Süddeutsche Zeitung

Olympia:Der unverfrorene Deal mit Airbnb

Das IOC bandelt ausgerechnet mit einem Partner an, der weltweit das Wohnkonzept ganzer Städte aushebelt. Und die Sportler sollen ernsthaft mitverdienen.

Kommentar von Thomas Kistner

Entzückt verkündet das Internationale Olympische Komitee (IOC) seinen jüngsten Coup: Das Vermietungsportal Airbnb wird weltweiter Partner der Spiele. Die neue Allianz mit dem Onlineanbieter ist auf neun Jahre angelegt und dient, ganz klar, nur frömmsten Zwecken: Bis Los Angeles 2028 sollen Organisationskosten und Neubauten-Bedarf reduziert und ein Direktumsatz für lokale Gastgeber generiert werden. Und mehr! Auch die Athleten dürfen künftig mitverdienen, indem sie nämlich über das Portal "eigene Einnahmequellen durch die Vermarktung ihrer sportlichen Leistung und der olympischen Werte" erschließen, teilt das IOC mit.

Klingt nicht schlecht, gehört aber, da es in der hermetischen Kommerzblase rund um die Ringe keine Wohltätigkeit gibt, der genaueren Prüfung unterzogen. Ein Befund drängt sich ja sofort auf: Es ist erstaunlich, dass das IOC mit einem Partner anbandelt, der weltweit dafür kritisiert wird, das Wohnkonzept ganzer Städte auszuhebeln. In vielen Innenstädten hat das Vermietungsmodell Airbnb zur Verdrängung angestammter Mieter geführt; wo anfänglich private Anbieter auftraten, haben sich bald kommerzielle Strukturen entwickelt, die den Wohnungsmarkt schrumpfen und die Mieten anschwellen lassen. So einen Partner jetzt ins Haus zu holen und dies mit der Nachhaltigkeit für Olympiastädte zu begründen, erscheint recht unverfroren.

Andererseits: Das IOC ist ja selbst eine Vermarktungsmaschine. Und so springen gleich zwei strategische Trümpfe ins Auge, die das neue Bündnis birgt. Unter Druck steht der Ringe-Konzern zum einen immer öfter in der Bevölkerung, zumal in olympischen Kandidaten- und Ausrichterstädten. Zum anderen begehren neuerdings auch die Athleten auf; sie drängen darauf, endlich angemessen am Milliarden-Reibach beteiligt zu werden, den sie durch ihre Leistungen für Olympia erlösen. Für beide Baustellen bietet der Airbnb-Deal nun Lösungen an.

Buche einen Olympiasportler: Auch das will Airbnb anbieten

Die Aussicht, über einen Spiele-Zeitraum richtig dicke Kohle aus dem privaten Wohnraum zu schlagen und das Einnahmemodell - auch eine Art Nachhaltigkeit - künftig weiter zu betreiben, könnte durchaus manchen olympischen Zweifler umstimmen. Und was das Lockangebot an die Sportler angeht: Könnte man diesen unersättlichen Nörglern nicht auf die Tour Wind aus den Segeln nehmen?

Die Idee ist jetzt ernsthaft: Vermarktet euch halt selbst über Airbnb! Ladet Fans zum Training ein, joggt, radelt oder grillt mit ihnen, schreibt Selfie-Termine mit Bewunderern aus, lasst sie eine Stunde Mitschwimmen oder Mitskispringen buchen. Irgendwas. Hauptsache, die Funktionäre können erzählen, sie reißen neue Verdienstquellen für Athleten auf. Wie es IOC-Boss Thomas Bach gerade tut.

Aber die Sportler, zumal die mit Sponsoren, brauchen keine Hinterhofbühne, auf der sie sich künftig selbst feilbieten. Sie wollen an Geldern beteiligt werden, die durch sie bereits verdient worden sind. Und die Bürger in Olympiastädten sollten nicht unbedingt animiert werden, unter dem Deckmäntelchen der Nachhaltigkeit ein umstrittenes Wohnmodell zu forcieren, das nach heutigem Stand mehr Schaden als Segen angerichtet hat.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2019/ebc
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