grabbeltisch im offiziellen Fanshop dieser Spiele, da liegt auch die Mützen-Ausgabe der Paralympischen Spiele gleich daneben. Sie sieht genauso aus, nur ein stilisiertes Karbonbein unterscheidet die beiden. Der Unterschied ist so klein, dass er kaum auffällt, es ist eine schöne Umsetzung des inklusiven Gedankens. Sind doch die Sportler vereint in ihren Träumen, Kämpfen und Entbehrungen – egal ob mit oder ohne Prothesen.

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