Olympia kompakt (14):Birnbachers Schieß-Debakel

Biathlon-Männer verpassen zum ersten Mal seit 1968 eine Olympia-Medaille, wieder Stürze beim Bobfahren, Anschuldigungen gegen Langlauf-Star Björgen. Olympia kompakt

Norwegens Biathleten haben zum zweiten Mal nach 2002 Olympiagold mit der 4x7,5-km-Staffel gewonnen. Halvard Hanevold, Tarjei Boe, Emil Hegle Svendsen und Schlussläufer Ole Einar Björndalen hatten im Ziel im Whistler Olympic Park 38,6 Sekunden Vorsprung vor Österreich, das sich im Fotofinish gegen Russland durchsetzte. Der deutsche Quartett mit Simon Schempp, Andreas Birnbacher, Arnd Peiffer und dem dreifachen Turin-Olympiasieger Michael Greis kam mit einem Rückstand von 1:37,9 Minuten auf den fünften Platz. Deutschlands Biathlon-Männer blieben damit erstmals seit 1968 ohne olympische Medaille. Mit dem erneuten Triumph ist Ole Einar Björndalen zum zweiterfolgreichsten Athleten in der Geschichte der Winterspiele aufgestiegen. Der 36-Jährige hat seit Nagano 1998 insgesamt sechsmal Gold, viermal Silber und einmal Bronze gewonnen. Nur sein Landsmann Björn Dählie liegt mit achtmal Gold und viermal Silber im Skilanglauf vor Björndalen.

André Lange muss zur Halbzeit des Viererbob-Rennens um sein fünftes Olympia-Gold bangen. Nach zwei der vier Durchgänge lag der Oberhofer am Freitag (Ortszeit) auf der Hochgeschwindigkeitsbahn von Whistler nur auf dem dritten Platz und hatte bereits 44/100 Sekunden Rückstand auf den führenden Weltmeister Steven Holcomb aus den USA. Zweiter war der Kanadier Lyndon Rush. Auf Rang fünf lag zur Halbzeit der Riesaer Thomas Florschütz. Der Königsseer Karl Angerer war nach zwei Durchgängen Siebter. Der erste Tag des Viererbob-Wettbewerbs wurde von zahlreichen Stürzen überschattet.

Die USA haben durch einen beeindruckenden Kantersieg gegen Finnland als erstes Team das Finale des olympischen Eishockey-Turniers erreicht. Die Amerikaner deklassierten am Freitag in Vancouver den Olympia-Zweiten von Turin mit 6:1. Bereits nach 13 Minuten war die überraschend einseitige Partie im Canada Hockey Place entschieden. Ryan Malone (3. Minute), Zach Parise (7.), Erik Johnson (9.), zweimal Patrick Kane (11./13.) und Paul Stastny (13.) zerstörten die finnischen Gold-Hoffnungen früh. Im Endspiel treffen die US-Boys am Sonntag auf Gastgeber Kanada oder die Slowakei. Die Finnen hatten den wie entfesselt aufspielenden Amerikanern nichts entgegenzusetzen. Torhüter Miikka Kiprusof, der bislang der statistisch beste Schlussman des Turniers war, konnte nur drei von sieben Schüssen parieren und wurde nach dem vierten US-Tor ausgewechselt. Ersatzman Nicklas Bäckström führte sich kaum besser ein, wehrte nur zwei der ersten vier Schüsse ab. Nie zuvor hatte in der Geschichte des olympischen Eishockey-Turniers, bei dem seit 1992 Halbfinal-Spiele ausgetragen werden, nach dem ersten Drittel ein Team mit sechs Toren geführt. Durch den Ehrentreffer zum 1:6 von Antti Mietinen in der 55. Minute verhinderten die Finnen das höchste Halbfinal-Debakel. Somit bleibt der 7:1-Sieg der Kanadier am 22. Februar 2002 in Salt Lake City gegen Weißrussland der klarste Vorschlussrunden-Erfolg der Olympia-Historie.

Snowboarderin Nicolien Sauerbreij ist Olympiasiegerin im Parallel-Riesenslalom. Die Niederländerin bezwang am Freitag in Cypress Mountain im Finale die Russin Ekaterina Iljuchina. Bronze ging an die Österreicherin Marion Kreiner. Selina Jörg aus Sonthofen wurde Vierte. Anke Karstens (Bischofswiesen) belegte Platz fünf, die Olympia-Zweite Amelie Kober aus Miesbach landete auf Platz acht, Isabella Laböck (Klingenthal) auf Rang 15. Kober lüftete nach dem Rennen überraschend ein Geheimnis. "Es ist so, dass ich in dieser Saison höchstens noch ein Rennen bestreite, weil ich Mama werde", erklärte die 22-jährige Olympia-Zweite von 2006 am Freitag (Ortszeit).

Chinas Weltmeisterinnnen haben beim Turnier in Vancouver Bronze und damit die erste Olympiamedaille im Curling für ihr Land gewonnen. Skip Wang Bingyu setzte sich im kleinen Finale gegen die Mirjam Ott aus der Schweiz mit 12:6 durch. Die 38-Jährige aus Bern musste nach zwei olympischen Silbermedaillen in Folge mit dem undankbaren vierten Platz vorlieb nehmen.

Kaum hatte Marit Björgen mit ihrem dritten Olympiasieg die unvergessene Eisprinzessin Sonja Henie überflügelt, musste sie sich schwere Vorwürfe ihrer schärfsten Rivalin gefallen lassen. "Ohne ihre Medikamente hätte sie nicht gewonnen. Marit weiß genau, dass sie ohne ihre "Hilfsmittel" nicht viel zu bieten hätte", sagte Polens Langlauf-Doppelweltmeisterin Justyna Kowalczyk und verdarb der Königin der Spiele von Vancouver die Partystimmung. Die nun erfolgreichste Norwegerin in der Geschichte der Olympischen Winterspiele reagierte vor dem mit Spannung erwarteten Duell der beiden Favoritinnen über 30 km am Samstag entsetzt. "Die Vorwürfe sind eine Beleidigung. Das hat mich sehr verletzt. Sie ist eine schlechte Verliererin", sagte die 29-Jährige. Björgens Manager erklärte, die Vorwürfe seien absolut haltlos. "Das ist das Dümmste, was ich bislang bei diesen Spielen gehört habe. Das Asthma-Medikament ist vom Ski-Weltverband FIS und der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA zugelassen", sagte Aage Skinstad. Wer es nicht brauche, könne damit nichts anfangen. Das Präparat reinige die Lungen, weite sie aber nicht, erklärte Skinstad.

Die Olympischen Winterspiele in Vancouver sind aus Sicht des Organisationskomitees VANOC ein Erfolg. "Wir haben es geschafft, jede zur Verfügung stehende Eintrittskarte zu verkaufen", erklärte Vizepräsident Dave Cobb am Freitag in Vancouver. "Das hat unsere Erwartungen übertroffen." Gleiches gilt laut Cobb für die erwarteten Gewinne: "Hier liegen wir ebenfalls über unseren Prognosen." Zahlen nannte der VANOC-Vize nicht.

Mit Regenwetter verabschiedet sich Vancouver von den Olympischen Spielen. In den Tagen bis zur Schlussfeier am Sonntag soll es in der kanadischen Westküsten-Metropole nass und ungemütlich bleiben. Für Freitag waren dazu Windböen von bis zu 60 Stundenkilometern vorhergesagt. Die Temperaturen sollten auf 9 Grad steigen. Am Samstag soll es bei Temperaturen von 9 Grad am Tag und 7 Grad in der Nacht weiter regnen. Auch im Olympia-Bergort Whistler bleibt es grau. Der Freitag begann mit leichten Schneeschauern, im Tagesverlauf sollten diese in Regen übergehen. Die Temperaturen lagen bei 4 Grad. Für Samstag sind bei Werten um 3 Grad Celsius Regen und Schnee im Wechsel vorhergesagt. Nachts sinken die Temperaturen auf 1 Grad.

Doppel-Olympiasiegerin Magdalena Neuner ist nach ihrem Verzicht auf den Staffel-Start bei den Olympischen Spielen in Vancouver mit der Fair-Play-Plakette der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOSG)ausgezeichnet worden. "Teamgeist, das Miteinander und Füreinander - Werte mit großer Bedeutung haben bei den Olympischen Spielen in Vancouver ein neues Gesicht erhalten", hieß es in der offiziellen Begründung der DOSG. Biathletin Neuner hatte nach ihren beiden Goldmedaillen zugunsten von Teamkollegin Martina Beck auf einen Start in der Staffel verzichtet. Das Quartett lief anschließend zu Bronze, sodass jede Athletin der deutschen Mannschaft mindestens mit einer Medaille aus Vancouver zurückkehren wird.

Enttäuscht vom russischen Team bei den Olympischen Spielen in Vancouver hat Regierungschef Wladimir Putin eine scharfe Analyse angekündigt sowie Konsequenzen angedroht. "Natürlich haben wir Großes erwartet von unserer Mannschaft", sagte Putin. Die "Fehler und Misserfolge" der Russen müssten untersucht werden. Russland liegt im Medaillenspiegel weit abgeschlagen hinter den Top-Nationen. Das Olympia-Debakel sorgt für Debatten in Russland um mögliche Rücktritte von Sportfunktionären.

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