Olympia kompakt (15):Pleiten, Blech und Pannen

Das Debakel der ÖSV-Skifahrer setzt sich mit dem vierten Platz für Benni Raich im Slalom fort, Felix Neureuther ist traurig, André Lange gewinnt Silber im Viererbob. Olympia kompakt

Als erster Italiener nach Alberto Tomba 1988 in Calgary ist Giuliano Razzoli Olympiasieger im Slalom geworden. Der 25-Jährige setzte sich auf dem Dave-Murray-Kurs im Whistler Olympic Park nach zwei Läufen mit 13 Hundertstelsekunden Vorsprung vor dem Kombinations-Zweiten Ivica Kostelic aus Kroatien durch. Bronze holte sich der Schwede Andre Myhrer.

Die Ski-Nation Österreich hat bei den Spielen von Vancouver das schlimmste Debakel der Nachkriegsgeschichte erlebt. Die Alpin-Männer verließen Olympia zum ersten Mal ohne eine Medaille und waren damit noch schlechter als bei den Winterspielen 1984 und 1972. In Sarajevo und Sapporo hatten österreichische Ski-Rennläufer immerhin je einmal Bronze gewonnen. Die Frauen haben mit Super-G-Gold durch Andrea Fischbacher, den Bronzemedaillen von Elisabeth Görgl (Abfahrt und Riesenslalom) und Marlies Schilds Slalom-Silber immerhin viermal Edelmetall gewonnen. Für Österreichs Skiverband (ÖSV) war es trotzdem die schlechteste Olympia-Bilanz seit 1994. In Lillehammer gewannen die Wintersportler aus dem Land der Berge jeweils einmal Gold, Silber und Bronze. Die letzte Medaillenchance der Männer vergaben die Slalomläufer am Samstag. Weltmeister Manfred Pranger schied schon im ersten Lauf aus. Topfavorit Reinfried Herbst wurde nur Zehnter, Marcel Hirscher belegte Rang fünf, und für Olympiasieger Benjamin Raich blieb auf dem vierten Platz nur Blech.

Felix Neureuther ist im ersten Lauf des Olympia-Slaloms ausgeschieden. Der Partenkirchener verlor am Samstag in Whistler nach guter Zwischenzeit in Rückenlage das Gleichgewicht. "Das trügt ein wenig den guten Gesamteindruck, aber so ist es eben bei der olympischen Achterbahnfahrt", sagte DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier. Neureuther war nach seinem Sturz geknickt, wollte sich aber keine Vorwürfe machen: "Im ersten Moment kann man es gar nicht glauben, dass es vorbei ist. Aber bei Olympia riskiert jeder alles, und das muss man auch, wenn man um eine Medaille mitfahren will. Doch das Leben geht weiter, ich bin ja erst 25", sagte er. Der 25-Jährige galt nach seinem Kitzbühel-Sieg und dem 8. Platz beim Olympia-Riesenslalom als Mitfavorit. Neureuthers Pechserie bei Slalom-Großereignissen setzte sich fort. Bei der Weltmeisterschaft 2009 in Val d'Isère verpasste er als Vierter nur knapp eine Medaille. Zwei Jahre zuvor lag er als Zweiter des ersten Laufs bei der WM in Are/Schweden auf Medaillenkurs und schied dann im zweiten Lauf aus. 2006 hatte er nach zwei "Nullnummern" bei den Olympischen Winterspielen in Turin viel Kritik einstecken müssen. "Sehr schade, für den Felix tut's mir wahnsinnig leid. Na ja, jetzt müssen wir ihn trösten", sagte Mutter Rosi Mittermaier nach dem neuen Rückschlag der ARD.

Ausnahmepilot André Lange hat zum Abschluss seiner Erfolgskarriere mit Silber im Viererbob seine fünfte Olympia-Medaille eingefahren. Sechs Tage nach seinem Gold-Coup im kleinen Schlitten landete der Oberhofer am Samstag (Ortszeit) auf dem Hochgeschwindigkeitskurs von Whistler noch auf Platz zwei hinter dem überlegenen Sieger Steven Holcomb (USA). Bronze eroberte der Kanadier Lyndon Rush. Damit verpasste Lange in seinem Abschiedsrennen das erhoffte erneute Double. Thomas Florschütz belegte Rang vier, Karl Angerer fuhr auf Platz sieben. Damit holten die deutschen Kufen-Asse insgesamt zehn Medaillen in der Eisrinne von Whistler.

Justyna Kowalczyk hat bei den Olympischen Winterspielen die Goldmedaille im 30 Kilometer-Klassikrennen gewonnen. Die Langläuferin aus Polen setzte sich am Samstag in Whistler vor Marit Björgen durch und verhinderte damit den vierten Olympiasieg der Norwegerin bei den Vancouver-Spielen. Bronze ging an die Finnin Aino-Kaisa Saarinen. Teamsprint-Olympiasiegerin Evi Sachenbacher-Stehle verpasste als Vierte eine weitere Medaille nur knapp.

Biathletin Magdalena Neuner wird bei der Schlussfeier der Olympischen Spiele in Vancouver die deutsche Fahne tragen. Die 23-Jährige gewann bei ihrer ersten Olympia-Teilnahme zwei Goldmedaillen und eine Silbermedaille. Die letzte Veranstaltung der 21. Winterspiele findet am Sonntag um 17.30 Uhr Ortszeit (02.30 MEZ) im BC Place statt. Fahnenträger bei der Eröffnungsfeier war Bob-Olympiasieger Andre Lange. "Das ist die Krönung meiner traumhaften Olympischen Spiele. Der Andre Lange hat zu mir gesagt, das sei ein unglaublich schönes Erlebnis. Er war unglaublich stolz. Bei mir wird das genauso sein", sagte die sechsmalige Weltmeisterin aus Wallgau.

Für Snowboarder Patrick Bussler war das Achtelfinale des olympischen Parallel-Riesenslaloms Endstation. Der 25-Jährige aus Aschheim bei München unterlag in der ersten K.o.-Runde dem Schweizer Simon Schoch. Im ersten von zwei Läufen gegen den Olympiazweiten von Turin stürzte Bussler, der einzige deutsche Starter am Cypress Mountain. Daraufhin musste er den zweiten Lauf mit 1,5 Sekunden Rückstand aufnehmen und stand auf verlorenem Posten. Bussler riskierte alles, hatte erneut große Probleme und kam mit 22,06 Sekunden Rückstand ins Ziel. In der Qualifikation hatte er den 14. Platz belegt. Damit sind die Athleten des Snowboard Verbandes Deutschland (SVD) in Vancouver ohne Medaille geblieben. Selina Jörg aus Sonthofen erreichte mit Rang vier im Parallel-Riesenslalom die beste Platzierung.

Es sollte das Rennen seines Lebens werden, doch Brian McKeever wird es nicht laufen dürfen. Der amtlich für blind erklärte kanadische Langläufer wollte am Sonntag über 50 km an den Start gehen. Nun aber ging eine der bewegendsten Geschichten der Olympischen Winterspiele von Vancouver zu Ende, bevor sie so richtig begonnen hatte. Kanadas norwegischer Langlauf-Trainer Inge Braten lässt den 30 Jahre alten McKeever nicht starten. Das Dilemma für den Coach: Kanada hat vier weitere Langläufer neben McKeever, die sich für Olympia qualifiziert haben - und alle überzeugten im Rennen über 30 km. McKeevers beste Platzierung über die Marathon-Strecke war Rang 21 bei der WM 2007. Doch Braten sagt, es gehe nicht mehr um Top-30-Platzierungen, es gehe um Gold. Beim Ski-Weltverband FIS hatte er einen fünften Startplatz beantragt, doch der Vorstoß hatte keine Aussicht auf Erfolg. "Ich muss das professionell sehen", erklärte Braten, "norwalerweise, und es tut mir leid das sagen zu müssen, sind alle vier schneller als Brian, und ich glaube, dass alle vier um eine Medaille kämpfen können. Soll ich einen von denen rausnehmen und Brian starten lassen?"

Die chinesische Shorttrackerin Zhou Yang erhält für ihre beiden Olympiasiege eine besondere Belohnung. Die Eltern der 18-Jährigen, die in Vancouver die 1500 m gewonnen und zudem mit der Staffel Gold geholt hatte, bekommen von der Regierung eine Vier-Zimmer-Wohnung in ihrer Heimatstadt Changchun geschenkt. Das berichtet die staatliche Nachrichtengentur Xinhua. Das 94-Quadratmeter-Appartment soll 300.000 Yuan (32.200 Euro) wert sein. "Das ist eine große Überraschung, die unser Platzproblem löst. Zhou Yang kann jetzt immer bei uns sein, wenn sie nach Hause kommt", sagte Zhous Mutter Wang Shuying.

Das Olympia-Wetter zeigt sich zum Kehraus der Winterspiele von seiner ungemütlichen Seite. Am Samstag regnete es in Vancouver aus einem wolkenverhangenen Himmel, die Temperaturen lagen bei 10 Grad. Zum Abschluss am Sonntag sind weitere Niederschläge vorhergesagt. Für Lichtblicke sollen jedoch gelegentliche sonnige Abschnitte sorgen. Bei Temperaturen von 10 Grad am Tag und 7 Grad in der Nacht muss bei der großen finalen Open-Air-Party wenigstens niemand frieren. In Whistler wurden am Samstag leichte Schnee- und Regenschauer im Wechsel erwartet. Die Tagestemperaturen sollten bei 3 Grad liegen. Am Sonntag soll es im Olympia-Bergort wolkig mit sonnigen Abschnitten werden. Die Regenwahrscheinlichkeit liegt bei Werten von 5 Grad Celsius am Tag und 1 Grad in der Nacht bei 30 Prozent.

Die Tages-Rekordzahl von 39 000 Passagieren wird am Montag auf dem Flughafen von Vancouver erwartet. Beim Olympia-Kehraus wollen die Verantwortlichen den Massen-Exodus auch mit einem Hilfs-Terminal in den Griff bekommen. Fluggäste werden gebeten, mindestens vier Stunden vor dem Abheben einzuchecken. Der alte Passagierrekord auf dem Vancouver Airport datiert vom August 2008 und steht bei 26 000.

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