Olympia in Rio de Janeiro:Sportler im Zika-Zwiespalt

Hope Solo

Hope Solo will sich in Rio "nur im Hotelzimmer" aufhalten.

(Foto: AP)
  • In wenigen Wochen beginnt Olympia in Rio, doch viele Sportler sind besorgt wegen des Zika-Virus.
  • Der spanische Basketballer Pau Gasol erwägt sogar eine Absage - auch Serena Williams und Fußball-Bekanntheit Hope Solo äußern sich kritisch.

Von Saskia Aleythe und Jonas Beckenkamp

Rückblende in den Spätsommer des Jahres 2015. In Berlin wechseln sich Sonnenstrahlen und kühler Wind ab. Das sportliche Highlight dieser Septembertage findet im Basketball statt: Eine der EM-Vorrundengruppen macht in Berlin Station, Außenseiter Deutschland und auch Favorit Spanien spielen eine Woche vor. Bei den Spaniern ragt unter lauter Riesen einer heraus: Center Pau Gasol, ein Katalane mit so langen Armen, dass er damit fast die Hallendecke streicheln könnte.

Gasol ist zu diesem Zeitpunkt schon 35, er hat in seiner Sportart viel erlebt, er gewann Medaillen bei Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und Olympischen Spielen. Der Mann vom NBA-Klub Chicago Bulls ist nicht irgendein Spieler - er ist neben Dirk Nowitzki der dominanteste und talentierteste Basketballer Europas in den vergangenen 15 Jahren.

Angeführt von Gasol wird Spanien Europameister, das Team qualifiziert sich für Olympia in Rio. Mit seiner vierten Teilnahme könnte der 2,16-Meter-Mann nun seine Karriere krönen, denn beim großen Gold-Konkurrenten aus den USA fehlt diesmal einige Prominenz. Doch nur ein halbes Jahr später sagt Gasol: "Ich denke darüber nach, ob ich teilnehmen soll oder nicht."

Das mittlerweile weltweit verbreitete Zika-Virus bereitet ihm Sorgen, enorme Sorgen. Erst am Wochenende hatten 150 Wissenschaftler einen offenen Brief an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geschrieben, mit der einheitlichen Botschaft: Die Spiele müssten verlegt werden, zeitlich oder räumlich. "Es ist unethisch, ein Risiko einzugehen nur für Spiele, die auch anderweitig stattfinden könnten", stand in dem Brief. Die WHO beschwichtigte.

Es bestehe keine Gefährdung für die öffentliche Gesundheit, die eine Verlegung rechtfertigen würde. "Sie spielen die Gefahren herunter", findet nun Gasol, der mit seiner amerikanischen Sicht auf die Dinge auch dokumentiert, dass die Gefahrenlage in Übersee ganz anderes gesehen wird als in Europa.

"Olympischer Traum oder medizinischer Albtraum?"

Der Basketballer prangert in einer Kolumne für die spanische Zeitung El País an, dass das Thema Zika auf dem Alten Kontinent vernachlässigt werde. Seit 2014 spielt er in der NBA bei den Bulls, zuvor war Gasol lange Jahre bei den LA Lakers und in Memphis aktiv. Aus Sicht des Centerspielers werde das Virus in den USA viel intensiver thematisiert. "Ich bin sprachlos, wie wenig die Leute in Europa darüber sprechen", schrieb Gasol, dessen Text den Titel "Olympischer Traum oder medizinischer Albtraum?" trägt. Aus seinen Gesprächen mit Experten in Amerika und Spanien ziehe er den Schluss, dass Zika "viel größer und gefährlicher ist als gedacht".

Dass sich bisher nur wenige Sportler so geäußert haben, hat vor allem damit zu tun, dass Olympia für die meisten ein echtes Herzensprojekt ist. In etlichen Sportarten ist die gesamte Karriere von Athleten auf diese zweieinhalb Wochen ausgerichtet. Nur ein winziger Prozentsatz schafft die Qualifikation. Und wer hin kann, der bekommt so viel Aufmerksamkeit wie sein ganzes Leben über nicht. In der Leichtathletik und im Schwimmen ist der Olympiasieg das höchste, was ein Sportler erreichen kann, in vielen anderen Disziplinen genauso.

Wie wichtig sind wirtschaftliche Interessen?

Gasol ist mit seinen Gedanken freilich nicht alleine. So erklärte beispielsweise Hope Solo, die weltweit berühmte Torhüterin des US-Frauenfußball-Nationalteams, dass sie nur "widerwillig" nach Rio reisen würde. Aus Angst vor einer Zika-Infektion wolle sie sich in Brasilien ausschließlich in ihrem Hotelzimmer aufhalten und dieses nur für Training oder Spiele verlassen.

Die 34-Jährige stellt zudem eine pikante Frage: Wer ist überhaupt verantwortlich für das Wohlergehen der Sportler? Jeder Olympia-Teilnehmer selbst? Oder die Verbände? "Ich finde, dass Athleten nicht vor die Entscheidung gestellt werden sollten: Folgst du deinem olympischen Traum oder schützt du deine Gesundheit?" Tennisspielerin Serena Williams hatte sich ähnlich geäußert. "Natürlich beschäftigt uns Sportler das. Ich will natürlich teilnehmen, aber ich werde mich maximal schützen müssen." Wie Williams ihre "super protection" gegen Mückenstiche realisieren will, sagte sie nicht.

Die Teilnahme an den Spielen abzusagen, scheint für kaum einen Sportler bisher ernsthaft eine Option zu sein - außer für Pau Gasol. "Mit der Gesundheit spielt man nicht", berichtet er in seiner Klageschrift. Aber das aufgeben, wofür man als Schwimmer, Bogenschütze oder Ruderer zehn, zwanzig Jahre gearbeitet hat? Es ist eine vertrackte Situation, in der sich Tausende Athleten derzeit befinden.

Am Ende seiner Ausführungen stellt Gasol noch eine Frage, die die wirtschaftspolitische Dimension des Zika-Problems betrifft: "Ergreifen wir die nötigen Vorsichtsmaßnahmen, um die Sicherheit aller zu sichern oder setzen wir finanzielle Interessen über die Gesundheit von Menschen?" Eine Antwort darauf gibt es nicht.

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