Süddeutsche Zeitung

Olympia 2021:Schlechte Haltung für einen Olympiagastgeber

Japans Regierung hat Angst, dass Gäste mit ihrem unjapanischen Lebensstil eine neue Viruswelle ins Land tragen. Aber Olympia ohne Ausländer? Das ist gibt es nicht. Nun muss das IOC auf eine umsichtige Einreisepolitik drängen.

Kommentar von Thomas Hahn

Im Organisationskomitee der Olympischen Spiele 2020 von Tokio und in der japanischen Regierung rauchen bestimmt gerade die Köpfe. Denn die Spiele nach der Coronavirus-bedingten Verlegung auf Sommer 2021 straffer als zunächst geplant zu veranstalten, ist ja nur der eine Teil einer großen Entscheidung. Die eigentliche Frage ist: Wie geht das? Was kann man weglassen? Was nicht?

Man kann sich vorstellen, wie die Olympia-Manager dieser Tage zusammensitzen und die Posten durchgehen. Sportstätten? Braucht man schon, sonst fehlt dem Fest die Bühne. Eröffnungs- und Schlussfeier? Muss nicht beides sein: Merkt doch keiner, wenn nach dem Ein- gleich der Ausmarsch der Sportler folgt. Zuschauer in Stadien? Hygienisch ganz schlecht, auch sonst unpraktisch (Transport, Verpflegung) - und solange diese Leute auf den zahlenden Fernsehrechte-Inhaber ausweichen, sind sie kein extremer Verlust. Japanische Athleten? Unbedingt nötig. Ausländische Athleten?

Laut der Nachrichtenagentur Kyodo erwägt Japans Regierung gerade, für Athletinnen und Athleten der Spiele selbst bei andauernder Pandemie den scharfen Einreisestopp aufzuheben, den sie insgesamt 129 Ländern und Regionen wegen des Coronavirus auferlegt hat. Das klingt nach einer Selbstverständlichkeit. Wie kann eine Regierung überhaupt an Olympia denken, wenn sie ihre Grenzen nicht aufmacht? Was wäre die Alternative? Olympia für Lokalsportler? Japan-Sause unter Ringen?

Olympia ohne Ausländer ist nicht möglich

Das Gastgeberland hat viel zu bedenken bei dieser schwierigen Verlegung. Unter anderem die Regeln, die es selbst gesetzt hat. Die Einreise von Ausländern ist gerade ein wunder Punkt für Japans rechtskonservative Regierung. Einerseits will sie Geschäfte im globalisierten Business machen. Andererseits hat sie Angst, dass Gäste mit ihrem unjapanischen Lebensstil eine neue Viruswelle ins Land tragen. Japan lässt gerade nicht einmal ausländische Steuerzahler einreisen, wenn ihr Heimat- oder Besuchsland auf der langen Liste der gesperrten Länder steht.

Die vorgesehenen Sportstätten auch für 2021 zu buchen, wird wohl klappen. Wahrscheinlich bleiben auch die nationalen Firmen im Boot, die schon zum bisherigen Budget so viel Sponsorengeld beigetragen haben, wie vorher noch nie in Olympische Spiele geflossen ist: 3,3 Milliarden Dollar. Aber das sind eben innere Angelegenheiten. Kein Virus, kein Kulturunterschied steht im Weg. Die Verhandlungspartner verbindet die Verantwortung für die Nation, die Olympia als Konjunkturmotor in Krisenzeiten braucht.

Fremde sind anders, und alles, was anders ist, ist Japans Regierung erstmal suspekt. Die Welt da draußen ist aus wirtschaftlichen Gründen interessant - ansonsten eher eine Gefahr. Diese Haltung passt schlecht zu einem Olympiagastgeber. Das Internationale Olympische Komitee müsste im Grunde darauf drängen, dass Japan bei aller berechtigten Pandemie-Vorsicht eine umsichtige Einreisepolitik mit offenen Grenzen betreibt. Denn Olympia ohne Ausländer gibt es nicht.

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SZ vom 10.07.2020/tbr
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