Deutsche Kletterer bei Olympia:„Ich habe Olympia ein bisschen unterschätzt“

Lesezeit: 3 Min.

Lucia Dörffel beim Seilklettern. (Foto: Straubmeier/Nordphoto/Imago)

Die drei Deutschen Lucia Dörffel, Alexander Megos und Yannick Flohé verpassen das Kletterfinale bei den Olympischen Spielen. Besonders die beiden Männer hatten sich mehr erhofft.

Von Vivien Timmler

Und dann war es auch schon wieder vorbei, das Abenteuer Olympia. Keiner der drei deutschen Kletterer hat es ins Finale der Spiele in Paris geschafft – weder Lucia Dörffel bei den Frauen noch Alexander Megos und Yannick Flohé bei den Männern. Gerade letztere hatten sich Chancen aufs Finale ausgerechnet. Doch das war nicht drin. Am Mittwoch schieden Megos und Flohé aus, am Donnerstag dann Dörffel.

Dass es für die 24-jährige Chemnitzerin schwer werden würde, war von vornherein klar. Sie hat sich zwar in den vergangenen Jahren extrem gesteigert, kletterte aber in den Weltcups zuletzt nicht um die Medaillen mit. Bei den diesjährigen Spielen müssen die Athletinnen und Athleten in zwei Kletterdisziplinen antreten, im Bouldern und im Seilklettern. Nach dem Bouldern, dem Klettern ohne Sicherung auf Absprunghöhe, belegte Dörffel nur den 16. Platz, sie konnte bei keinem der vier Boulder den obersten Griff festhalten, der die mit Abstand meisten Punkte bringt. Dabei hatte sie sich vorgenommen, „in Paris jeden Boulder zu toppen“, wie sie bei Eurosport erklärt hatte.

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Zwar ist es in der Theorie möglich, eine schwache Leistung im Bouldern mit einer Super-Performance im Seilklettern wieder auszugleichen, auch rein rechnerisch hätte das klappen können. Doch dafür hätte Dörffel es an der Kletterwand bis fast ganz oben schaffen müssen. Und das gelang am Donnerstag nur der Seilkletter-Spezialistin Ai Mori aus Japan und der einmal mehr alle überstrahlenden Slowenin Janja Garnbret.

Dörffel lieferte dennoch eine gute Leistung im Lead-Klettern ab, wie das Seilklettern auch genannt wird. Sie kam die 15 Meter hohe Wand auf der Sportkletteranlage Le Bourget ziemlich genau bis zur Hälfte hoch, bevor ihre Arme versagten. Damit kam sie weiter als zwei Konkurrentinnen, die sich am Ende fürs Finale qualifizieren konnten. Die waren zuvor allerdings im Bouldern deutlich stärker. Und so blieb es für Dörffel bei Rang 16 von 20.

Sie sei dennoch „einfach nur mega happy und stolz auf mich“, sagte sie wenige Stunden nach dem Finale. Vor allem der starke Auftritt im Lead sei für sie eine Bestätigung, dass sie auf diese Bühne gehöre. „Aber ich habe Olympia ein bisschen unterschätzt“, gab sie zu. Die vielen anderen Athleten, die enorme Aufmerksamkeit fürs Klettern, das große Publikum: „Es ist etwas ganz anderes als die Weltcups.“

Megos unterlief ein klassischer Flüchtigkeitsfehler

Bei den Männern hatte sich am Tag zuvor ein ähnliches Bild geboten. Auch Alexander Megos und Yannick Flohé starteten alles andere als optimal in den Wettkampf. Flohé lag nach dem Bouldern auf Zwischenrang zwölf, Megos sogar nur auf Rang 15. Zwar galt für sie das Gleiche wie für Dörffel: Das Finale war mit extrem guten Leistungen im Seilklettern theoretisch noch drin. Dafür hätten jedoch mehrere Topkletterer patzen müssen.

Megos startete am Mittwoch als erster Deutscher in den Lead-Wettkampf. Er gilt als der bessere Seilkletterer unter den beiden und generell als bester Sportkletterer Deutschlands. Zwar klettert er am liebsten – und besser – draußen am Fels und nicht an den Plastikgriffen der Wettkampfwände. Insbesondere die von vielen gemiedenen winzigen Griffe, Leisten genannt, liegen ihm jedoch auch in der Plastikvariante wie kaum einem anderen.

Es waren dann auch nicht die Griffe, die dem 30-Jährigen aus Erlangen den Finaleinzug kosteten. Er setzte noch im ersten Drittel der Route seinen Fuß zu ungenau auf einen Tritt, rutschte weg – und konnte sich nicht mehr halten. Megos war sichtlich wütend auf sich selbst, schrie seine Enttäuschung heraus, noch bevor der Sicherungsassistent ihn heruntergelassen und er den Boden wieder berührt hatte. Es war ein klassischer Flüchtigkeitsfehler, der ihm da unterlaufen war, lange bevor seine Arme zugemacht hätten und er aus Erschöpfung nicht mehr weitergekommen wäre. 24 von 100 möglichen Punkten im Lead, seiner Paradedisziplin – das war nicht sein Anspruch für diese Olympischen Spiele.

Schrie die Wut nach seinem Patzer regelrecht heraus: der deutsche Kletterer Alexander Megos. (Foto: Jamie Squire/Getty Images)

Der zweite Deutsche Yannick Flohé konnte die Passage, bei der Megos wegrutschte, wenig später zwar meistern. Mit 39,1 Punkten war jedoch auch für ihn Schluss. Keine Topwertung, doch die Route für die Männer war extrem schwierig geschraubt; deutlich schwieriger als bei den Frauen, bei denen mehr Kletterinnen die obere Hälfte der Wand erreichten. Es kam auf Maximalkraft an – eigentlich eine Eigenschaft, die Flohé auszeichnet. Der 24-Jährige setzte sich mit seiner Gesamtwertung vorerst auf den fünften Platz. Und musste zittern. Um ins Finale der besten Acht zu kommen, war er darauf angewiesen, dass vier Konkurrenten schlechter abliefern als er.

Zitterte am Mittwoch vergeblich um den Finaleinzug: Yannick Flohé. (Foto: Michael Reaves/Getty Images)

Und tatsächlich: Sowohl der Japaner Tomoa Narasaki als auch der Franzose Sam Avezou und der Belgier Hannes Van Duysen patzten, es sah gut aus für Flohé. Nur noch ein Ausrutscher eines im Bouldern besser platzierten Konkurrenten – und es hätte für ihn gereicht. Doch es sollte nicht sein. Am Ende blieb es beim neunten Platz, Megos wurde 13. „Es war mein Ziel, bei meinen ersten Olympischen Spielen das Finale zu erreichen“, schrieb Flohé später auf Instagram. Dazu haben ihm nur ein paar Punkte respektive Griffe an der Kletterwand gefehlt. Flohé sieht’s positiv: „Jetzt zurück zum Felsklettern.“

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