Olympia:"In Indien ist das eine große Sache"

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Startet über 500 Meter: die 32-Jährige Anice Das. (Foto: imago/Pro Shots)

Anice Das ist die erste in Indien geborene Eisschnellläuferin, die an Winterspielen teilnimmt. Im SZ-Interview erzählt die 32-Jährige, warum sie für die Niederlande startet und seit ihrer Geburt nicht mehr in Indien war.

Interview von Matthias Schmid

Anice Das ist nach der alpinen Skirennläuferin Shailaja Kumar erst die zweite in Indien geborene Sportlerin, die an Olympischen Winterspielen teilnimmt. Die Eisschnellläuferin wird über die 500 Meter an diesem Sonntag aber nicht für ihr Geburtsland, sondern für die Niederlande an den Start gehen. Für das Land, in dem sie gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester aufgewachsen ist, nachdem die beiden im Alter von acht Monaten von einem niederländischen Ehepaar adoptiert worden sind. Im Gespräch mit der SZ erklärt die 32-Jährige, warum es erst im fortgeschrittenen Alter mit der Olympia-Teilnahme geklappt hat, warum sie seit ihrer Geburt nicht mehr in Indien war - und warum ihr gerade durch den Kontakt mit indischen Journalisten klar geworden ist, wo sie eigentlich herkommt.

SZ: Frau Das, es ist vor den Spielen viel darüber geschrieben und gesprochen worden, dass Sie die erste in Indien geborene Eisschnellläuferin bei Winterspielen sind. Vor allem in Indien ist das ein großes Thema.

Anice Das : Ich habe das natürlich mitbekommen. Ich finde das auch sehr speziell, und es ist ja wirklich eine einzigartige Geschichte, dass ich mich jetzt für die Spiele qualifizieren konnte. In Indien ist das eine große Sache, sie sind fasziniert von meiner Lebensgeschichte. Ich habe von dort viele Interviewanfragen erhalten.

Sie und Ihre Schwester sind in Mumbai geboren und mit acht Monaten von einem niederländischen Ehepaar adoptiert worden. Haben Sie noch Verbindungen nach Indien?

Ich fühle mich mit dem Land emotional stark verbunden, Holland ist meine Heimat, ich bin Holländerin und hier aufgewachsen. Aber wir wollen endlich auch mal sehen, wo wir geboren worden sind, wo wir einige Monate gelebt haben und wer unsere biologischen Eltern sind. Aus diesem Grund planen meine Schwester und ich, nach den Spielen nach Indien zu reisen.

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Sie waren seit Ihrer Geburt nicht mehr dort?

Nein, nie mehr. Ich hatte einfach keine Zeit. In den Sommermonaten, wenn ich schulfrei hatte, habe ich immer intensiv trainiert. Es war schon immer mein Traum, eines Tages bei den Spielen dabei sein zu können. Aber jetzt ist es an der Zeit, uns auf Spurensuche in Indien zu begeben. Meine Schwester hat kleine Kinder, sie sind jetzt alt genug, um mitfliegen zu können.

Hat sich der Drang, Ihre Herkunft zu erforschen, durch die vielen Anfragen aus Indien verstärkt?

Ja, es ist wirklich komisch, erst durch den Kontakt mit den indischen Journalisten ist mir so richtig bewusst geworden, wo ich eigentlich herkomme. Wir hatten schon vorher mal probiert, mithilfe einer Sendung im niederländischen Fernsehen unsere biologischen Eltern ausfindig zu machen. Das war schon immer ein großes Thema in unserem Leben. Doch jetzt hat sich das Bedürfnis noch mal verstärkt, uns mit unserer Herkunft intensiver auseinanderzusetzen. Aber erst nach den Winterspielen, ich will mich jetzt erst mal gut in Pyeongchang verkaufen.

Sie starten über die 500 Meter, Ihrer besten Strecke. Hat Sie Ihre Qualifikation selbst überrascht? Sie sind nicht mehr die Jüngste.

Ich bin habe nicht mehr damit gerechnet, dass es noch klappen könnte mit den Winterspielen. Für mich ist es tatsächlich das Ende einer langen Reise, ich habe mich selbst überrascht, weil ich nicht wirklich damit gerechnet habe, dass ich die niederländische Qualifikation gewinnen könnte. Viele hatten mich schon abgeschrieben, aber ich habe mich nie als Verliererin gefühlt und immer weitergekämpft. Jetzt bin ich sehr glücklich, dass ich mich gegen die vielen guten Mädels habe durchsetzen können und sich meine harte Arbeit in den vergangenen Jahren nun bezahlt gemacht hat.

Wie oft haben Sie es denn mit den Olympia-Teilnahme vorher schon versucht?

Ich habe schon vor vier Jahren probiert, in Sotschi dabei zu sein. Aber ich hatte einige Probleme mit meiner Schilddrüse, und es ist auch sonst in den Niederlanden sehr schwierig, sich für Olympia zu qualifizieren, weil wir so ein hohes Niveau im Eisschnelllaufen haben. Ich bin aber inzwischen viel stabiler geworden, ich komme nun häufiger an mein Leistungslimit heran. Die 500 Meter sind ein brutaler Wettbewerb, weil du auf dieser kurzen Distanz nur einen Schuss hast, um gut zu sein. Es muss einfach alles passen, sonst bist du weit weg von den Besten.

Was hat sich bei Ihnen verändert in den vergangenen Jahren?

Ich habe vor allem meine Technik verbessert, auch körperlich bin ich fitter geworden, ich kann jetzt 38er-Zeiten selbstverständlicher laufen als noch vor vier Jahren. Und ich habe es endlich geschafft, meine guten Trainingsleistungen in den Wettkampf zu überführen. Das war ein großer Entwicklungsschritt für mich.

Was haben Sie sich für Olympia vorgenommen?

Ich würde gerne meine Bestzeit von 37,84 Sekunden unterbieten, das wäre super, wenn ich das schaffen könnte, sie ist schon fast fünf Jahre alt. Das ist ein ziemlich hohes Ziel, aber es wäre ein weiterer Schritt in meiner Karriere.

Und dann hören Sie auf dem Höhepunkt auf?

Ich möchte auf jeden Fall noch ein weiteres Jahr dranhängen, der Sport macht mir so viel Freude und ich merke ja, dass ich mich noch immer steigern kann. Ich würde im Weltcup gerne mal aufs Podium fahren.

Welche Sportarten schauen Sie sich in Pyeongchang an?

Die Skirennen, das finde ich total faszinierend. Ich würde gerne auch mal selbst fahren.

Was hindert Sie daran?

Dass man sich so schnell etwas brechen kann (lacht).

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