Olympische Nebendarsteller:Lächeln gehört zur Grundausstattung

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Ohne die fleißigen und stets freundlichen Volunteers wären die Olympischen Spiele in Paris nicht dieselben gewesen. (Foto: Agustin Marcarian/Reuters)

Ohne Sportler wären Olympische Spiele nur halb so schön, klar, aber es gab in Paris noch allerhand andere, ohne die es nicht gegangen wäre. Ein paar Eindrücke von den olympischen Nebendarstellern.

Von SZ-Autoren

Das Wichtigste bei Olympischen Spielen? Natürlich die Athleten! Gut, vielleicht nicht jene armen Freiwasserschwimmer, die sich in der Seine böse Bakterieninfektionen geholt haben, aber zumindest alle anderen. Die Athletinnen und Athleten sind die Hauptdarsteller – aber auch ein paar Nebendarsteller haben in Paris zum gelungenen Gesamtbild der Spiele beigetragen. Eine Würdigung des Kleinen im Großen.

Der Maskottchenfotograf

Viertelfinals bei den Boxern, in der Kampfarena Paris Nord steht das einer phrygische Mütze nachempfundene Olympiamaskottchen, die Leute lieben es, natürlich wollen sie sich mit dem Maskottchen fotografieren lassen. Mit diesem besonders gern: Es bewegt sich, ein Mensch steckt da drin. Und weil sie in Paris wirklich an (fast) alles gedacht haben, um schöne Bilder entstehen zu lassen, steht beim Maskottchen in der Boxhalle auch ein Mann. Er ist, unter all den Bildermachern bei Olympia, der Bildermacher mit dem engsten Draht zum Publikum, denn er ist der Maskottchenfotograf. Man kann ihm das eigene Smartphone in die Hand drücken und sich dann zum Maskottchen stellen, kurze Umarmung vom Maskottchen, der Maskottchenfotograf drückt auf den Auslöser, bitte lächeln. Dann: der Nächste, die Nächste. Das Angebot wird begeistert angenommen, die Zuschauer stehen in langen Schlangen an. Smartphone entsperren, Smartphone dem Maskottchenfotografen geben, rüber zum Maskottchen, bitte lächeln. Der Maskottchenfotograf hat stundenlang gut zu tun, er knipst alle, knipst jeden und jede, knipst das Maskottchen und die ganze Welt. Alle sind glücklich, alle lächeln. Auch das Maskottchen, bei dem das Lächeln zur Grundausstattung gehört. Jedes Olympiamaskottchen lächelt, aber keines so freundlich wie das der Spiele von Paris. Holger Gertz

Auch der Griff zum Sportgerät gehört für ein Olympiamaskottchen dazu. (Foto: Matthew Stockman/Getty Images)

Der Eco-Cup

Wir geben zu, wir haben uns während der Spiele über den Eco-Cup des IOC-Worldwide-Partners Coca-Cola lustig gemacht. Der Eco-Cup war ein Hauptdarsteller des Nachhaltigkeitsversprechens, es handelte sich um einen Pfandbecher, in dem zur Vermeidung von Plastikmüll sämtliche Getränke ausgeschenkt wurden. Anlass für den Spott war, dass die Getränke einzeln aus Millionen 0,5-Liter-Plastikflaschen in den Eco-Cup gefüllt wurden, weshalb einmal trinken zweimal Plastik bedeutete. Von den langen Schlangen an den Verkaufsständen gar nicht zu reden. Aber erstens wurden die Plastikflaschen offenbar sehr konsequent recycelt. Und zweitens war der Eco-Cup für seine Käufer oft mehr wert als nur die zwei Euro Pfand.

Sonntag in der Bercy-Arena, der letzte Wettkampf ist zu Ende, die US-Basketballerinnen haben im Finale gegen Frankreich gewonnen. Tausende Zuschauer drängen sich ins Freie und wollen noch ihren Eco-Cup an den Ständen zurückgeben, aber die sind geschlossen: „Es gibt einen Rückgabestand am Haupteingang“, sagt eine Mitarbeiterin. Zunächst einmal folgt natürlich Gegrummel. Aber dann findet man am Haupteingang keine Warteschlange zur Pfandrückgabe vor, sondern eine Theke mit unzähligen Helfern: Wer seinen Eco-Cup zurückgibt, bekommt eine druckfrische Zwei-Euro-Münze, Sonderausgabe „Paris 2024“. Viele können sich gar nicht entscheiden, was sie lieber als Andenken mit nach Hause nehmen wollen, den Eco-Cup mit der Aufschrift „Basketball“ oder die Münze mit dem tanzenden Eiffelturm hinten drauf. Claudio Catuogno

Der darf das: Renars Uscins (Zweiter von links) posiert bei der Siegerehrung in nicht ganz angemessener Garderobe. (Foto: Tom Weller/dpa)

Der Hallenpullover

In dem Animationsfilm Shrek vergleicht sich der gleichnamige Oger mit einer Zwiebel. „Zwiebel haben Schichten, Oger haben Schichten“, sagt Shrek, um auf seine emotionale Beschaffenheit hinzuweisen. Und bei Olympia müssen auch Reporter Zwiebeln sein, denn auch Reporter haben Schichten. Die sind zwingend notwendig, denn von „stickig heiß“ bis „Eistruhe-kalt“ ist jeden Tag einiges geboten. Sommer in Paris kann warm werden, klar, deswegen hat der olympische Geist Klimaanlagen installiert und die sind manchmal – zum Leid des Planeten – so weit aufgedreht, dass alles bibbert und klirrt, was fünf Minuten zuvor noch geschwitzt und ausgedünstet hat. Zum Einsatz kommen muss deshalb der Hallensportart-Pullover: Beim Handball, Basketball oder Tischtennis kann nur überleben, wer entsprechend ausgerüstet ist.

Aber Pullover und Jacken zu vergessen, passiert selbst den Besten: Bei der Siegerehrung der Handballer am Sonntagnachmittag treten alle Medaillengewinner in ihren Mannschaftsanzügen aufs Podest – nur Renars Uscins leuchtet im gelben T-Shirt hervor. Ein einmaliges Bild, das sich durch die Zeremonie zieht. Wenn einer hervorstechen dürfe, dann er, sagt Teamkollege Kai Häfner im Nachgang, hatte Uscins doch ein famoses Turnier gespielt. So eine Silbermedaille wärmt ja ohnehin auch von innen. Was dann draußen wieder ein Problem wird. Ach, es ist alles nicht so einfach. Saskia Aleythe

Die Metro

Schon dieser Wind. Er kündigt sie an. Man steht da und sie kommt, pünktlich wie immer. Wobei: Sie und die anderen fahren ja alle drei bis vier Minuten. Sie ist dennoch überlastet, aber das macht nichts. Die Türen öffnen sich, den neuen Mitfahrer beschleicht etwas von Solidarität. Jeder presst sich noch weiter an den anderen, damit die Bahn die Türen wieder schließen kann.

Es geht durch die ewige Nacht der unterirdischen Welt bei der langen Fahrt zum Bahnhof Châtelet. Dort wartet eine Aufgabe, es hängen Schilder mit verschiedenen Farben und Nummern an den Wänden, aber ein Dunkelrosa ist eben kein Hellrosa – somit: falscher Weg, alles zurück. Hellrosa führt zum Ziel, durch unendliche Gänge, auf unterirdischen Laufbändern, mit geduldig rechts Stehenden, mit links gehenden Mitfahrern und rennenden Kindern.

Bei nicht allzu großem Andrang schlängeln sich Eltern mit Kindern manchmal in den Zügen an allen vorbei, ganz nach vorne, und lehnen sich an den Führerstand, der von irgendwo her gesteuert wird, aber nicht von einem Zugführer in diesen modernen Pariser Zügen. Umso besser: Die Kinder lehnen sich an das, was vom Armaturenbrett übrigblieb, und wissen bestimmt genau, was sie mal werden wollen: Zugführer! Volker Kreisl

Imagine there’s no DJ: Dank der richtigen Liedauswahl haben auch die Finalistinnen des Beachvolleyballturniers aus Kanada und Brasilien ihren kleinen Disput schnell beigelegt. (Foto: Matthew Stockman/Getty Images)

Die Stadion-DJs

Es gehört zum guten Ton der modernen Olympischen Spiele, dass sie untermalt werden von guten Tönen. Trendsportarten wie Breaking wären ohne DJs gar nicht erst ausübbar, und auch sonst, in den Hallen, den Palais, den Arenen gehört der Sound zwischen den Punkten zu den Spielen. Manchmal gehört sogar noch mehr dazu: Beim Beachvolleyballfinale der Frauen etwa konnte man mitansehen, wie sich Brasilianerinnen und Kanadierinnen im entscheidenden Satz auf einmal am Netz ein scharfes Wortgefecht lieferten. Nicht gerade typisch war das für den Nichtkontaktsport im Sand, weshalb unter dem Eiffelturm für einige Sekunden eine unsichere Stimmung herrschte – bis dem DJ die musikalische Rettung einfiel.

„Imagine“ von John Lennon lief kurz darauf, der Eiffelturm glitzerte, die Zuschauer sangen im Chor mit, formten Herzen mit ihren Händen, und die Sportlerinnen hatten inmitten des größten Endspiels ihrer Karrieren wieder ein Lächeln auf den Lippen. Man konnte kleine wie große Gedanken haben an dieser Stelle. Zum Beispiel jenen von der machtvollen Kombination aus Sport, Menschen aus aller Welt und Musik, die bewirkt, dass man Frieden nicht als abstrakte Vorstellung, sondern als Gefühl auf der Haut und im Herzen spüren kann. Oder, wesentlich simpler: Imagine there’s no DJ – man stelle sich vor, es gäbe keinen DJ. Die Spiele wären nicht dieselben gewesen. Felix Haselsteiner

Die Volunteers

Das Wasserballfinale ist vorbei, Serbien Gold, Kroatien Silber, es ist Sonntag, der vorletzte olympische Wettkampf in Paris. Ein grau-gelbes Schlauchboot fährt nun in der La-Défense-Arena im 50-Meter-Pool herum. Der Kapitän paddelt, eine Taucherin mit Flossen taucht nebendran nach allem, was da noch so im Pool liegt: Kameras, Scheinwerfer, andere technische Ausrüstung. Sie hieven alles mit solcher Hingabe ins Boot, als wären es schönste Muscheln. Es ist ein erhabenes Bild, das Boot, die Taucherin, die Stille nach dem letzten Wurf. Fast möchte man einschlafen. Doch dann wird es noch mal laut.

Am rechten Rand des Pools formieren sich fast hundert Volunteers zum Abschlussfoto, sie brüllen ihren Schlachtruf, danach tanzen und hüpfen sie wie Fußballprofis vor ihrer Fankurve. Einige springen später einfach in den Pool. Samt T-Shirts, Hosen, Socken. Minütlich tauchen mehr Helfer ins Wasser, Dutzende schwimmen, planschen und bespritzen sich.

Auch sie, die unheimlich freundlichen Helferinnen und Helfer, die oft bis nachts ausharrten in der Arena, lassen nun los – und sich treiben. In einem Becken, in dem der französische Schwimmkönig Léon Marchand im Lärm der 17 000 Fans (130 Dezibel!) vier Olympiasiege erreichte; in dem die US-Athletin Katie Ledecky mit nun insgesamt neunmal Gold zur zweiterfolgreichsten Olympionikin überhaupt aufstieg: Nun wird dieses Becken zum Schwimmbad für alle. Und wer hätte sich das mehr verdient? Sebastian Winter

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