Olympia:Alles Banane in Tokio

Banane

Olympia heißt manchmal auch: Sich an die Regeln halten, auch wenn man wirklich Hunger hat.

(Foto: Saskia Aleythe)

Die Organisatoren der Spiele sind sehr um die Gesundheit ihrer Gäste bemüht. Das gilt auch für Reporter, die als Jäger und Sammler bekannt dafür sind, alles mitzunehmen, egal ob Nachricht oder Obst. Zeit für ein bisschen gekrümmte Solidarität.

Glosse von Holger Gertz

Die Nahrungsaufnahme in den Olympia-Hallen war schon immer eine nüchterne Angelegenheit. Der Olympiareporter schlemmt nicht, prasst nicht, genießt nicht, er braucht halt was im Bauch, so ein Tag geht an die Substanz. Der Olympiareporter gießt sich am Verpflegungsstand noch einen Schluck Kaffee ein und denkt an Abraham Lincoln, der gesagt haben soll: "Sollte dies Kaffee sein, bringen Sie mir bitte Tee. Sollte dies Tee sein, bringen Sie mir bitte Kaffee."

Der Olympiareporter setzt sich mit seinem Pappbecher an ein Tischchen und schaut durch die dünne Plastikwand, die ihn - wegen Corona - trennt von seinem Olympiareporterkollegen aus Mexiko, der auch dort sitzt mit seinem Pappbecher und nach dem ersten Schluck an Abraham Lincoln denkt, womöglich aber auch an Jonathan Swift, der gesagt haben soll: "Die beste Methode, das Leben angenehm zu verbringen, ist, guten Kaffee zu trinken."

Wie es unterwegs getrunkene Weg-Biere gibt, gibt es unterwegs verschlungene Weg-Bananen

Es ist den japanischen Organisatoren hoch anzurechnen, dass sie für etwas Abwechslung auf dem Speiseplan sorgen, beim Bogenschießen im Yumenoshima Park gerade hatten sie Bananen bereitgelegt, und wenn die Meute der Olympiareporter kostenlose Bananen sieht, gibt's kein Halten. In ihren Funktionsklamotten sind genug Taschen zum Verstauen zahlreicher Bananen.

Wie es unterwegs getrunkene Weg-Biere gibt, gibt es unterwegs verschlungene Weg-Bananen, der Mensch ist ein Medaillenzähler, er wird aber ein Jäger und Sammler immer bleiben, weshalb die Organisatoren die Bananen rationieren, auf sehr feine Art: "Please take only one per day", steht auf einem Hinweisschild über den Bananen, das ist die fernöstliche Umschreibung der bekannten westlichen Lebensweisheit: "An apple a day keeps the doctor away." Es ist aber auch die sehr subtile Aufforderung an Bananenjäger und -sammler, Maß zu halten. Ein Befehl, verpackt in Einwickelpapier aus Fürsorglichkeit.

Nur eine Banane am Tag: Wer sich daran hält, der denkt an die anderen, aber auch an sich. Nur eine Banane am Tag: Wer das beherzigt, reist in Gedanken zurück in seine Kinderzeit, denkt an die Sesamstraße, denkt an das dort vorgetragene Bananenlied mit dem zeitlos gültigen Reim: "One Banana, two bananas - one for me and one for you, banana." Das können sie in Tokio beim Bogenschießen genauso an die Wand schreiben, und so spannen sie eine Brücke von der Vergangenheit ins Jetzt.

Der Olympiareporter greift zur Banane, natürlich zu nur einer Banane und sendet damit beiläufig die von IOC-Chef Thomas Bach bei der Eröffnungsfeier mal wieder so pathetisch herbeigebetete "message of solidarity" hinaus in die Welt. Erkenntnis des Tages: Wenn man Bachs Rede auf Bananen runterbricht, geht's eigentlich.

Zur SZ-Startseite
Laura Ludwig

Meldungen
:Ludwig und Kozuch stehen im Achtelfinale

Die Beachvolleyballerinnen besiegen Japan in zwei Sätzen. Eine 13-jährige Japanerin gewinnt Gold mit dem Skateboard, Jan-Lennard Struff scheidet im Tennis aus, die russischen Turner brillieren. Die Meldungen aus Tokio.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: